Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.A. Altorientalisches. in die Zwickel der dieselbe schmückenden Spiralen sind beiderseitsfüllende Schraffirungen eingezeichnet. Die Art und Weise die Spiralen- zwickel mittels Schraffen zu füllen, ist -- wie ich gleich hier vor- bemerken will -- auch der mykenischen Kunst sehr geläufig; bei Be- sprechung des Pflanzenornaments in dieser letzteren Kunst wird auch auf diesen Umstand zurückzukommen sein. Hier am Schlusse unserer Betrachtungen über die Errungenschaften Diesbezüglich führt die Betrachtung der altegyptischen Künste zu A. Altorientalisches. in die Zwickel der dieselbe schmückenden Spiralen sind beiderseitsfüllende Schraffirungen eingezeichnet. Die Art und Weise die Spiralen- zwickel mittels Schraffen zu füllen, ist — wie ich gleich hier vor- bemerken will — auch der mykenischen Kunst sehr geläufig; bei Be- sprechung des Pflanzenornaments in dieser letzteren Kunst wird auch auf diesen Umstand zurückzukommen sein. Hier am Schlusse unserer Betrachtungen über die Errungenschaften Diesbezüglich führt die Betrachtung der altegyptischen Künste zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="82"/><fw place="top" type="header">A. Altorientalisches.</fw><lb/> in die Zwickel der dieselbe schmückenden Spiralen sind beiderseits<lb/> füllende Schraffirungen eingezeichnet. Die Art und Weise die Spiralen-<lb/> zwickel mittels Schraffen zu füllen, ist — wie ich gleich hier vor-<lb/> bemerken will — auch der mykenischen Kunst sehr geläufig; bei Be-<lb/> sprechung des Pflanzenornaments in dieser letzteren Kunst wird auch<lb/> auf diesen Umstand zurückzukommen sein.</p><lb/> <p>Hier am Schlusse unserer Betrachtungen über die Errungenschaften<lb/> der Altegypter in der Heranziehung der Pflanze zu reinen Schmückungs-<lb/> zwecken erscheint es wohl angebracht, einige allgemeine Worte über<lb/> Stellung und Bedeutung der altegyptischen Kunst innerhalb der Ge-<lb/> schichte der dekorativen Künste überhaupt anzufügen. Soweit wir zu<lb/> sehen vermögen, ist die altegyptische Kunst die erste gewesen, die<lb/> Elemente von unzweifelhaft pflanzlichem Charakter unter die reinen<lb/> Zierformen aufgenommen hat. Hat sie diesbezüglich eine Vorgängerin<lb/> gehabt, so müssen die Spuren des Daseins dieser letzteren vollständig<lb/> ausgelöscht worden sein; bis jetzt wenigstens sind solche nicht zu<lb/> Stande gebracht worden. Dagegen haben wir im Capitel über den<lb/> geometrischen Stil (S. 16 ff.) primitive Künste aus verhältnissmässig frühen<lb/> Kulturperioden der Menschheit in der Hinterlassenschaft der aqui-<lb/> tanischen Höhlenbewohner kennen gelernt, die wir somit bis zu einem<lb/> gewissen Grade als Maassstab für die Beurtheilung der Entwicklung<lb/> der dekorativen Künste bei dem ältesten uns bekannt gewordenen<lb/> Kulturvolk, bei den Egyptern, benützen können. Welche Bedeutung<lb/> hat nun das Kunstschaffen der Egypter für die Entwicklung der dekora-<lb/> tiven Künste im Allgemeinen gehabt?</p><lb/> <p>Diesbezüglich führt die Betrachtung der altegyptischen Künste zu<lb/> einem sehr widerspruchsvollen Ergebniss. Die Egypter haben zwar<lb/> ornamentale Typen von, so zu sagen, ewiger Geltung geschaffen, aber es<lb/> drängt sich jeweilig sofort die Bemerkung auf, um wie viel besser es<lb/> späterhin Andere gemacht haben, und zwar nicht erst die gottbegnadeten<lb/> Hellenen, sondern selbst schon die Assyrer und die Phöniker. Besonders<lb/> augenfällig tritt ein anscheinender Mangel an natürlicher Begabung<lb/> für dekoratives Kunstschaffen an den Bordüren zu Tage, deren Ver-<lb/> hältniss zu den eingerahmten Innenflächen mit seltenen Ausnahmen<lb/> kein glücklich gewähltes ist. Noch weniger erscheinen die Ecklösungen<lb/> gelungen; das Auge wird von diesen häufig geradezu unangenehm<lb/> betroffen. Auch die an Zahl vorwiegenden geometrischen Muster in den<lb/> schmalen Bordüren deuten auf eine Vernachlässigung dieser Seite des<lb/> Kunstschaffens. Gleichermaassen spielt in der altegyptischen Keramik<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0108]
A. Altorientalisches.
in die Zwickel der dieselbe schmückenden Spiralen sind beiderseits
füllende Schraffirungen eingezeichnet. Die Art und Weise die Spiralen-
zwickel mittels Schraffen zu füllen, ist — wie ich gleich hier vor-
bemerken will — auch der mykenischen Kunst sehr geläufig; bei Be-
sprechung des Pflanzenornaments in dieser letzteren Kunst wird auch
auf diesen Umstand zurückzukommen sein.
Hier am Schlusse unserer Betrachtungen über die Errungenschaften
der Altegypter in der Heranziehung der Pflanze zu reinen Schmückungs-
zwecken erscheint es wohl angebracht, einige allgemeine Worte über
Stellung und Bedeutung der altegyptischen Kunst innerhalb der Ge-
schichte der dekorativen Künste überhaupt anzufügen. Soweit wir zu
sehen vermögen, ist die altegyptische Kunst die erste gewesen, die
Elemente von unzweifelhaft pflanzlichem Charakter unter die reinen
Zierformen aufgenommen hat. Hat sie diesbezüglich eine Vorgängerin
gehabt, so müssen die Spuren des Daseins dieser letzteren vollständig
ausgelöscht worden sein; bis jetzt wenigstens sind solche nicht zu
Stande gebracht worden. Dagegen haben wir im Capitel über den
geometrischen Stil (S. 16 ff.) primitive Künste aus verhältnissmässig frühen
Kulturperioden der Menschheit in der Hinterlassenschaft der aqui-
tanischen Höhlenbewohner kennen gelernt, die wir somit bis zu einem
gewissen Grade als Maassstab für die Beurtheilung der Entwicklung
der dekorativen Künste bei dem ältesten uns bekannt gewordenen
Kulturvolk, bei den Egyptern, benützen können. Welche Bedeutung
hat nun das Kunstschaffen der Egypter für die Entwicklung der dekora-
tiven Künste im Allgemeinen gehabt?
Diesbezüglich führt die Betrachtung der altegyptischen Künste zu
einem sehr widerspruchsvollen Ergebniss. Die Egypter haben zwar
ornamentale Typen von, so zu sagen, ewiger Geltung geschaffen, aber es
drängt sich jeweilig sofort die Bemerkung auf, um wie viel besser es
späterhin Andere gemacht haben, und zwar nicht erst die gottbegnadeten
Hellenen, sondern selbst schon die Assyrer und die Phöniker. Besonders
augenfällig tritt ein anscheinender Mangel an natürlicher Begabung
für dekoratives Kunstschaffen an den Bordüren zu Tage, deren Ver-
hältniss zu den eingerahmten Innenflächen mit seltenen Ausnahmen
kein glücklich gewähltes ist. Noch weniger erscheinen die Ecklösungen
gelungen; das Auge wird von diesen häufig geradezu unangenehm
betroffen. Auch die an Zahl vorwiegenden geometrischen Muster in den
schmalen Bordüren deuten auf eine Vernachlässigung dieser Seite des
Kunstschaffens. Gleichermaassen spielt in der altegyptischen Keramik
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