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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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3. Phönikisches.
die assyrische Palmette, und so stossen wir also auch bei der Parallele
mit dem "heiligen Baume" schliesslich auf die Palmettenfrage, deren
Lösung wir -- weil für die Fortführung des Entwicklungsfadens nicht
unbedingt nothwendig -- diesmal getrost aussetzen können. Die or-
ganische Verwandtschaft des phönikischen Palmettenbaumes mit gewissen
"Bouquet"-Bildungen aus egyptischen Gräbern ist auch Sybel selbstver-
ständlich nicht entgangen. Entsprechend seiner Theorie spricht er aber
diesen Bildungen den egyptischen Ursprung ab und erklärt dieselben76)
für das "ältere phönikische Bouquet", aus welchem dann das "jüngere
phönikische Bouquet", d. i. jenes der Metallschalen, sich auf dem Wege
blosser Stilentwicklung im Laufe der Jahrhunderte ergeben hätte.
Der egyptische Ursprung von Sybel's "älterem phönikischen Bouquet"
wird aber immer klarer, je mehr Beispiele davon aus den Denkmälern
der altegyptischen Kunst bekannt werden. So hat es erst vor wenigen
Jahren Dümmler auf einer egyptischen Holzkiste im Museum zu Bologna
gefunden und abgebildet in der Athen. Mitth. XIII. 30277).

Für den Zweck, den ich mir mit dieser Untersuchung gesetzt habe,
genügt es, den innigen genetischen Zusammenhang nachgewiesen zu
haben, der zwischen den egyptischen stilisirten Blumenmotiven einer-
seits, den pönikischen und assyrischen andererseits obgewaltet haben
muss. Wie das Verhältniss dieser beiden letzteren unter einander be-
schaffen gewesen ist, mag vorläufig eine offene Frage bleiben; das
Wahrscheinliche dünkt mir aber, dass die mesopotamischen Formen
ohne Dazwischenkunft derjenigen, die uns an phönikischen Denkmälern
erhalten geblieben sind, auf direktem Wege ihre Ableitung aus der
egyptischen Kunst gefunden haben. Die Beeinflussung Mesopotamiens
durch die uralte egyptische Kultur scheint mir viel früher erfolgt zu
sein, als diejenige der Phöniker. Wir brauchen ja mit dieser Beein-
flussung Mesopotamiens gar nicht in extrem frühe Jahrtausende zurück-
zugehen; es genügen hiefür die Zeiten der Thutmessiden und Rames-
siden, aus denen uns sichergestellte phönikische Denkmäler nirgends
erhalten sind, während eine gleichzeitige verhältnissmässig hohe Kultur
in Mesopotamien so ziemlich ausser Zweifel steht. So trägt bereits der
Chaldäerkönig des 12. Jahrhunderts, Merodach-idin-akhi (Perrot II.

76) A. a. O. 25.
77) Dass die symmetrisch anspringenden Böcke daselbst nicht assy-
rischen Ursprungs zu sein brauchen, wie noch Dümmler annimmt, ist wohl
klar, seitdem wir dieses Motiv in Egypten bereits an Werken der VI. Dynastie
angetroffen haben (S. 40).

3. Phönikisches.
die assyrische Palmette, und so stossen wir also auch bei der Parallele
mit dem „heiligen Baume“ schliesslich auf die Palmettenfrage, deren
Lösung wir — weil für die Fortführung des Entwicklungsfadens nicht
unbedingt nothwendig — diesmal getrost aussetzen können. Die or-
ganische Verwandtschaft des phönikischen Palmettenbaumes mit gewissen
„Bouquet“-Bildungen aus egyptischen Gräbern ist auch Sybel selbstver-
ständlich nicht entgangen. Entsprechend seiner Theorie spricht er aber
diesen Bildungen den egyptischen Ursprung ab und erklärt dieselben76)
für das „ältere phönikische Bouquet“, aus welchem dann das „jüngere
phönikische Bouquet“, d. i. jenes der Metallschalen, sich auf dem Wege
blosser Stilentwicklung im Laufe der Jahrhunderte ergeben hätte.
Der egyptische Ursprung von Sybel’s „älterem phönikischen Bouquet“
wird aber immer klarer, je mehr Beispiele davon aus den Denkmälern
der altegyptischen Kunst bekannt werden. So hat es erst vor wenigen
Jahren Dümmler auf einer egyptischen Holzkiste im Museum zu Bologna
gefunden und abgebildet in der Athen. Mitth. XIII. 30277).

Für den Zweck, den ich mir mit dieser Untersuchung gesetzt habe,
genügt es, den innigen genetischen Zusammenhang nachgewiesen zu
haben, der zwischen den egyptischen stilisirten Blumenmotiven einer-
seits, den pönikischen und assyrischen andererseits obgewaltet haben
muss. Wie das Verhältniss dieser beiden letzteren unter einander be-
schaffen gewesen ist, mag vorläufig eine offene Frage bleiben; das
Wahrscheinliche dünkt mir aber, dass die mesopotamischen Formen
ohne Dazwischenkunft derjenigen, die uns an phönikischen Denkmälern
erhalten geblieben sind, auf direktem Wege ihre Ableitung aus der
egyptischen Kunst gefunden haben. Die Beeinflussung Mesopotamiens
durch die uralte egyptische Kultur scheint mir viel früher erfolgt zu
sein, als diejenige der Phöniker. Wir brauchen ja mit dieser Beein-
flussung Mesopotamiens gar nicht in extrem frühe Jahrtausende zurück-
zugehen; es genügen hiefür die Zeiten der Thutmessiden und Rames-
siden, aus denen uns sichergestellte phönikische Denkmäler nirgends
erhalten sind, während eine gleichzeitige verhältnissmässig hohe Kultur
in Mesopotamien so ziemlich ausser Zweifel steht. So trägt bereits der
Chaldäerkönig des 12. Jahrhunderts, Merodach-idin-akhi (Perrot II.

76) A. a. O. 25.
77) Dass die symmetrisch anspringenden Böcke daselbst nicht assy-
rischen Ursprungs zu sein brauchen, wie noch Dümmler annimmt, ist wohl
klar, seitdem wir dieses Motiv in Egypten bereits an Werken der VI. Dynastie
angetroffen haben (S. 40).
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[107/0133] 3. Phönikisches. die assyrische Palmette, und so stossen wir also auch bei der Parallele mit dem „heiligen Baume“ schliesslich auf die Palmettenfrage, deren Lösung wir — weil für die Fortführung des Entwicklungsfadens nicht unbedingt nothwendig — diesmal getrost aussetzen können. Die or- ganische Verwandtschaft des phönikischen Palmettenbaumes mit gewissen „Bouquet“-Bildungen aus egyptischen Gräbern ist auch Sybel selbstver- ständlich nicht entgangen. Entsprechend seiner Theorie spricht er aber diesen Bildungen den egyptischen Ursprung ab und erklärt dieselben 76) für das „ältere phönikische Bouquet“, aus welchem dann das „jüngere phönikische Bouquet“, d. i. jenes der Metallschalen, sich auf dem Wege blosser Stilentwicklung im Laufe der Jahrhunderte ergeben hätte. Der egyptische Ursprung von Sybel’s „älterem phönikischen Bouquet“ wird aber immer klarer, je mehr Beispiele davon aus den Denkmälern der altegyptischen Kunst bekannt werden. So hat es erst vor wenigen Jahren Dümmler auf einer egyptischen Holzkiste im Museum zu Bologna gefunden und abgebildet in der Athen. Mitth. XIII. 302 77). Für den Zweck, den ich mir mit dieser Untersuchung gesetzt habe, genügt es, den innigen genetischen Zusammenhang nachgewiesen zu haben, der zwischen den egyptischen stilisirten Blumenmotiven einer- seits, den pönikischen und assyrischen andererseits obgewaltet haben muss. Wie das Verhältniss dieser beiden letzteren unter einander be- schaffen gewesen ist, mag vorläufig eine offene Frage bleiben; das Wahrscheinliche dünkt mir aber, dass die mesopotamischen Formen ohne Dazwischenkunft derjenigen, die uns an phönikischen Denkmälern erhalten geblieben sind, auf direktem Wege ihre Ableitung aus der egyptischen Kunst gefunden haben. Die Beeinflussung Mesopotamiens durch die uralte egyptische Kultur scheint mir viel früher erfolgt zu sein, als diejenige der Phöniker. Wir brauchen ja mit dieser Beein- flussung Mesopotamiens gar nicht in extrem frühe Jahrtausende zurück- zugehen; es genügen hiefür die Zeiten der Thutmessiden und Rames- siden, aus denen uns sichergestellte phönikische Denkmäler nirgends erhalten sind, während eine gleichzeitige verhältnissmässig hohe Kultur in Mesopotamien so ziemlich ausser Zweifel steht. So trägt bereits der Chaldäerkönig des 12. Jahrhunderts, Merodach-idin-akhi (Perrot II. 76) A. a. O. 25. 77) Dass die symmetrisch anspringenden Böcke daselbst nicht assy- rischen Ursprungs zu sein brauchen, wie noch Dümmler annimmt, ist wohl klar, seitdem wir dieses Motiv in Egypten bereits an Werken der VI. Dynastie angetroffen haben (S. 40).

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/133>, abgerufen am 21.11.2024.