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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
des Lotusblüthen-Knospen-Bogenfrieses ebenfalls in der mykenischen
Kunst nicht nachzuweisen, und erweist sich somit in gleichem Maasse
wie die Lotus-Blüthen-Knospen-Reihen als eine nachmykenische Anleihe
aus dem egyptisch-orientalischen Kunstfonds.

Obzwar es für unsere Aufgabe ziemlich gleichgiltig ist, ob der
zuletzt geschilderte Lotus-Bogenfries unmittelbar aus egyptischer Quelle
oder aber aus einer abgeleiteten übernommen worden ist, will ich doch
der häufig begegnenden Behauptung, dass wir es da mit einem specifisch
assyrischen Motiv zu thun haben, nicht ganz aus dem Wege gehen.
Was an dem Bogenfries Fig. 73 für assyrische Herkunft spricht, sind
insbesondere die Heftel oder Klammern, mittels welcher die Blüthen70)
an den Bogenlinien befestigt erscheinen (vgl. Fig. 28), in zweiter Linie
das Hinwegfallen aller jener kleinen füllenden Rosetten, Knöspchen u.s.w.,
mit denen die Zwischenräume an den egyptischen Bogenfriesen71) über-
laden sind. Diese Eigenthümlichkeiten halte ich aber noch nicht für
genügend, um ihr Vorkommen auf rhodischen Vasen aus assyrischer
Quelle erklären zu müssen. Die assyrische Kunst ist, wie wir gesehen
haben, in allem Wesentlichen eine abgeleitete, die Blüthe, die wir von
ihr kennen, eine verhältnissmässig späte und die mykenische in der
Entwicklung der Ornamentik nicht erreichende. Die strenger egypti-
sirenden Bogenfriese, die allein für die in Rede stehenden rhodischen
vorbildlich gewesen sein können, finden sich erst in der Zeit der Sar-
goniden (vgl. S. 93), sind also kaum nennenswerth älter als die rhodischen
Beispiele72).

Auch das Auftreten des Flechtbandes, jenes in der mesopotamischen
Kunst so weit verbreiteten (S. 89), in der egyptischen dagegen vernach-

70) An der Oenochoe, Salzmann Taf. 44, auch die Knospen.
71) Fig. 22, wo aber die bei Prisse vollständig abgebildeten Füllsel der
Deutlichkeit des Grundschemas zuliebe hinweg gelassen sind.
72) Der Einfluss der assyrischen Kunst auf die Entfaltung der griechischen
wird erst noch näher umgrenzt werden müssen; soviel darf aber heute schon
gesagt werden, dass derselbe grösstentheils weit über Gebühr überschätzt
worden ist; so auch von Holwerda im Arch. Jahrb. 1890, S. 237 ff. Wenn da-
selbst u. A. zum Beweise die pränestinische Ciste Mon. ined. VIII. 26 citirt er-
scheint, so ist dagegen zu sagen, dass die Lotusblüthen an diesem Beispiele
steif egyptisirend, die Palmetten gräcisirend, keineswegs aber assyrisch ge-
bildet sind. In der Zeit der Sargoniden war das Kunstschaffen auf nachmals
hellenischem Boden übrigens bereits soweit erstarkt und vorgeschritten, dass
seinen Trägern und Pflegern das gleichzeitige assyrische Kunstschaffen kaum
sonderlich imponirt haben dürfte.

B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
des Lotusblüthen-Knospen-Bogenfrieses ebenfalls in der mykenischen
Kunst nicht nachzuweisen, und erweist sich somit in gleichem Maasse
wie die Lotus-Blüthen-Knospen-Reihen als eine nachmykenische Anleihe
aus dem egyptisch-orientalischen Kunstfonds.

Obzwar es für unsere Aufgabe ziemlich gleichgiltig ist, ob der
zuletzt geschilderte Lotus-Bogenfries unmittelbar aus egyptischer Quelle
oder aber aus einer abgeleiteten übernommen worden ist, will ich doch
der häufig begegnenden Behauptung, dass wir es da mit einem specifisch
assyrischen Motiv zu thun haben, nicht ganz aus dem Wege gehen.
Was an dem Bogenfries Fig. 73 für assyrische Herkunft spricht, sind
insbesondere die Heftel oder Klammern, mittels welcher die Blüthen70)
an den Bogenlinien befestigt erscheinen (vgl. Fig. 28), in zweiter Linie
das Hinwegfallen aller jener kleinen füllenden Rosetten, Knöspchen u.s.w.,
mit denen die Zwischenräume an den egyptischen Bogenfriesen71) über-
laden sind. Diese Eigenthümlichkeiten halte ich aber noch nicht für
genügend, um ihr Vorkommen auf rhodischen Vasen aus assyrischer
Quelle erklären zu müssen. Die assyrische Kunst ist, wie wir gesehen
haben, in allem Wesentlichen eine abgeleitete, die Blüthe, die wir von
ihr kennen, eine verhältnissmässig späte und die mykenische in der
Entwicklung der Ornamentik nicht erreichende. Die strenger egypti-
sirenden Bogenfriese, die allein für die in Rede stehenden rhodischen
vorbildlich gewesen sein können, finden sich erst in der Zeit der Sar-
goniden (vgl. S. 93), sind also kaum nennenswerth älter als die rhodischen
Beispiele72).

Auch das Auftreten des Flechtbandes, jenes in der mesopotamischen
Kunst so weit verbreiteten (S. 89), in der egyptischen dagegen vernach-

70) An der Oenochoe, Salzmann Taf. 44, auch die Knospen.
71) Fig. 22, wo aber die bei Prisse vollständig abgebildeten Füllsel der
Deutlichkeit des Grundschemas zuliebe hinweg gelassen sind.
72) Der Einfluss der assyrischen Kunst auf die Entfaltung der griechischen
wird erst noch näher umgrenzt werden müssen; soviel darf aber heute schon
gesagt werden, dass derselbe grösstentheils weit über Gebühr überschätzt
worden ist; so auch von Holwerda im Arch. Jahrb. 1890, S. 237 ff. Wenn da-
selbst u. A. zum Beweise die pränestinische Ciste Mon. ined. VIII. 26 citirt er-
scheint, so ist dagegen zu sagen, dass die Lotusblüthen an diesem Beispiele
steif egyptisirend, die Palmetten gräcisirend, keineswegs aber assyrisch ge-
bildet sind. In der Zeit der Sargoniden war das Kunstschaffen auf nachmals
hellenischem Boden übrigens bereits soweit erstarkt und vorgeschritten, dass
seinen Trägern und Pflegern das gleichzeitige assyrische Kunstschaffen kaum
sonderlich imponirt haben dürfte.
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[164/0190] B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. des Lotusblüthen-Knospen-Bogenfrieses ebenfalls in der mykenischen Kunst nicht nachzuweisen, und erweist sich somit in gleichem Maasse wie die Lotus-Blüthen-Knospen-Reihen als eine nachmykenische Anleihe aus dem egyptisch-orientalischen Kunstfonds. Obzwar es für unsere Aufgabe ziemlich gleichgiltig ist, ob der zuletzt geschilderte Lotus-Bogenfries unmittelbar aus egyptischer Quelle oder aber aus einer abgeleiteten übernommen worden ist, will ich doch der häufig begegnenden Behauptung, dass wir es da mit einem specifisch assyrischen Motiv zu thun haben, nicht ganz aus dem Wege gehen. Was an dem Bogenfries Fig. 73 für assyrische Herkunft spricht, sind insbesondere die Heftel oder Klammern, mittels welcher die Blüthen 70) an den Bogenlinien befestigt erscheinen (vgl. Fig. 28), in zweiter Linie das Hinwegfallen aller jener kleinen füllenden Rosetten, Knöspchen u.s.w., mit denen die Zwischenräume an den egyptischen Bogenfriesen 71) über- laden sind. Diese Eigenthümlichkeiten halte ich aber noch nicht für genügend, um ihr Vorkommen auf rhodischen Vasen aus assyrischer Quelle erklären zu müssen. Die assyrische Kunst ist, wie wir gesehen haben, in allem Wesentlichen eine abgeleitete, die Blüthe, die wir von ihr kennen, eine verhältnissmässig späte und die mykenische in der Entwicklung der Ornamentik nicht erreichende. Die strenger egypti- sirenden Bogenfriese, die allein für die in Rede stehenden rhodischen vorbildlich gewesen sein können, finden sich erst in der Zeit der Sar- goniden (vgl. S. 93), sind also kaum nennenswerth älter als die rhodischen Beispiele 72). Auch das Auftreten des Flechtbandes, jenes in der mesopotamischen Kunst so weit verbreiteten (S. 89), in der egyptischen dagegen vernach- 70) An der Oenochoe, Salzmann Taf. 44, auch die Knospen. 71) Fig. 22, wo aber die bei Prisse vollständig abgebildeten Füllsel der Deutlichkeit des Grundschemas zuliebe hinweg gelassen sind. 72) Der Einfluss der assyrischen Kunst auf die Entfaltung der griechischen wird erst noch näher umgrenzt werden müssen; soviel darf aber heute schon gesagt werden, dass derselbe grösstentheils weit über Gebühr überschätzt worden ist; so auch von Holwerda im Arch. Jahrb. 1890, S. 237 ff. Wenn da- selbst u. A. zum Beweise die pränestinische Ciste Mon. ined. VIII. 26 citirt er- scheint, so ist dagegen zu sagen, dass die Lotusblüthen an diesem Beispiele steif egyptisirend, die Palmetten gräcisirend, keineswegs aber assyrisch ge- bildet sind. In der Zeit der Sargoniden war das Kunstschaffen auf nachmals hellenischem Boden übrigens bereits soweit erstarkt und vorgeschritten, dass seinen Trägern und Pflegern das gleichzeitige assyrische Kunstschaffen kaum sonderlich imponirt haben dürfte.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/190>, abgerufen am 21.11.2024.