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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
Kunst bewahrte sich noch immer ihre eigene Sphäre, wenngleich sie
an ihren Hervorbringungen den Zusammenhang mit der lebendigen
und realen Natur deutlicher durchblicken liess als dies jemals in den
zeitlich voraufgegangenen Künsten der Fall gewesen war.

Dieser Punkt ist nicht bloss für die hellenistisch-römische Pflanzen-
ornamentik, sondern für das dekorative Kunstschaffen aller vergangenen
Jahrhunderte bis auf die neueste Zeit allzu wichtig und bedeutsam, als
dass es überflüssig erscheinen könnte, denselben noch an einem weiteren
Beispiele zu erläutern. Fig. 17873) zeigt die Reliefverzierung von einer
anderen steinernen Ara aus Pompeji. Aus einem doppelten Blattkelch
(der gleichfalls unsterbliche historische Nachfolge gefunden hat) --

[Abbildung] Fig. 178.

Steineylinder mit Reliefverzierung, aus Pompeji.

einem ab- und einem aufwärts gerichteten -- entspriessen zwei Ranken,
die nach bekanntem hellenistischen Schema (Fig. 121) sich nach Rechts
und Links entfalten, spiralig einrollen, ja sogar verschlingen. In diesem
Falle erscheint ansnahmsweise auch die botanische Species charakteri-
sirt, die wir uns darunter vorzustellen haben: kleine Träubchen sagen

trefflich abzulauschen wusste. Allerdings ist dann oft in Fällen wie z. B. Ant.
Denkm. I. 11 (Wandbild in Prima Porta) die Grenze zwischen gegenständ-
licher und dekorativer Absicht nicht mehr streng zu ziehen. Solche Fälle
scheinen vielmehr zu beweisen, dass man schon in der augusteischen Zeit
sich auf einem Wege zum Realismus in der Kunst befand, von dem man
jedoch alsbald abgekommen ist, um sich ihm erst wieder in neuerer Zeit,
diesmal aber entschiedener, zuzuwenden.
73) Niccolini ebendas.
21*

2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
Kunst bewahrte sich noch immer ihre eigene Sphäre, wenngleich sie
an ihren Hervorbringungen den Zusammenhang mit der lebendigen
und realen Natur deutlicher durchblicken liess als dies jemals in den
zeitlich voraufgegangenen Künsten der Fall gewesen war.

Dieser Punkt ist nicht bloss für die hellenistisch-römische Pflanzen-
ornamentik, sondern für das dekorative Kunstschaffen aller vergangenen
Jahrhunderte bis auf die neueste Zeit allzu wichtig und bedeutsam, als
dass es überflüssig erscheinen könnte, denselben noch an einem weiteren
Beispiele zu erläutern. Fig. 17873) zeigt die Reliefverzierung von einer
anderen steinernen Ara aus Pompeji. Aus einem doppelten Blattkelch
(der gleichfalls unsterbliche historische Nachfolge gefunden hat) —

[Abbildung] Fig. 178.

Steineylinder mit Reliefverzierung, aus Pompeji.

einem ab- und einem aufwärts gerichteten — entspriessen zwei Ranken,
die nach bekanntem hellenistischen Schema (Fig. 121) sich nach Rechts
und Links entfalten, spiralig einrollen, ja sogar verschlingen. In diesem
Falle erscheint ansnahmsweise auch die botanische Species charakteri-
sirt, die wir uns darunter vorzustellen haben: kleine Träubchen sagen

trefflich abzulauschen wusste. Allerdings ist dann oft in Fällen wie z. B. Ant.
Denkm. I. 11 (Wandbild in Prima Porta) die Grenze zwischen gegenständ-
licher und dekorativer Absicht nicht mehr streng zu ziehen. Solche Fälle
scheinen vielmehr zu beweisen, dass man schon in der augusteischen Zeit
sich auf einem Wege zum Realismus in der Kunst befand, von dem man
jedoch alsbald abgekommen ist, um sich ihm erst wieder in neuerer Zeit,
diesmal aber entschiedener, zuzuwenden.
73) Niccolini ebendas.
21*
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[323/0349] 2. Frühsaracenische Rankenornamentik. Kunst bewahrte sich noch immer ihre eigene Sphäre, wenngleich sie an ihren Hervorbringungen den Zusammenhang mit der lebendigen und realen Natur deutlicher durchblicken liess als dies jemals in den zeitlich voraufgegangenen Künsten der Fall gewesen war. Dieser Punkt ist nicht bloss für die hellenistisch-römische Pflanzen- ornamentik, sondern für das dekorative Kunstschaffen aller vergangenen Jahrhunderte bis auf die neueste Zeit allzu wichtig und bedeutsam, als dass es überflüssig erscheinen könnte, denselben noch an einem weiteren Beispiele zu erläutern. Fig. 178 73) zeigt die Reliefverzierung von einer anderen steinernen Ara aus Pompeji. Aus einem doppelten Blattkelch (der gleichfalls unsterbliche historische Nachfolge gefunden hat) — [Abbildung Fig. 178. Steineylinder mit Reliefverzierung, aus Pompeji.] einem ab- und einem aufwärts gerichteten — entspriessen zwei Ranken, die nach bekanntem hellenistischen Schema (Fig. 121) sich nach Rechts und Links entfalten, spiralig einrollen, ja sogar verschlingen. In diesem Falle erscheint ansnahmsweise auch die botanische Species charakteri- sirt, die wir uns darunter vorzustellen haben: kleine Träubchen sagen 72) 73) Niccolini ebendas. 72) trefflich abzulauschen wusste. Allerdings ist dann oft in Fällen wie z. B. Ant. Denkm. I. 11 (Wandbild in Prima Porta) die Grenze zwischen gegenständ- licher und dekorativer Absicht nicht mehr streng zu ziehen. Solche Fälle scheinen vielmehr zu beweisen, dass man schon in der augusteischen Zeit sich auf einem Wege zum Realismus in der Kunst befand, von dem man jedoch alsbald abgekommen ist, um sich ihm erst wieder in neuerer Zeit, diesmal aber entschiedener, zuzuwenden. 21*

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/349>, abgerufen am 05.12.2024.