Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Arabeske.
früheren klassischen Rankenornamentik völlig bewusst
waren
. Und zwar betone ich: des sachlichen, nicht des historischen
Zusammenhanges, denn um den letzteren hat sich das ornamentale
Kunstschaffen früherer wahrhaft schöpferischer Jahrhunderte niemals
gekümmert.

Aus dem 14. Jahrh. stammt Fig. 193 von einer Füllung der Kanzel
in der Grabmoschee des Sultans Barkuk zu Kairo. Die arabesken
Halbpalmetten haben hier feine lineare Halbpalmetten eingezeichnet;
mit diesen sind wir unmittelbar an die Behandlung der Motive in
Fig. 139 herangekommen, die wir seiner Zeit (S. 263) unserer Definition

[Abbildung] Fig. 193.

Füllung in Stuck, aus Kairo.

von den specifischen Eigenthümlichkeiten der Arabeske zu Grunde ge-
legt hatten. Hier drängt sich die Frage auf: gehen die erwähnten ein-
gezeichneten Füllungen der Motive von Fig. 193 auf die klassische
Halbpalmette zurück, wie es unter Hinweis auf das zu Fig. 189 b und c
und 190 Gesagte in der That denkbar wäre, oder sind dieselben als
stilisirte Uebertragung der umgeklappten Ränder des Akanthushalb-
blatts (Fig. 180--183) aufzufassen?

Diese Frage ist nicht unwichtig, weil wir beim abstrakten Cha-
rakter der saracenischen Blüthenmotive in den meisten Fällen unsicher
sind, ob wir uns darunter Akanthus oder flache Projektion (Palmetten-
fächer) als zu Grunde liegendes formgebendes Element vorzustellen

Die Arabeske.
früheren klassischen Rankenornamentik völlig bewusst
waren
. Und zwar betone ich: des sachlichen, nicht des historischen
Zusammenhanges, denn um den letzteren hat sich das ornamentale
Kunstschaffen früherer wahrhaft schöpferischer Jahrhunderte niemals
gekümmert.

Aus dem 14. Jahrh. stammt Fig. 193 von einer Füllung der Kanzel
in der Grabmoschee des Sultans Barkuk zu Kairo. Die arabesken
Halbpalmetten haben hier feine lineare Halbpalmetten eingezeichnet;
mit diesen sind wir unmittelbar an die Behandlung der Motive in
Fig. 139 herangekommen, die wir seiner Zeit (S. 263) unserer Definition

[Abbildung] Fig. 193.

Füllung in Stuck, aus Kairo.

von den specifischen Eigenthümlichkeiten der Arabeske zu Grunde ge-
legt hatten. Hier drängt sich die Frage auf: gehen die erwähnten ein-
gezeichneten Füllungen der Motive von Fig. 193 auf die klassische
Halbpalmette zurück, wie es unter Hinweis auf das zu Fig. 189 b und c
und 190 Gesagte in der That denkbar wäre, oder sind dieselben als
stilisirte Uebertragung der umgeklappten Ränder des Akanthushalb-
blatts (Fig. 180—183) aufzufassen?

Diese Frage ist nicht unwichtig, weil wir beim abstrakten Cha-
rakter der saracenischen Blüthenmotive in den meisten Fällen unsicher
sind, ob wir uns darunter Akanthus oder flache Projektion (Palmetten-
fächer) als zu Grunde liegendes formgebendes Element vorzustellen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0362" n="336"/><fw place="top" type="header">Die Arabeske.</fw><lb/><hi rendition="#g">früheren klassischen Rankenornamentik völlig bewusst<lb/>
waren</hi>. Und zwar betone ich: des <hi rendition="#g">sachlichen</hi>, nicht des historischen<lb/>
Zusammenhanges, denn um den letzteren hat sich das ornamentale<lb/>
Kunstschaffen früherer wahrhaft schöpferischer Jahrhunderte niemals<lb/>
gekümmert.</p><lb/>
          <p>Aus dem 14. Jahrh. stammt Fig. 193 von einer Füllung der Kanzel<lb/>
in der Grabmoschee des Sultans Barkuk zu Kairo. Die arabesken<lb/>
Halbpalmetten haben hier feine lineare Halbpalmetten eingezeichnet;<lb/>
mit diesen sind wir unmittelbar an die Behandlung der Motive in<lb/>
Fig. 139 herangekommen, die wir seiner Zeit (S. 263) unserer Definition<lb/><figure><head>Fig. 193.</head><lb/><p>Füllung in Stuck, aus Kairo.</p></figure><lb/>
von den specifischen Eigenthümlichkeiten der Arabeske zu Grunde ge-<lb/>
legt hatten. Hier drängt sich die Frage auf: gehen die erwähnten ein-<lb/>
gezeichneten Füllungen der Motive von Fig. 193 auf die klassische<lb/>
Halbpalmette zurück, wie es unter Hinweis auf das zu Fig. 189 b und c<lb/>
und 190 Gesagte in der That denkbar wäre, oder sind dieselben als<lb/>
stilisirte Uebertragung der umgeklappten Ränder des Akanthushalb-<lb/>
blatts (Fig. 180&#x2014;183) aufzufassen?</p><lb/>
          <p>Diese Frage ist nicht unwichtig, weil wir beim abstrakten Cha-<lb/>
rakter der saracenischen Blüthenmotive in den meisten Fällen unsicher<lb/>
sind, ob wir uns darunter Akanthus oder flache Projektion (Palmetten-<lb/>
fächer) als zu Grunde liegendes formgebendes Element vorzustellen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0362] Die Arabeske. früheren klassischen Rankenornamentik völlig bewusst waren. Und zwar betone ich: des sachlichen, nicht des historischen Zusammenhanges, denn um den letzteren hat sich das ornamentale Kunstschaffen früherer wahrhaft schöpferischer Jahrhunderte niemals gekümmert. Aus dem 14. Jahrh. stammt Fig. 193 von einer Füllung der Kanzel in der Grabmoschee des Sultans Barkuk zu Kairo. Die arabesken Halbpalmetten haben hier feine lineare Halbpalmetten eingezeichnet; mit diesen sind wir unmittelbar an die Behandlung der Motive in Fig. 139 herangekommen, die wir seiner Zeit (S. 263) unserer Definition [Abbildung Fig. 193. Füllung in Stuck, aus Kairo.] von den specifischen Eigenthümlichkeiten der Arabeske zu Grunde ge- legt hatten. Hier drängt sich die Frage auf: gehen die erwähnten ein- gezeichneten Füllungen der Motive von Fig. 193 auf die klassische Halbpalmette zurück, wie es unter Hinweis auf das zu Fig. 189 b und c und 190 Gesagte in der That denkbar wäre, oder sind dieselben als stilisirte Uebertragung der umgeklappten Ränder des Akanthushalb- blatts (Fig. 180—183) aufzufassen? Diese Frage ist nicht unwichtig, weil wir beim abstrakten Cha- rakter der saracenischen Blüthenmotive in den meisten Fällen unsicher sind, ob wir uns darunter Akanthus oder flache Projektion (Palmetten- fächer) als zu Grunde liegendes formgebendes Element vorzustellen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/362
Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/362>, abgerufen am 11.12.2024.