Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.Der geometrische Stil. stufe angehörigen Metalltechniken herangezogen. Auf einzelne Ver-suche dieser Art zurückzukommen wird sich in den folgenden Capiteln wiederholt Gelegenheit bieten. An dieser Stelle, wo auf die aller- dings weitaus im Vordergrunde der ganzen Controverse stehenden tex- tilen Techniken allein Bezug genommen wurde, obliegt es uns noch, uns mit dem einzigen Versuche zu beschäftigen, der bisher gemacht worden ist, um die Übertragung der geometrischen Ziermotive von den Textiltechniken auf ein anderes, und zwar auf das keramische Gebiet, in greifbarerer, über bloss allgemeine Aufstellungen hinaus gehender Weise zu erklären. Kekule hat in der Juli-Sitzung der Berliner Archäologischen Ge- Kekule ging aus von der Beobachtung der Ethnologen, wonach die Was zunächst die zur Voraussetzung gegebene Beobachtung der Der geometrische Stil. stufe angehörigen Metalltechniken herangezogen. Auf einzelne Ver-suche dieser Art zurückzukommen wird sich in den folgenden Capiteln wiederholt Gelegenheit bieten. An dieser Stelle, wo auf die aller- dings weitaus im Vordergrunde der ganzen Controverse stehenden tex- tilen Techniken allein Bezug genommen wurde, obliegt es uns noch, uns mit dem einzigen Versuche zu beschäftigen, der bisher gemacht worden ist, um die Übertragung der geometrischen Ziermotive von den Textiltechniken auf ein anderes, und zwar auf das keramische Gebiet, in greifbarerer, über bloss allgemeine Aufstellungen hinaus gehender Weise zu erklären. Kekulé hat in der Juli-Sitzung der Berliner Archäologischen Ge- Kekulé ging aus von der Beobachtung der Ethnologen, wonach die Was zunächst die zur Voraussetzung gegebene Beobachtung der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="25"/><fw place="top" type="header">Der geometrische Stil.</fw><lb/> stufe angehörigen Metalltechniken herangezogen. Auf einzelne Ver-<lb/> suche dieser Art zurückzukommen wird sich in den folgenden Capiteln<lb/> wiederholt Gelegenheit bieten. An dieser Stelle, wo auf die aller-<lb/> dings weitaus im Vordergrunde der ganzen Controverse stehenden tex-<lb/> tilen Techniken allein Bezug genommen wurde, obliegt es uns noch,<lb/> uns mit dem einzigen Versuche zu beschäftigen, der bisher gemacht<lb/> worden ist, um die Übertragung der geometrischen Ziermotive von den<lb/> Textiltechniken auf ein anderes, und zwar auf das keramische Gebiet,<lb/> in greifbarerer, über bloss allgemeine Aufstellungen hinaus gehender<lb/> Weise zu erklären.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Kekulé</hi> hat in der Juli-Sitzung der Berliner Archäologischen Ge-<lb/> sellschaft vom J. 1890 eine vorläufige Mittheilung über den „Ursprung<lb/> von Form und Ornament der ältesten griechischen und vorgriechischen<lb/> Vasen“ gemacht, welcher eine ausführlichere Darlegung folgen sollte.<lb/> Bis jetzt ist es bei dem im archäologischen Anzeiger von 1890 S. 106 f.<lb/> abgedruckten Sitzungsberichte geblieben, und da im engen Rahmen<lb/> eines solchen leider nur für allgemeinere Bemerkungen Platz war, muss<lb/> auch ich mich im Folgenden auf Gegenbemerkungen allgemeinerer<lb/> Natur beschränken.</p><lb/> <p>Kekulé ging aus von der Beobachtung der Ethnologen, wonach die<lb/> Korbflechterei der Töpferei weit vorausgegangen wäre. Da er nun fand,<lb/> dass „innerhalb des sogen. mykenischen Stils, bei den sogen. Dipylon-<lb/> und den kyprischen Vasen u. dgl., bei den altrhodischen, melischen Thon-<lb/> gefässen u. s. w. korbartige Formen und korbgeflechtähnliche Orna-<lb/> mente, oft auch beide zugleich sich erkennen lassen“, so schloss er<lb/> daraus, dass „die ersten bestimmenden Vorbilder für die Vasen leib-<lb/> haftige Körbe, für ihre Ornamentik Korbflechtmotive“ waren. Fast<lb/> noch mehr Gewicht als auf die Abstammung der geometrischen Orna-<lb/> mentmotive von den Korbflechtmotiven scheint Kekulé auf die Formen<lb/> der Vasen zu legen, die er unmittelbar von Körben entlehnt sein lässt.<lb/> Das geflochtene Material, auf das er seine diesbezüglichen Beobachtungen<lb/> stützt, ist naturgemäss fast durchweg neuerer Entstehung, aber sehr<lb/> umfassend und reichhaltig.</p><lb/> <p>Was zunächst die zur Voraussetzung gegebene Beobachtung der<lb/> Ethnologen betrifft, so mag dieselbe vielleicht richtig sein; ausgemacht<lb/> ist sie sicher nicht. Ich für meinen Theil mache mich sofort anheischig,<lb/> in Nachahmung der hohlen Hand oder einer ausgehöhlten Kürbishälfte<lb/> aus angefeuchtetem Thon eine Trinkschale aus freier Hand schlecht<lb/> und recht zu formen, wogegen ich in Verlegenheit käme, wenn man<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0051]
Der geometrische Stil.
stufe angehörigen Metalltechniken herangezogen. Auf einzelne Ver-
suche dieser Art zurückzukommen wird sich in den folgenden Capiteln
wiederholt Gelegenheit bieten. An dieser Stelle, wo auf die aller-
dings weitaus im Vordergrunde der ganzen Controverse stehenden tex-
tilen Techniken allein Bezug genommen wurde, obliegt es uns noch,
uns mit dem einzigen Versuche zu beschäftigen, der bisher gemacht
worden ist, um die Übertragung der geometrischen Ziermotive von den
Textiltechniken auf ein anderes, und zwar auf das keramische Gebiet,
in greifbarerer, über bloss allgemeine Aufstellungen hinaus gehender
Weise zu erklären.
Kekulé hat in der Juli-Sitzung der Berliner Archäologischen Ge-
sellschaft vom J. 1890 eine vorläufige Mittheilung über den „Ursprung
von Form und Ornament der ältesten griechischen und vorgriechischen
Vasen“ gemacht, welcher eine ausführlichere Darlegung folgen sollte.
Bis jetzt ist es bei dem im archäologischen Anzeiger von 1890 S. 106 f.
abgedruckten Sitzungsberichte geblieben, und da im engen Rahmen
eines solchen leider nur für allgemeinere Bemerkungen Platz war, muss
auch ich mich im Folgenden auf Gegenbemerkungen allgemeinerer
Natur beschränken.
Kekulé ging aus von der Beobachtung der Ethnologen, wonach die
Korbflechterei der Töpferei weit vorausgegangen wäre. Da er nun fand,
dass „innerhalb des sogen. mykenischen Stils, bei den sogen. Dipylon-
und den kyprischen Vasen u. dgl., bei den altrhodischen, melischen Thon-
gefässen u. s. w. korbartige Formen und korbgeflechtähnliche Orna-
mente, oft auch beide zugleich sich erkennen lassen“, so schloss er
daraus, dass „die ersten bestimmenden Vorbilder für die Vasen leib-
haftige Körbe, für ihre Ornamentik Korbflechtmotive“ waren. Fast
noch mehr Gewicht als auf die Abstammung der geometrischen Orna-
mentmotive von den Korbflechtmotiven scheint Kekulé auf die Formen
der Vasen zu legen, die er unmittelbar von Körben entlehnt sein lässt.
Das geflochtene Material, auf das er seine diesbezüglichen Beobachtungen
stützt, ist naturgemäss fast durchweg neuerer Entstehung, aber sehr
umfassend und reichhaltig.
Was zunächst die zur Voraussetzung gegebene Beobachtung der
Ethnologen betrifft, so mag dieselbe vielleicht richtig sein; ausgemacht
ist sie sicher nicht. Ich für meinen Theil mache mich sofort anheischig,
in Nachahmung der hohlen Hand oder einer ausgehöhlten Kürbishälfte
aus angefeuchtetem Thon eine Trinkschale aus freier Hand schlecht
und recht zu formen, wogegen ich in Verlegenheit käme, wenn man
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