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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Der Wappenstil.
Anordnung der Hauptmotive, anderseits den Grund nach Möglichkeit
ausgiebig mit Mustern gefüllt.

Da nun diese wappenartige Ornamentik sich besonders häufig an
Werken der assyrischen Kunst (Fig. 4)5) vorfindet, und die früh-
griechische Kunst nachweisbar vielfach unter orientalischen Einflüssen
gestanden ist, so ergeben sich daraus unschwer die Schlüsse, welche die
klassische Archäologie aus der Curtius'schen Hypothese nothwendiger-
maassen gezogen hat. Einer ihrer namhafteren und auch mit den alt-
orientalischen Verhältnissen bestvertrauten Vertreter hat noch vor
Kurzem die diesbezüglich herrschende Lehrmeinung in folgende Worte
zusammengefasst: "Die Bildertypik des Orients hängt zum grössten
Theile von den Gewebemustern der grossen Wandtapeten ab, und

[Abbildung] Fig. 4.

Skulpirter assyrischer Fries mit geflügelten Stieren im Wappenstil.

manche stilistische Eigenheiten ihrer Plastik, z. B. die übermässige Kon-
turirung der Muskeln, findet darin am natürlichsten ihre Erklärung6)."
Auch diesem Lehrsatze gegenüber werden wir die Frage aufwerfen
müssen, ob sich derselbe historisch rechtfertigen lässt, und ob für die
ihm zu Grunde liegenden Erscheinungen nicht eine andere Erklärung
gegeben werden kann.

Woher wissen wir, dass die Assyrer bereits eine Kunstweberei
gekannt hätten, die im Stande gewesen wäre Stoffe mit Thierpaaren im
Wappenstil zu mustern? Und zwar handelt es sich hier um eine "Kunst-
weberei" im vollen Sinne des Wortes, -- um eine Weberei, die mittels
Schiffchens im Stande ist, auf Grundlage einer vollkommenen Beherr-

5) Nach Layard, The monuments of Ninive Taf. 45.
6) Schreiber, Wiener Brunnenreliefs 37.
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Der Wappenstil.
Anordnung der Hauptmotive, anderseits den Grund nach Möglichkeit
ausgiebig mit Mustern gefüllt.

Da nun diese wappenartige Ornamentik sich besonders häufig an
Werken der assyrischen Kunst (Fig. 4)5) vorfindet, und die früh-
griechische Kunst nachweisbar vielfach unter orientalischen Einflüssen
gestanden ist, so ergeben sich daraus unschwer die Schlüsse, welche die
klassische Archäologie aus der Curtius’schen Hypothese nothwendiger-
maassen gezogen hat. Einer ihrer namhafteren und auch mit den alt-
orientalischen Verhältnissen bestvertrauten Vertreter hat noch vor
Kurzem die diesbezüglich herrschende Lehrmeinung in folgende Worte
zusammengefasst: „Die Bildertypik des Orients hängt zum grössten
Theile von den Gewebemustern der grossen Wandtapeten ab, und

[Abbildung] Fig. 4.

Skulpirter assyrischer Fries mit geflügelten Stieren im Wappenstil.

manche stilistische Eigenheiten ihrer Plastik, z. B. die übermässige Kon-
turirung der Muskeln, findet darin am natürlichsten ihre Erklärung6).“
Auch diesem Lehrsatze gegenüber werden wir die Frage aufwerfen
müssen, ob sich derselbe historisch rechtfertigen lässt, und ob für die
ihm zu Grunde liegenden Erscheinungen nicht eine andere Erklärung
gegeben werden kann.

Woher wissen wir, dass die Assyrer bereits eine Kunstweberei
gekannt hätten, die im Stande gewesen wäre Stoffe mit Thierpaaren im
Wappenstil zu mustern? Und zwar handelt es sich hier um eine „Kunst-
weberei“ im vollen Sinne des Wortes, — um eine Weberei, die mittels
Schiffchens im Stande ist, auf Grundlage einer vollkommenen Beherr-

5) Nach Layard, The monuments of Ninive Taf. 45.
6) Schreiber, Wiener Brunnenreliefs 37.
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[35/0061] Der Wappenstil. Anordnung der Hauptmotive, anderseits den Grund nach Möglichkeit ausgiebig mit Mustern gefüllt. Da nun diese wappenartige Ornamentik sich besonders häufig an Werken der assyrischen Kunst (Fig. 4) 5) vorfindet, und die früh- griechische Kunst nachweisbar vielfach unter orientalischen Einflüssen gestanden ist, so ergeben sich daraus unschwer die Schlüsse, welche die klassische Archäologie aus der Curtius’schen Hypothese nothwendiger- maassen gezogen hat. Einer ihrer namhafteren und auch mit den alt- orientalischen Verhältnissen bestvertrauten Vertreter hat noch vor Kurzem die diesbezüglich herrschende Lehrmeinung in folgende Worte zusammengefasst: „Die Bildertypik des Orients hängt zum grössten Theile von den Gewebemustern der grossen Wandtapeten ab, und [Abbildung Fig. 4. Skulpirter assyrischer Fries mit geflügelten Stieren im Wappenstil.] manche stilistische Eigenheiten ihrer Plastik, z. B. die übermässige Kon- turirung der Muskeln, findet darin am natürlichsten ihre Erklärung 6).“ Auch diesem Lehrsatze gegenüber werden wir die Frage aufwerfen müssen, ob sich derselbe historisch rechtfertigen lässt, und ob für die ihm zu Grunde liegenden Erscheinungen nicht eine andere Erklärung gegeben werden kann. Woher wissen wir, dass die Assyrer bereits eine Kunstweberei gekannt hätten, die im Stande gewesen wäre Stoffe mit Thierpaaren im Wappenstil zu mustern? Und zwar handelt es sich hier um eine „Kunst- weberei“ im vollen Sinne des Wortes, — um eine Weberei, die mittels Schiffchens im Stande ist, auf Grundlage einer vollkommenen Beherr- 5) Nach Layard, The monuments of Ninive Taf. 45. 6) Schreiber, Wiener Brunnenreliefs 37. 3*

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/61>, abgerufen am 23.11.2024.