welche hinter ihrer Herrin her aus dem Frauengemach hervor- eilen. Sie sind natürlich nicht zu benennen.
Ist nun aber die beilschwingende Frau wirklich Elektra? Dass die Richtung ihres Schlages viel mehr auf Orestes, als auf Aigisthos hin geht, könnte Ungeschicklichkeit der Zeichnung sein; allein in der ganzen Haltung stimmt die Figur so sehr mit der Klytaimnestra der Berliner Vase überein, dass diese Benennung mindestens ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden verdient. Da der Schlag von vorn den Orestes bedroht und überdies der Gefährte ihm jeden Moment zu Hilfe eilen kann, fällt hier das der Darstellung von B gegenüber geäusserte Bedenken weg, wie auch die That der Klytaimnestra hier weniger anstössig er- scheint, da sie noch hoffen kann, den Aigisthos durch ihre Hilfe zu retten.
Die definitive Entscheidung der Frage brachte die Wiener Pelike A (vgl. die umstehende Abbildung), die in Benndorf einen scharfsinnigen Interpreten fand. Diese Vasenform mit ihren tief ansetzenden Henkeln lässt eine Dekoration mit rings- umlaufender Darstellung, wie bei D, nicht zu, zwingt vielmehr den Vasenmaler, die Darstellung der Vorder- und Rückseite zu trennen und also entweder zwei verschiedene Scenen darzustellen oder die eine Scene in zwei Gruppen zu zerlegen. Die Vorderseite zeigt die Hauptgruppe, wie auf B, nur noch ungleich dramatischer als dort. Aigisthos ([ - 8 Zeichen fehlen]), aus zwei tiefen Brustwunden blutend, gleitet am Stuhl herab; mit der linken Hand (die auf B untätig herabhängt) sucht er sich vergeblich an dem einen Stuhl- bein zu halten. Der rechte (auf B der linke) Fuss ist erhoben, um den Gegner wegzustossen, allein er stösst in die Luft. Die rechte Hand fasst den linken (auf B den rechten) Arm des Orestes. Dieser ([ - 7 Zeichen fehlen]), im Panzer wie auf B, aber ohne Helm und Beinschienen, hat mit der Linken Aigisthos beim Schopf gepackt, um ihm die zwei3) Todeswunden zu versetzen. Dies
3) Zwei Wunden giebt bei Sophokles Orestes der Klytaimnestra; durch zwei Wunden hat diese bei Aischylos den Agamemnon zu Fall gebracht; dem Toten versetzt sie dann noch einen dritten Schlag.
welche hinter ihrer Herrin her aus dem Frauengemach hervor- eilen. Sie sind natürlich nicht zu benennen.
Ist nun aber die beilschwingende Frau wirklich Elektra? Daſs die Richtung ihres Schlages viel mehr auf Orestes, als auf Aigisthos hin geht, könnte Ungeschicklichkeit der Zeichnung sein; allein in der ganzen Haltung stimmt die Figur so sehr mit der Klytaimnestra der Berliner Vase überein, daſs diese Benennung mindestens ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden verdient. Da der Schlag von vorn den Orestes bedroht und überdies der Gefährte ihm jeden Moment zu Hilfe eilen kann, fällt hier das der Darstellung von B gegenüber geäuſserte Bedenken weg, wie auch die That der Klytaimnestra hier weniger anstöſsig er- scheint, da sie noch hoffen kann, den Aigisthos durch ihre Hilfe zu retten.
Die definitive Entscheidung der Frage brachte die Wiener Pelike A (vgl. die umstehende Abbildung), die in Benndorf einen scharfsinnigen Interpreten fand. Diese Vasenform mit ihren tief ansetzenden Henkeln läſst eine Dekoration mit rings- umlaufender Darstellung, wie bei D, nicht zu, zwingt vielmehr den Vasenmaler, die Darstellung der Vorder- und Rückseite zu trennen und also entweder zwei verschiedene Scenen darzustellen oder die eine Scene in zwei Gruppen zu zerlegen. Die Vorderseite zeigt die Hauptgruppe, wie auf B, nur noch ungleich dramatischer als dort. Aigisthos ([ – 8 Zeichen fehlen]), aus zwei tiefen Brustwunden blutend, gleitet am Stuhl herab; mit der linken Hand (die auf B untätig herabhängt) sucht er sich vergeblich an dem einen Stuhl- bein zu halten. Der rechte (auf B der linke) Fuſs ist erhoben, um den Gegner wegzustoſsen, allein er stöſst in die Luft. Die rechte Hand faſst den linken (auf B den rechten) Arm des Orestes. Dieser ([ – 7 Zeichen fehlen]), im Panzer wie auf B, aber ohne Helm und Beinschienen, hat mit der Linken Aigisthos beim Schopf gepackt, um ihm die zwei3) Todeswunden zu versetzen. Dies
3) Zwei Wunden giebt bei Sophokles Orestes der Klytaimnestra; durch zwei Wunden hat diese bei Aischylos den Agamemnon zu Fall gebracht; dem Toten versetzt sie dann noch einen dritten Schlag.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0167"n="153"/>
welche hinter ihrer Herrin her aus dem Frauengemach hervor-<lb/>
eilen. Sie sind natürlich nicht zu benennen.</p><lb/><p>Ist nun aber die beilschwingende Frau wirklich Elektra?<lb/>
Daſs die Richtung ihres Schlages viel mehr auf Orestes, als auf<lb/>
Aigisthos hin geht, könnte Ungeschicklichkeit der Zeichnung sein;<lb/>
allein in der ganzen Haltung stimmt die Figur so sehr mit der<lb/>
Klytaimnestra der Berliner Vase überein, daſs diese Benennung<lb/>
mindestens ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden verdient.<lb/>
Da der Schlag von vorn den Orestes bedroht und überdies der<lb/>
Gefährte ihm jeden Moment zu Hilfe eilen kann, fällt hier das<lb/>
der Darstellung von B gegenüber geäuſserte Bedenken weg, wie<lb/>
auch die That der Klytaimnestra hier weniger anstöſsig er-<lb/>
scheint, da sie noch hoffen kann, den Aigisthos durch ihre Hilfe<lb/>
zu retten.</p><lb/><p>Die definitive Entscheidung der Frage brachte die Wiener<lb/>
Pelike A (vgl. die umstehende Abbildung), die in Benndorf<lb/>
einen scharfsinnigen Interpreten fand. Diese Vasenform mit<lb/>
ihren tief ansetzenden Henkeln läſst eine Dekoration mit rings-<lb/>
umlaufender Darstellung, wie bei D, nicht zu, zwingt vielmehr den<lb/>
Vasenmaler, die Darstellung der Vorder- und Rückseite zu trennen<lb/>
und also entweder zwei verschiedene Scenen darzustellen oder<lb/>
die eine Scene in zwei Gruppen zu zerlegen. Die Vorderseite<lb/>
zeigt die Hauptgruppe, wie auf B, nur noch ungleich dramatischer<lb/>
als dort. Aigisthos (<gapunit="chars"quantity="8"/>), aus zwei tiefen Brustwunden<lb/>
blutend, gleitet am Stuhl herab; mit der linken Hand (die auf B<lb/>
untätig herabhängt) sucht er sich vergeblich an dem einen Stuhl-<lb/>
bein zu halten. Der rechte (auf B der linke) Fuſs ist erhoben,<lb/>
um den Gegner wegzustoſsen, allein er stöſst in die Luft. Die<lb/>
rechte Hand faſst den linken (auf B den rechten) Arm des<lb/>
Orestes. Dieser (<gapunit="chars"quantity="7"/>), im Panzer wie auf B, aber ohne<lb/>
Helm und Beinschienen, hat mit der Linken Aigisthos beim Schopf<lb/>
gepackt, um ihm die zwei<noteplace="foot"n="3)">Zwei Wunden giebt bei Sophokles Orestes der Klytaimnestra; durch<lb/>
zwei Wunden hat diese bei Aischylos den Agamemnon zu Fall gebracht;<lb/>
dem Toten versetzt sie dann noch einen dritten Schlag.</note> Todeswunden zu versetzen. Dies<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[153/0167]
welche hinter ihrer Herrin her aus dem Frauengemach hervor-
eilen. Sie sind natürlich nicht zu benennen.
Ist nun aber die beilschwingende Frau wirklich Elektra?
Daſs die Richtung ihres Schlages viel mehr auf Orestes, als auf
Aigisthos hin geht, könnte Ungeschicklichkeit der Zeichnung sein;
allein in der ganzen Haltung stimmt die Figur so sehr mit der
Klytaimnestra der Berliner Vase überein, daſs diese Benennung
mindestens ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden verdient.
Da der Schlag von vorn den Orestes bedroht und überdies der
Gefährte ihm jeden Moment zu Hilfe eilen kann, fällt hier das
der Darstellung von B gegenüber geäuſserte Bedenken weg, wie
auch die That der Klytaimnestra hier weniger anstöſsig er-
scheint, da sie noch hoffen kann, den Aigisthos durch ihre Hilfe
zu retten.
Die definitive Entscheidung der Frage brachte die Wiener
Pelike A (vgl. die umstehende Abbildung), die in Benndorf
einen scharfsinnigen Interpreten fand. Diese Vasenform mit
ihren tief ansetzenden Henkeln läſst eine Dekoration mit rings-
umlaufender Darstellung, wie bei D, nicht zu, zwingt vielmehr den
Vasenmaler, die Darstellung der Vorder- und Rückseite zu trennen
und also entweder zwei verschiedene Scenen darzustellen oder
die eine Scene in zwei Gruppen zu zerlegen. Die Vorderseite
zeigt die Hauptgruppe, wie auf B, nur noch ungleich dramatischer
als dort. Aigisthos (________), aus zwei tiefen Brustwunden
blutend, gleitet am Stuhl herab; mit der linken Hand (die auf B
untätig herabhängt) sucht er sich vergeblich an dem einen Stuhl-
bein zu halten. Der rechte (auf B der linke) Fuſs ist erhoben,
um den Gegner wegzustoſsen, allein er stöſst in die Luft. Die
rechte Hand faſst den linken (auf B den rechten) Arm des
Orestes. Dieser (_______), im Panzer wie auf B, aber ohne
Helm und Beinschienen, hat mit der Linken Aigisthos beim Schopf
gepackt, um ihm die zwei 3) Todeswunden zu versetzen. Dies
3) Zwei Wunden giebt bei Sophokles Orestes der Klytaimnestra; durch
zwei Wunden hat diese bei Aischylos den Agamemnon zu Fall gebracht;
dem Toten versetzt sie dann noch einen dritten Schlag.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/167>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.