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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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lande nach Kleinasien mitgenommenen Sagenstoffe durch die
Behandlung im ionischen Epos nur unwesentliche Veränderungen
erfahren hatten, was ich, wie ich wiederhole, nun und nimmer-
mehr glauben kann (Theseus--Helena in der Peloponnes,
Alexandros--Helena in Kleinasien), so ist doch der Heros einer
in der Troas gelegenen Stadt, Kebrene, eben nicht nach Klein-
asien mit hinübergenommen, sondern aus Kleinasien nach dem
Mutterland herübergekommen. Nun ist Kebriones doch alles
Andere als eine volkstümliche oder drastische Figur; und die
Form, in welcher solche Sagenstoffe wandern, ist eben die
des Liedes. Wenn wir also auf einem korinthischen Bild-
werk selbst einem ganz beliebigen Manne den Namen Kebriones
beigeschrieben fänden, so müssten wir schon daraus auf eine
Einwirkung der Ilias auf die korinthische Kunst schliessen.
Noch viel zwingender wird dieser Schluss aber dann, wenn
Kebriones, wie auf der Vase, in derselben Rolle erscheint, wie
in der Ilias, als Wagenlenker des Hektor. Wie ein korin-
thischer Vasenmaler auf diesen Einfall kommen soll, wenn er
nicht Th--P, in welcher Gestalt es immer sei, gehört hatte, ist
völlig unerfindlich.

Zu S. 141. Dass auch das einzelne Motiv der Verhüllung
des Achilleus nicht durch das Drama in die Kunst eingedrungen,
sondern älter ist, beweist eine im Berliner Museum befindliche
kleine schwarzfigurige Amphora aus Boiotien, auf welcher die
Darstellung der presbeia auf die beiden Hauptfiguren Achilleus
und Odysseus beschränkt ist, ersterer aber genau so verhüllt
da sitzt, wie auf den rotfigurigen Darstellungen. Die Vase wird
zusammen mit dem S. 95 erwähnten Aryballos im 2. Hefte des
laufenden Jahrgangs der Archäologischen Zeitung von mir ver-
öffentlicht und besprochen werden.

Zu S. 173. Zu Megakleides giebt mir Wilamowitz folgenden
Nachtrag: im schol. Hesiod. scut. 1 wird aus Megakles berichtet
erstens, dass er das Gedicht für hesiodeisch hielt, weiter aber,
dass er die Ungeschicklichkeit des Hesiod tadelte, der den He-
phaistos für die Feinde seiner Mutter Hera Waffen machen
lässt. Die Bemerkung kann entweder in der Abhandlung über

lande nach Kleinasien mitgenommenen Sagenstoffe durch die
Behandlung im ionischen Epos nur unwesentliche Veränderungen
erfahren hatten, was ich, wie ich wiederhole, nun und nimmer-
mehr glauben kann (Theseus—Helena in der Peloponnes,
Alexandros—Helena in Kleinasien), so ist doch der Heros einer
in der Troas gelegenen Stadt, Kebrene, eben nicht nach Klein-
asien mit hinübergenommen, sondern aus Kleinasien nach dem
Mutterland herübergekommen. Nun ist Kebriones doch alles
Andere als eine volkstümliche oder drastische Figur; und die
Form, in welcher solche Sagenstoffe wandern, ist eben die
des Liedes. Wenn wir also auf einem korinthischen Bild-
werk selbst einem ganz beliebigen Manne den Namen Kebriones
beigeschrieben fänden, so müſsten wir schon daraus auf eine
Einwirkung der Ilias auf die korinthische Kunst schlieſsen.
Noch viel zwingender wird dieser Schluſs aber dann, wenn
Kebriones, wie auf der Vase, in derselben Rolle erscheint, wie
in der Ilias, als Wagenlenker des Hektor. Wie ein korin-
thischer Vasenmaler auf diesen Einfall kommen soll, wenn er
nicht Θ—Π, in welcher Gestalt es immer sei, gehört hatte, ist
völlig unerfindlich.

Zu S. 141. Daſs auch das einzelne Motiv der Verhüllung
des Achilleus nicht durch das Drama in die Kunst eingedrungen,
sondern älter ist, beweist eine im Berliner Museum befindliche
kleine schwarzfigurige Amphora aus Boiotien, auf welcher die
Darstellung der πρεσβεία auf die beiden Hauptfiguren Achilleus
und Odysseus beschränkt ist, ersterer aber genau so verhüllt
da sitzt, wie auf den rotfigurigen Darstellungen. Die Vase wird
zusammen mit dem S. 95 erwähnten Aryballos im 2. Hefte des
laufenden Jahrgangs der Archäologischen Zeitung von mir ver-
öffentlicht und besprochen werden.

Zu S. 173. Zu Megakleides giebt mir Wilamowitz folgenden
Nachtrag: im schol. Hesiod. scut. 1 wird aus Megakles berichtet
erstens, daſs er das Gedicht für hesiodeisch hielt, weiter aber,
daſs er die Ungeschicklichkeit des Hesiod tadelte, der den He-
phaistos für die Feinde seiner Mutter Hera Waffen machen
lässt. Die Bemerkung kann entweder in der Abhandlung über

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[251/0265] lande nach Kleinasien mitgenommenen Sagenstoffe durch die Behandlung im ionischen Epos nur unwesentliche Veränderungen erfahren hatten, was ich, wie ich wiederhole, nun und nimmer- mehr glauben kann (Theseus—Helena in der Peloponnes, Alexandros—Helena in Kleinasien), so ist doch der Heros einer in der Troas gelegenen Stadt, Kebrene, eben nicht nach Klein- asien mit hinübergenommen, sondern aus Kleinasien nach dem Mutterland herübergekommen. Nun ist Kebriones doch alles Andere als eine volkstümliche oder drastische Figur; und die Form, in welcher solche Sagenstoffe wandern, ist eben die des Liedes. Wenn wir also auf einem korinthischen Bild- werk selbst einem ganz beliebigen Manne den Namen Kebriones beigeschrieben fänden, so müſsten wir schon daraus auf eine Einwirkung der Ilias auf die korinthische Kunst schlieſsen. Noch viel zwingender wird dieser Schluſs aber dann, wenn Kebriones, wie auf der Vase, in derselben Rolle erscheint, wie in der Ilias, als Wagenlenker des Hektor. Wie ein korin- thischer Vasenmaler auf diesen Einfall kommen soll, wenn er nicht Θ—Π, in welcher Gestalt es immer sei, gehört hatte, ist völlig unerfindlich. Zu S. 141. Daſs auch das einzelne Motiv der Verhüllung des Achilleus nicht durch das Drama in die Kunst eingedrungen, sondern älter ist, beweist eine im Berliner Museum befindliche kleine schwarzfigurige Amphora aus Boiotien, auf welcher die Darstellung der πρεσβεία auf die beiden Hauptfiguren Achilleus und Odysseus beschränkt ist, ersterer aber genau so verhüllt da sitzt, wie auf den rotfigurigen Darstellungen. Die Vase wird zusammen mit dem S. 95 erwähnten Aryballos im 2. Hefte des laufenden Jahrgangs der Archäologischen Zeitung von mir ver- öffentlicht und besprochen werden. Zu S. 173. Zu Megakleides giebt mir Wilamowitz folgenden Nachtrag: im schol. Hesiod. scut. 1 wird aus Megakles berichtet erstens, daſs er das Gedicht für hesiodeisch hielt, weiter aber, daſs er die Ungeschicklichkeit des Hesiod tadelte, der den He- phaistos für die Feinde seiner Mutter Hera Waffen machen lässt. Die Bemerkung kann entweder in der Abhandlung über

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/265>, abgerufen am 21.11.2024.