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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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Peleus und Thetis bald in eine Liebesverfolgung54), bald in eine
Überraschung im Bade umgewandelt. Allein in Einzelheiten ist
die bildliche Tradition von einer erstaunlichen Zähigkeit. Die
Tiere, welche die Verwandlung der Thetis andeuten, wagt die
Kunst nur in einzelnen Fällen ganz wegzuwerfen. Einzelheiten
werden sogar aus den alten in die neuen eine ganz andere Sagen-
version repräsentierenden Typen mit herübergenommen. Auf
römischen Monumenten bringt nicht Peleus in Begleitung der
Thetis, sondern diese allein den Achilleus zu Cheiron. Sie trägt
ihn aber auch auf ganz späten Monumenten in derselben Weise
auf der Hand, wie Peleus in den Vasendarstellungen des 5. Jahr-
hunderts55).

Vielfach findet die Umgestaltung der alten Typen in der Weise
statt, dass an Stelle einer Handlung die Darstellung einer Situation
tritt. Denn neben die dramatisch bewegten Schilderungen treten in
dieser Zeit gleichberechtigt Darstellungen eines ruhigen behaglichen
Zusammenseins, der ruhigen Unterhaltung ohne Andeutung einer
bestimmten Handlung, Scenen die Gelegenheit geben eine Reihe
von Figuren in anmutigster Stellung und Bewegung vorzuführen
und deren Prototyp weit zurück liegt; es sind Fortbildungen der
Abfahrtscenen der archaischen, der Credenzscenen der entwickel-
ten Kunst. Während die ältesten Darstellungen des Parisurteils
die Göttinnen noch auf dem Wege zum Ida zeigen, die Kunst des
fünften Jahrhunderts hingegen sie eben angelangt sein lässt, zeigt
die Kunst des vierten Jahrhunderts sie in anmutiger Gruppierung
um Paris herumsitzend, und so sehr ist schon in dieser Zeit die
Empfindung für das der Situation Angemessene geschwunden, dass
schon jetzt, wie später häufig, Hera auf dem Thronsessel sitzend

54) S. Luckenbach a. a. O. S. 588. Auch auf der von Körte publizierten
Hermonax-Vase (Arch. Zeit. 1878 Taf. 12) sind unbedenklich Peleus und
Thetis zu erkennen; schon die Vergleichung mit der bei Gerhard A. V. III 182
publizierten Vase genügt, um diese Deutung zu sichern.
55) So auf der Amphora des Pamphaios, die aus der Sammlung Cam-
pana in den Louvre gekommen ist (vgl. Brunn, Künstler-Geschichte II S. 725
Nr. 20) und der in dem Journal of hellenic studies I pl. II publizierten
Oinochoe.

Peleus und Thetis bald in eine Liebesverfolgung54), bald in eine
Überraschung im Bade umgewandelt. Allein in Einzelheiten ist
die bildliche Tradition von einer erstaunlichen Zähigkeit. Die
Tiere, welche die Verwandlung der Thetis andeuten, wagt die
Kunst nur in einzelnen Fällen ganz wegzuwerfen. Einzelheiten
werden sogar aus den alten in die neuen eine ganz andere Sagen-
version repräsentierenden Typen mit herübergenommen. Auf
römischen Monumenten bringt nicht Peleus in Begleitung der
Thetis, sondern diese allein den Achilleus zu Cheiron. Sie trägt
ihn aber auch auf ganz späten Monumenten in derselben Weise
auf der Hand, wie Peleus in den Vasendarstellungen des 5. Jahr-
hunderts55).

Vielfach findet die Umgestaltung der alten Typen in der Weise
statt, daſs an Stelle einer Handlung die Darstellung einer Situation
tritt. Denn neben die dramatisch bewegten Schilderungen treten in
dieser Zeit gleichberechtigt Darstellungen eines ruhigen behaglichen
Zusammenseins, der ruhigen Unterhaltung ohne Andeutung einer
bestimmten Handlung, Scenen die Gelegenheit geben eine Reihe
von Figuren in anmutigster Stellung und Bewegung vorzuführen
und deren Prototyp weit zurück liegt; es sind Fortbildungen der
Abfahrtscenen der archaischen, der Credenzscenen der entwickel-
ten Kunst. Während die ältesten Darstellungen des Parisurteils
die Göttinnen noch auf dem Wege zum Ida zeigen, die Kunst des
fünften Jahrhunderts hingegen sie eben angelangt sein läſst, zeigt
die Kunst des vierten Jahrhunderts sie in anmutiger Gruppierung
um Paris herumsitzend, und so sehr ist schon in dieser Zeit die
Empfindung für das der Situation Angemessene geschwunden, daſs
schon jetzt, wie später häufig, Hera auf dem Thronsessel sitzend

54) S. Luckenbach a. a. O. S. 588. Auch auf der von Körte publizierten
Hermonax-Vase (Arch. Zeit. 1878 Taf. 12) sind unbedenklich Peleus und
Thetis zu erkennen; schon die Vergleichung mit der bei Gerhard A. V. III 182
publizierten Vase genügt, um diese Deutung zu sichern.
55) So auf der Amphora des Pamphaios, die aus der Sammlung Cam-
pana in den Louvre gekommen ist (vgl. Brunn, Künstler-Geschichte II S. 725
Nr. 20) und der in dem Journal of hellenic studies I pl. II publizierten
Oinochoe.
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[44/0058] Peleus und Thetis bald in eine Liebesverfolgung 54), bald in eine Überraschung im Bade umgewandelt. Allein in Einzelheiten ist die bildliche Tradition von einer erstaunlichen Zähigkeit. Die Tiere, welche die Verwandlung der Thetis andeuten, wagt die Kunst nur in einzelnen Fällen ganz wegzuwerfen. Einzelheiten werden sogar aus den alten in die neuen eine ganz andere Sagen- version repräsentierenden Typen mit herübergenommen. Auf römischen Monumenten bringt nicht Peleus in Begleitung der Thetis, sondern diese allein den Achilleus zu Cheiron. Sie trägt ihn aber auch auf ganz späten Monumenten in derselben Weise auf der Hand, wie Peleus in den Vasendarstellungen des 5. Jahr- hunderts 55). Vielfach findet die Umgestaltung der alten Typen in der Weise statt, daſs an Stelle einer Handlung die Darstellung einer Situation tritt. Denn neben die dramatisch bewegten Schilderungen treten in dieser Zeit gleichberechtigt Darstellungen eines ruhigen behaglichen Zusammenseins, der ruhigen Unterhaltung ohne Andeutung einer bestimmten Handlung, Scenen die Gelegenheit geben eine Reihe von Figuren in anmutigster Stellung und Bewegung vorzuführen und deren Prototyp weit zurück liegt; es sind Fortbildungen der Abfahrtscenen der archaischen, der Credenzscenen der entwickel- ten Kunst. Während die ältesten Darstellungen des Parisurteils die Göttinnen noch auf dem Wege zum Ida zeigen, die Kunst des fünften Jahrhunderts hingegen sie eben angelangt sein läſst, zeigt die Kunst des vierten Jahrhunderts sie in anmutiger Gruppierung um Paris herumsitzend, und so sehr ist schon in dieser Zeit die Empfindung für das der Situation Angemessene geschwunden, daſs schon jetzt, wie später häufig, Hera auf dem Thronsessel sitzend 54) S. Luckenbach a. a. O. S. 588. Auch auf der von Körte publizierten Hermonax-Vase (Arch. Zeit. 1878 Taf. 12) sind unbedenklich Peleus und Thetis zu erkennen; schon die Vergleichung mit der bei Gerhard A. V. III 182 publizierten Vase genügt, um diese Deutung zu sichern. 55) So auf der Amphora des Pamphaios, die aus der Sammlung Cam- pana in den Louvre gekommen ist (vgl. Brunn, Künstler-Geschichte II S. 725 Nr. 20) und der in dem Journal of hellenic studies I pl. II publizierten Oinochoe.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/58>, abgerufen am 24.11.2024.