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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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kennt, grosse zusammenhängende Schlachtenbilder, allerdings nur
sehr allmählich; die Darstellungen der Giganten-, Amazonen-
und Kentaurenkämpfe bieten in ihrer Entwickelungsgeschichte
dafür die beste Illustration. Selbst im fünften Jahrhundert kommt
die Vasenmalerei bei der Darstellung der Gigantomachie noch
nicht über ein loses Aneinanderreihen der Zweikämpfe, wie sie
schon von der archaischen Kunst typisch ausgebildet sind, hinaus,
und wenn zu derselben Zeit einzelne Darstellungen des Amazonen-
kampfes bereits ein abgerundetes Schlachtenbild bieten, wie na-
mentlich die unvergleichlich schöne kumanische Lekythos10), so er-
klärt sich das einfach daraus, dass die grossen Kompositionen
des Mikon in der Stoa poikile und dem Theseion, sowie die
des Pheidias auf dem Schild der Parthenos vorausgegangen sind.

Eines der lehrreichsten Beispiele bietet aber die Entwickelung
der Darstellungen von Ilions Zerstörung, die darum einer ausführ-
licheren Besprechung unterzogen werden mag. Die archaische Kunst
stellt immer nur eine einzelne Episode aus der Eroberung von
Ilion dar, und zwar sind, soviel sich erkennen lässt, folgende
Scenen bildlich gestaltet worden:

A) Neoptolemos tötet den Astyanax vor dem auf dem
Altar des Zeus Herkeios sitzenden Priamos; zuweilen
ist der Tod des Priamos allein dargestellt. Die hier-
her gehörigen Darstellungen sind von Heydemann
Iliupersis S. 14 Anm. 2, Overbeck Her. Gall. S. 621 f.,
Luckenbach a. a. O. S. 631 besprochen. Hinzuzufügen
ist die Darstellung auf einem in der Sammlung Sabu-
roff befindlichen Dreifuss.
B) Menelaos und Helena; der Symmetrie wegen fügt die
schwarzfigurige Vasenmalerei meist einen zweiten be-
waffneten Krieger hinzu; wahrscheinlich ist er als
Odysseus zu erklären, der zugleich mit Menelaos in das
Haus des Deiphobos eingedrungen ist. S. Overbeck Her.
10) Heydemann Vasensammlungen d. Museo nazionale zu Neapel, Racc.
Cumana 239; abgebildet Fiorelli Vasi Cumani VIII. Bull. Nap. N. S. IV 8
u. öfter.

kennt, groſse zusammenhängende Schlachtenbilder, allerdings nur
sehr allmählich; die Darstellungen der Giganten-, Amazonen-
und Kentaurenkämpfe bieten in ihrer Entwickelungsgeschichte
dafür die beste Illustration. Selbst im fünften Jahrhundert kommt
die Vasenmalerei bei der Darstellung der Gigantomachie noch
nicht über ein loses Aneinanderreihen der Zweikämpfe, wie sie
schon von der archaischen Kunst typisch ausgebildet sind, hinaus,
und wenn zu derselben Zeit einzelne Darstellungen des Amazonen-
kampfes bereits ein abgerundetes Schlachtenbild bieten, wie na-
mentlich die unvergleichlich schöne kumanische Lekythos10), so er-
klärt sich das einfach daraus, daſs die groſsen Kompositionen
des Mikon in der Stoa ποικίλη und dem Theseion, sowie die
des Pheidias auf dem Schild der Parthenos vorausgegangen sind.

Eines der lehrreichsten Beispiele bietet aber die Entwickelung
der Darstellungen von Ilions Zerstörung, die darum einer ausführ-
licheren Besprechung unterzogen werden mag. Die archaische Kunst
stellt immer nur eine einzelne Episode aus der Eroberung von
Ilion dar, und zwar sind, soviel sich erkennen läſst, folgende
Scenen bildlich gestaltet worden:

A) Neoptolemos tötet den Astyanax vor dem auf dem
Altar des Zeus Herkeios sitzenden Priamos; zuweilen
ist der Tod des Priamos allein dargestellt. Die hier-
her gehörigen Darstellungen sind von Heydemann
Iliupersis S. 14 Anm. 2, Overbeck Her. Gall. S. 621 f.,
Luckenbach a. a. O. S. 631 besprochen. Hinzuzufügen
ist die Darstellung auf einem in der Sammlung Sabu-
roff befindlichen Dreifuſs.
B) Menelaos und Helena; der Symmetrie wegen fügt die
schwarzfigurige Vasenmalerei meist einen zweiten be-
waffneten Krieger hinzu; wahrscheinlich ist er als
Odysseus zu erklären, der zugleich mit Menelaos in das
Haus des Deiphobos eingedrungen ist. S. Overbeck Her.
10) Heydemann Vasensammlungen d. Museo nazionale zu Neapel, Racc.
Cumana 239; abgebildet Fiorelli Vasi Cumani VIII. Bull. Nap. N. S. IV 8
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[59/0073] kennt, groſse zusammenhängende Schlachtenbilder, allerdings nur sehr allmählich; die Darstellungen der Giganten-, Amazonen- und Kentaurenkämpfe bieten in ihrer Entwickelungsgeschichte dafür die beste Illustration. Selbst im fünften Jahrhundert kommt die Vasenmalerei bei der Darstellung der Gigantomachie noch nicht über ein loses Aneinanderreihen der Zweikämpfe, wie sie schon von der archaischen Kunst typisch ausgebildet sind, hinaus, und wenn zu derselben Zeit einzelne Darstellungen des Amazonen- kampfes bereits ein abgerundetes Schlachtenbild bieten, wie na- mentlich die unvergleichlich schöne kumanische Lekythos 10), so er- klärt sich das einfach daraus, daſs die groſsen Kompositionen des Mikon in der Stoa ποικίλη und dem Theseion, sowie die des Pheidias auf dem Schild der Parthenos vorausgegangen sind. Eines der lehrreichsten Beispiele bietet aber die Entwickelung der Darstellungen von Ilions Zerstörung, die darum einer ausführ- licheren Besprechung unterzogen werden mag. Die archaische Kunst stellt immer nur eine einzelne Episode aus der Eroberung von Ilion dar, und zwar sind, soviel sich erkennen läſst, folgende Scenen bildlich gestaltet worden: A) Neoptolemos tötet den Astyanax vor dem auf dem Altar des Zeus Herkeios sitzenden Priamos; zuweilen ist der Tod des Priamos allein dargestellt. Die hier- her gehörigen Darstellungen sind von Heydemann Iliupersis S. 14 Anm. 2, Overbeck Her. Gall. S. 621 f., Luckenbach a. a. O. S. 631 besprochen. Hinzuzufügen ist die Darstellung auf einem in der Sammlung Sabu- roff befindlichen Dreifuſs. B) Menelaos und Helena; der Symmetrie wegen fügt die schwarzfigurige Vasenmalerei meist einen zweiten be- waffneten Krieger hinzu; wahrscheinlich ist er als Odysseus zu erklären, der zugleich mit Menelaos in das Haus des Deiphobos eingedrungen ist. S. Overbeck Her. 10) Heydemann Vasensammlungen d. Museo nazionale zu Neapel, Racc. Cumana 239; abgebildet Fiorelli Vasi Cumani VIII. Bull. Nap. N. S. IV 8 u. öfter.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/73>, abgerufen am 21.11.2024.