Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Robins, Benjamin: Neue Grundsätze der Artillerie. Übers. v. Leonhard Euler. Berlin, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
Wiederstand der Luft bey so schnellen Bewegun-
gen sehr merklich ist, so weicht auch dieselbe Linie,
welche von einer Stück-Kugel beschrieben wird,
sehr stark von einer Parabel ab. Und aus eben die-
ser Ursache hält auch derjenige Winkel, unter wel-
chem eine Kugel am weitesten geschossen wird,
nicht 45 Grad, wie man gemeiniglich glaubt, son-
dern etwas weniger. Wenn man aber die Natur
derjenigen krummen Linie, nach welcher sich eine
Canonen-Kugel in der That beweget, untersuchen
will, so kann solches ohne die höhere Mathema-
tic
keinesweges geschehen.

Hieraus ist also klar, daß der Vortheil, welchen
man bißher in der Artillerie aus der Mathematic
gezogen, sehr geringe ist, und daß eine gemeine Er-
kenntniß der Mathematic, wie solche in den ge-
wöhnlichen Anfangs-Gründen erkläret zu werden
pflegt, keines weges hinlänglich ist, in der Artillerie
denjenigen Nutzen zu schaffen, welchen man sich
sonsten von dieser Wissenschafft verspricht. Wenn
man aber die höhere Mathematic zu Hülfe
nimmt, so ist man im Stande, so wohl die wahre
Kraft des Pulvers, als die wahre Bewegung der
Kugeln, auf das genauste zu bestimmen: und da
auf diesen zweyen Punckten die fürnehmste Wis-
senschafft der Artillerie beruhet, so können daraus
auch die übrigen dahin gehörigen Stücke auf eine
gründliche Art erkläret, und in ihr völliges Licht

gese-
)( 3

Vorrede.
Wiederſtand der Luft bey ſo ſchnellen Bewegun-
gen ſehr merklich iſt, ſo weicht auch dieſelbe Linie,
welche von einer Stuͤck-Kugel beſchrieben wird,
ſehr ſtark von einer Parabel ab. Und aus eben die-
ſer Urſache haͤlt auch derjenige Winkel, unter wel-
chem eine Kugel am weiteſten geſchoſſen wird,
nicht 45 Grad, wie man gemeiniglich glaubt, ſon-
dern etwas weniger. Wenn man aber die Natur
derjenigen krummen Linie, nach welcher ſich eine
Canonen-Kugel in der That beweget, unterſuchen
will, ſo kann ſolches ohne die hoͤhere Mathema-
tic
keinesweges geſchehen.

Hieraus iſt alſo klar, daß der Vortheil, welchen
man bißher in der Artillerie aus der Mathematic
gezogen, ſehr geringe iſt, und daß eine gemeine Er-
kenntniß der Mathematic, wie ſolche in den ge-
woͤhnlichen Anfangs-Gruͤnden erklaͤret zu werden
pflegt, keines weges hinlaͤnglich iſt, in der Artillerie
denjenigen Nutzen zu ſchaffen, welchen man ſich
ſonſten von dieſer Wiſſenſchafft verſpricht. Wenn
man aber die hoͤhere Mathematic zu Huͤlfe
nimmt, ſo iſt man im Stande, ſo wohl die wahre
Kraft des Pulvers, als die wahre Bewegung der
Kugeln, auf das genauſte zu beſtimmen: und da
auf dieſen zweyen Punckten die fuͤrnehmſte Wiſ-
ſenſchafft der Artillerie beruhet, ſo koͤnnen daraus
auch die uͤbrigen dahin gehoͤrigen Stuͤcke auf eine
gruͤndliche Art erklaͤret, und in ihr voͤlliges Licht

geſe-
)( 3
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
Wieder&#x017F;tand der Luft bey &#x017F;o &#x017F;chnellen Bewegun-<lb/>
gen &#x017F;ehr merklich i&#x017F;t, &#x017F;o weicht auch die&#x017F;elbe Linie,<lb/>
welche von einer Stu&#x0364;ck-Kugel be&#x017F;chrieben wird,<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;tark von einer <hi rendition="#aq">Parabel</hi> ab. Und aus eben die-<lb/>
&#x017F;er Ur&#x017F;ache ha&#x0364;lt auch derjenige Winkel, unter wel-<lb/>
chem eine Kugel am weite&#x017F;ten ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en wird,<lb/>
nicht 45 <hi rendition="#aq">Grad,</hi> wie man gemeiniglich glaubt, &#x017F;on-<lb/>
dern etwas weniger. Wenn man aber die Natur<lb/>
derjenigen krummen Linie, nach welcher &#x017F;ich eine<lb/>
Canonen-Kugel in der That beweget, unter&#x017F;uchen<lb/>
will, &#x017F;o kann &#x017F;olches ohne die ho&#x0364;here <hi rendition="#aq">Mathema-<lb/>
tic</hi> keinesweges ge&#x017F;chehen.</p><lb/>
        <p>Hieraus i&#x017F;t al&#x017F;o klar, daß der Vortheil, welchen<lb/>
man bißher in der <hi rendition="#aq">Artillerie</hi> aus der <hi rendition="#aq">Mathematic</hi><lb/>
gezogen, &#x017F;ehr geringe i&#x017F;t, und daß eine gemeine Er-<lb/>
kenntniß der <hi rendition="#aq">Mathematic,</hi> wie &#x017F;olche in den ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen Anfangs-Gru&#x0364;nden erkla&#x0364;ret zu werden<lb/>
pflegt, keines weges hinla&#x0364;nglich i&#x017F;t, in der <hi rendition="#aq">Artillerie</hi><lb/>
denjenigen Nutzen zu &#x017F;chaffen, welchen man &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;on&#x017F;ten von die&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft ver&#x017F;pricht. Wenn<lb/>
man aber die ho&#x0364;here <hi rendition="#aq">Mathematic</hi> zu Hu&#x0364;lfe<lb/>
nimmt, &#x017F;o i&#x017F;t man im Stande, &#x017F;o wohl die wahre<lb/>
Kraft des Pulvers, als die wahre Bewegung der<lb/>
Kugeln, auf das genau&#x017F;te zu be&#x017F;timmen: und da<lb/>
auf die&#x017F;en zweyen Punckten die fu&#x0364;rnehm&#x017F;te Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chafft der <hi rendition="#aq">Artillerie</hi> beruhet, &#x017F;o ko&#x0364;nnen daraus<lb/>
auch die u&#x0364;brigen dahin geho&#x0364;rigen Stu&#x0364;cke auf eine<lb/>
gru&#x0364;ndliche Art erkla&#x0364;ret, und in ihr vo&#x0364;lliges Licht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">)( 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;e-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0009] Vorrede. Wiederſtand der Luft bey ſo ſchnellen Bewegun- gen ſehr merklich iſt, ſo weicht auch dieſelbe Linie, welche von einer Stuͤck-Kugel beſchrieben wird, ſehr ſtark von einer Parabel ab. Und aus eben die- ſer Urſache haͤlt auch derjenige Winkel, unter wel- chem eine Kugel am weiteſten geſchoſſen wird, nicht 45 Grad, wie man gemeiniglich glaubt, ſon- dern etwas weniger. Wenn man aber die Natur derjenigen krummen Linie, nach welcher ſich eine Canonen-Kugel in der That beweget, unterſuchen will, ſo kann ſolches ohne die hoͤhere Mathema- tic keinesweges geſchehen. Hieraus iſt alſo klar, daß der Vortheil, welchen man bißher in der Artillerie aus der Mathematic gezogen, ſehr geringe iſt, und daß eine gemeine Er- kenntniß der Mathematic, wie ſolche in den ge- woͤhnlichen Anfangs-Gruͤnden erklaͤret zu werden pflegt, keines weges hinlaͤnglich iſt, in der Artillerie denjenigen Nutzen zu ſchaffen, welchen man ſich ſonſten von dieſer Wiſſenſchafft verſpricht. Wenn man aber die hoͤhere Mathematic zu Huͤlfe nimmt, ſo iſt man im Stande, ſo wohl die wahre Kraft des Pulvers, als die wahre Bewegung der Kugeln, auf das genauſte zu beſtimmen: und da auf dieſen zweyen Punckten die fuͤrnehmſte Wiſ- ſenſchafft der Artillerie beruhet, ſo koͤnnen daraus auch die uͤbrigen dahin gehoͤrigen Stuͤcke auf eine gruͤndliche Art erklaͤret, und in ihr voͤlliges Licht geſe- )( 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/robins_artillerie_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/robins_artillerie_1745/9
Zitationshilfe: Robins, Benjamin: Neue Grundsätze der Artillerie. Übers. v. Leonhard Euler. Berlin, 1745, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robins_artillerie_1745/9>, abgerufen am 21.11.2024.