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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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stolz und aufgeblasen; und das ist der An-
fang, ein Verläumder zu werden. Denn wenn
man alles geringer schätzet, und ihm seinen
Werth entziehet; so thut man das, aus Ge-
wohnheit, auch an seinem Nächsten.

An den Ort, wo ich sonst war, kam ein-
mal ein junger Mensch hin, der hatte, mit
seinem Herrn, eine weite Reise gethan. Dem
Menschen war nichts gut genung. Er hat-
te alles beßer gesehn, geschmeckt und gehört.
Er verkleinerte alles, und verachtete alles.
Die Kirche im Dorf hieß er, einen Vogel-
bauer, die Bauerhäuser nennte er, Hüner-
ställe. Kurz, es war ihm alles zu schlecht.
Es war ihm aber auch kein Mensch gut. Und
keiner wollte solchen hochmüthigen Menschen
in Dienst nehmen. Endlich gieng es ihm
so schlecht, daß ichs euch nicht beschreiben
kann.

Gewöhnt euch also, geliebte Kinder! an
Richtigkeit, und treft das rechte Verhältniß
der Dinge, auch in euern Gedanken und
Gesprächen! Nennt alles bey seinem rechten
Namen; vergrößert und verkleinert nichts;
eure Rede sey, Ja und Nein: So wird
euch ein jeder, als aufrichtigen verständigen
Leuten, trauen.



Das

ſtolz und aufgeblaſen; und das iſt der An-
fang, ein Verlaͤumder zu werden. Denn wenn
man alles geringer ſchaͤtzet, und ihm ſeinen
Werth entziehet; ſo thut man das, aus Ge-
wohnheit, auch an ſeinem Naͤchſten.

An den Ort, wo ich ſonſt war, kam ein-
mal ein junger Menſch hin, der hatte, mit
ſeinem Herrn, eine weite Reiſe gethan. Dem
Menſchen war nichts gut genung. Er hat-
te alles beßer geſehn, geſchmeckt und gehoͤrt.
Er verkleinerte alles, und verachtete alles.
Die Kirche im Dorf hieß er, einen Vogel-
bauer, die Bauerhaͤuſer nennte er, Huͤner-
ſtaͤlle. Kurz, es war ihm alles zu ſchlecht.
Es war ihm aber auch kein Menſch gut. Und
keiner wollte ſolchen hochmuͤthigen Menſchen
in Dienſt nehmen. Endlich gieng es ihm
ſo ſchlecht, daß ichs euch nicht beſchreiben
kann.

Gewoͤhnt euch alſo, geliebte Kinder! an
Richtigkeit, und treft das rechte Verhaͤltniß
der Dinge, auch in euern Gedanken und
Geſpraͤchen! Nennt alles bey ſeinem rechten
Namen; vergroͤßert und verkleinert nichts;
eure Rede ſey, Ja und Nein: So wird
euch ein jeder, als aufrichtigen verſtaͤndigen
Leuten, trauen.



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[84/0106] ſtolz und aufgeblaſen; und das iſt der An- fang, ein Verlaͤumder zu werden. Denn wenn man alles geringer ſchaͤtzet, und ihm ſeinen Werth entziehet; ſo thut man das, aus Ge- wohnheit, auch an ſeinem Naͤchſten. An den Ort, wo ich ſonſt war, kam ein- mal ein junger Menſch hin, der hatte, mit ſeinem Herrn, eine weite Reiſe gethan. Dem Menſchen war nichts gut genung. Er hat- te alles beßer geſehn, geſchmeckt und gehoͤrt. Er verkleinerte alles, und verachtete alles. Die Kirche im Dorf hieß er, einen Vogel- bauer, die Bauerhaͤuſer nennte er, Huͤner- ſtaͤlle. Kurz, es war ihm alles zu ſchlecht. Es war ihm aber auch kein Menſch gut. Und keiner wollte ſolchen hochmuͤthigen Menſchen in Dienſt nehmen. Endlich gieng es ihm ſo ſchlecht, daß ichs euch nicht beſchreiben kann. Gewoͤhnt euch alſo, geliebte Kinder! an Richtigkeit, und treft das rechte Verhaͤltniß der Dinge, auch in euern Gedanken und Geſpraͤchen! Nennt alles bey ſeinem rechten Namen; vergroͤßert und verkleinert nichts; eure Rede ſey, Ja und Nein: So wird euch ein jeder, als aufrichtigen verſtaͤndigen Leuten, trauen. Das

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/106>, abgerufen am 03.05.2024.