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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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wahr ist! Maria, sagst du, so heißen dich
deine Aeltern -- Weißest du nicht mehr
Gründe anzugeben, warum du so heißest?
Recht, mein Kind! ins Kirchenbuch bist du,
unter dem Taufnamen, aufgeschrieben. Seht!
dieß Kind wußte das gewiß, was sie sagte:
denn sie konnte Gründe anführen; also, ge-
wiß ist alles das, was man sich und an-
dern, durch Gründe beweisen kann. Ihr
lieben Kinder! das allein hilft euch nicht viel,
daß ihr Wahrheiten hört, oder auswendig
lernt. Nein die Wahrheiten müßen auch, in
euch, zu Gewißheiten werden. Das heißt so
viel: Ihr müßt euch zugleich den Grund an-
geben können, warum eine Wahrheit wahr
ist. Alsdenn kommt euch die Erkenntniß der
Wahrheit zu nutze, und wird lebendig in euch,
so, daß ihr die Wahrheit liebt. Wer aber
die Wahrheit liebt, der liebt auch Gott; denn
alle Wahrheit kömmt von Gott.

Wenn es erst ein paar Nächte gefroren
hat, wagt ihr euch denn wohl, auf dem tie-
fen Wasser zu glitschen, oder zu schlittern?
Warum nicht? Weils also ungewiß ist, ob
es euch hält, oder, wie ihr es nennt, unsicher,
so giengt ihr nicht auf das Eis. Es ist auch
nicht zu vermuthen, daß, in ein paar Näch-
ten, das Eis so stark und so dicke frieren soll-

te,

wahr iſt! Maria, ſagſt du, ſo heißen dich
deine Aeltern — Weißeſt du nicht mehr
Gruͤnde anzugeben, warum du ſo heißeſt?
Recht, mein Kind! ins Kirchenbuch biſt du,
unter dem Taufnamen, aufgeſchrieben. Seht!
dieß Kind wußte das gewiß, was ſie ſagte:
denn ſie konnte Gruͤnde anfuͤhren; alſo, ge-
wiß iſt alles das, was man ſich und an-
dern, durch Gruͤnde beweiſen kann. Ihr
lieben Kinder! das allein hilft euch nicht viel,
daß ihr Wahrheiten hoͤrt, oder auswendig
lernt. Nein die Wahrheiten muͤßen auch, in
euch, zu Gewißheiten werden. Das heißt ſo
viel: Ihr muͤßt euch zugleich den Grund an-
geben koͤnnen, warum eine Wahrheit wahr
iſt. Alsdenn kommt euch die Erkenntniß der
Wahrheit zu nutze, und wird lebendig in euch,
ſo, daß ihr die Wahrheit liebt. Wer aber
die Wahrheit liebt, der liebt auch Gott; denn
alle Wahrheit koͤmmt von Gott.

Wenn es erſt ein paar Naͤchte gefroren
hat, wagt ihr euch denn wohl, auf dem tie-
fen Waſſer zu glitſchen, oder zu ſchlittern?
Warum nicht? Weils alſo ungewiß iſt, ob
es euch haͤlt, oder, wie ihr es nennt, unſicher,
ſo giengt ihr nicht auf das Eis. Es iſt auch
nicht zu vermuthen, daß, in ein paar Naͤch-
ten, das Eis ſo ſtark und ſo dicke frieren ſoll-

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[22/0044] wahr iſt! Maria, ſagſt du, ſo heißen dich deine Aeltern — Weißeſt du nicht mehr Gruͤnde anzugeben, warum du ſo heißeſt? Recht, mein Kind! ins Kirchenbuch biſt du, unter dem Taufnamen, aufgeſchrieben. Seht! dieß Kind wußte das gewiß, was ſie ſagte: denn ſie konnte Gruͤnde anfuͤhren; alſo, ge- wiß iſt alles das, was man ſich und an- dern, durch Gruͤnde beweiſen kann. Ihr lieben Kinder! das allein hilft euch nicht viel, daß ihr Wahrheiten hoͤrt, oder auswendig lernt. Nein die Wahrheiten muͤßen auch, in euch, zu Gewißheiten werden. Das heißt ſo viel: Ihr muͤßt euch zugleich den Grund an- geben koͤnnen, warum eine Wahrheit wahr iſt. Alsdenn kommt euch die Erkenntniß der Wahrheit zu nutze, und wird lebendig in euch, ſo, daß ihr die Wahrheit liebt. Wer aber die Wahrheit liebt, der liebt auch Gott; denn alle Wahrheit koͤmmt von Gott. Wenn es erſt ein paar Naͤchte gefroren hat, wagt ihr euch denn wohl, auf dem tie- fen Waſſer zu glitſchen, oder zu ſchlittern? Warum nicht? Weils alſo ungewiß iſt, ob es euch haͤlt, oder, wie ihr es nennt, unſicher, ſo giengt ihr nicht auf das Eis. Es iſt auch nicht zu vermuthen, daß, in ein paar Naͤch- ten, das Eis ſo ſtark und ſo dicke frieren ſoll- te,

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/44>, abgerufen am 23.04.2024.