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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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Einleitung.
ne Regel angewandt; sondern der Mensch
bleibt sinnlich, und ist, ohne ein Wunder,
(wozu aber die Verheißung fehlt,) keiner
Art von moralischer Glückseligkeit fähig.

So fand ich die Landleute, und nun sah
ich mich nach Hülfe um, wodurch diese Last
weggehoben werden könnte.

Außer dem Catechismus und der Heils-
ordnung, fand ich kein Schulbuch für den
Landmann; und, außer dem Innhalte die-
ser Bücher, keine Wissenschaft, die man
dessen Kinder lehrte.

Ich denke doch nicht, (um nicht bey die-
ser Sache zu wiederholen, was andre schon
vortreflich gesagt haben,) daß man den
Verstand eines Bauerkindes und seine Seele
für Dinge einer andern Gattung hält, als
den Verstand und die Seelen der Kinder hö-
herer Stände? Aber denn ist mirs uner-
klärbar, wie, nach der herrschenden Lehr-
art, aus diesen Leuten verständige Menschen
und gar Christen gebildet werden sollen.

Sie verstehen, (wie es die Erfahrung
lehrt,) nicht die Worte des Catechismus,
und sollen doch den Sinn fassen, und durch
ihr ganzes Leben thätig werden lassen. Da
ich also nichts fand, was unmittelbar für
den Landmann und seine Kinder mir zweck-

dien-
* 3

Einleitung.
ne Regel angewandt; ſondern der Menſch
bleibt ſinnlich, und iſt, ohne ein Wunder,
(wozu aber die Verheißung fehlt,) keiner
Art von moraliſcher Gluͤckſeligkeit faͤhig.

So fand ich die Landleute, und nun ſah
ich mich nach Huͤlfe um, wodurch dieſe Laſt
weggehoben werden koͤnnte.

Außer dem Catechismus und der Heils-
ordnung, fand ich kein Schulbuch fuͤr den
Landmann; und, außer dem Innhalte die-
ſer Buͤcher, keine Wiſſenſchaft, die man
deſſen Kinder lehrte.

Ich denke doch nicht, (um nicht bey die-
ſer Sache zu wiederholen, was andre ſchon
vortreflich geſagt haben,) daß man den
Verſtand eines Bauerkindes und ſeine Seele
fuͤr Dinge einer andern Gattung haͤlt, als
den Verſtand und die Seelen der Kinder hoͤ-
herer Staͤnde? Aber denn iſt mirs uner-
klaͤrbar, wie, nach der herrſchenden Lehr-
art, aus dieſen Leuten verſtaͤndige Menſchen
und gar Chriſten gebildet werden ſollen.

Sie verſtehen, (wie es die Erfahrung
lehrt,) nicht die Worte des Catechismus,
und ſollen doch den Sinn faſſen, und durch
ihr ganzes Leben thaͤtig werden laſſen. Da
ich alſo nichts fand, was unmittelbar fuͤr
den Landmann und ſeine Kinder mir zweck-

dien-
* 3
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[0009] Einleitung. ne Regel angewandt; ſondern der Menſch bleibt ſinnlich, und iſt, ohne ein Wunder, (wozu aber die Verheißung fehlt,) keiner Art von moraliſcher Gluͤckſeligkeit faͤhig. So fand ich die Landleute, und nun ſah ich mich nach Huͤlfe um, wodurch dieſe Laſt weggehoben werden koͤnnte. Außer dem Catechismus und der Heils- ordnung, fand ich kein Schulbuch fuͤr den Landmann; und, außer dem Innhalte die- ſer Buͤcher, keine Wiſſenſchaft, die man deſſen Kinder lehrte. Ich denke doch nicht, (um nicht bey die- ſer Sache zu wiederholen, was andre ſchon vortreflich geſagt haben,) daß man den Verſtand eines Bauerkindes und ſeine Seele fuͤr Dinge einer andern Gattung haͤlt, als den Verſtand und die Seelen der Kinder hoͤ- herer Staͤnde? Aber denn iſt mirs uner- klaͤrbar, wie, nach der herrſchenden Lehr- art, aus dieſen Leuten verſtaͤndige Menſchen und gar Chriſten gebildet werden ſollen. Sie verſtehen, (wie es die Erfahrung lehrt,) nicht die Worte des Catechismus, und ſollen doch den Sinn faſſen, und durch ihr ganzes Leben thaͤtig werden laſſen. Da ich alſo nichts fand, was unmittelbar fuͤr den Landmann und ſeine Kinder mir zweck- dien- * 3

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/9>, abgerufen am 29.03.2024.