Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.1902 entzog die Direktion der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn allen Arbeitervereinen, in denen andere alkoholische Getränke als Wein, Bier und Cider (Apfelwein) an die Mitglieder verkauft wurden, die von der Bahngesellschaft meist gewährte Beihilfe und verbot zugleich den Bahnhofswirten an die Bahnangestellten andere als die erwähnten alkoholischen Getränke zu verkaufen. Um die Wende des Jahrhunderts hatte auch die englische Great Western Railway verboten, ihren ca. 2000 Beamten und Arbeitern alkoholische Getränke zu verabfolgen, während 18 amerikanische Direktionen gänzliche Abstinenz ihrer Bediensteten im Zugdienst und einzelne Direktionen sogar für alle Dienstzweige verlangten. 25 amerikanische Direktionen geben Abstinenten den Vorzug bei der Anstellung. Die Gesellschaft "Canadian Pacific Railroad" hat das Land neben ihren Stationen nur unter der Bedingung verkauft, daß dort keine geistigen Getränke ausgeschenkt würden, widrigenfalls das Land an die Gesellschaft zurückfallen sollte. In Belgien wurde zu gleicher Zeit 1400 Angestellten, die nebenbei Wirtschaften betrieben, der Verkauf geistiger Getränke verboten. 1902 wurde der "Schweizerische Verein abstinenter Eisenbahner" und in Frankreich die "societe anti-alcoolique des employers et des ouvriers de chemins de fer" gegründet. 1903 beschloß die Verwaltung der dänischen Staatsbahnen vorzugsweise solche Anwärter bei der Anstellung zu berücksichtigen, die seit mindestens einem Jahre Mitglied eines Enthaltsamkeitsvereines sind. Der dänische Verein enthaltsamer Eisenbahner zählte im gleichen Jahre über 300 Mitglieder. 1904 entschloß sich die Generaldirektion der bayerischen Staatsbahnen für das gesamte Personal mit Einschluß des Werkstättenpersonals heiße alkoholfreie Getränke (Kaffee, Tee, warme Suppen) zu festgesetzten Preisen zu liefern und ebenso in den Sommermonaten billiges Selterwasser. Schon 1904 aber machte sich in der Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen eine Gegenströmung gegen die völlige Enthaltsamkeit geltend, die darin gipfelte, daß nur diejenigen, die der Verlockung nicht widerstehen könnten, über das ihnen zuträgliche Maß beim Alkoholgenuß (auch in Gestalt von Bier und Wein) hinauszugehen, sich völliger Enthaltsamkeit befleißigen sollten; wer sich aber gegen die Verlockung widerstandsfähig fühle, dürfe bei dem mäßigen Genuß bleiben, solle aber diese Grenze möglichst niedrig zu halten suchen. De Terra selbst lenkte noch in demselben Jahre 1904 ein und wollte auch Freunde der Mäßigkeit, also nicht völlig Enthaltsame, dem Vereine als Mitglieder anzugliedern suchen, er stieß hierbei aber auf Widerstand bei den Radikalen. Schließlich einigte man sich dahin, die Mäßigen als Freunde des Vereins, nicht aber als Mitglieder zuzulassen. Diesen Standpunkt haben auch die meisten Behörden, unter anderem die preußisch-hessische Staatsbahnverwaltung und die ungarische (1905) gewissermaßen zu dem ihrigen gemacht. Sie verlangen völlige Enthaltsamkeit nur während des Dienstes, nicht aber außer Dienst, sie entfernen Trunksüchtige aus dem Eisenbahndienst, falls es nicht gelingt, sie durch Angliederung an abstinente Vereine von ihrem Laster zu heilen, und sie gewähren den Bediensteten als Ersatz des Alkohols, Tee, Kaffee und Selterwasser mit Limonadenzusätzen zum Selbstkostenpreise; sie lassen, wie auch die sächsische, württembergische und reichsländische Staatsbahnverwaltung, den Bediensteten Vorträge über die Schädlichkeit des Alkoholgenusses halten. In den Übernachtungsräumen und Erholungsheimen werden belehrende Schriften auf Kosten der Verwaltungen ausgelegt, wie Quensel, Der Alkohol und seine Gefahren; C. Fränkel, Gesundheit und Alkohol; M. Stein, Alkohol und Alkoholismus mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehung zum Eisenbahnverkehrsdienst. Letzteres 1904 in Wien erschienene Werk wird besonders auch in Österreich verbreitet. 1905 wurde in Preußen auf den Bahnhöfen der Verkauf von Milch pflichtmäßig eingeführt. In dem gleichen Jahre veranstaltete die Generaldirektion der sächsischen Staatsbahnen Vorträge über die Alkoholfrage, die die Bahnärzte den Bediensteten hielten, sie selbst unterstützte den Deutschen Verein enthaltsamer Eisenbahner und besonders die in Dresden und Leipzig entstandenen Ortsgruppen; sie versuchte auch die Heilung trunksüchtiger Bediensteter zunächst durch Angliederung an diesen Verein und schritt erst beim Mißlingen dieses Versuches zur Dienstentlassung. Die Generaldirektion der oldenburgischen Staatsbahnen ordnete gleichzeitig die Beschränkung des Besuches der Bahnhofwirtschaften für ihre Bediensteten an und ließ in den Wartesälen Anschläge mit der Aufschrift: "Kein Trinkzwang" anbringen. Entsprechend dem von Dr. Faßbender geprägten Worte, daß die Alkoholfrage nur in Verbindung mit der Ernährungsfrage gelöst werden könne, verfügte die Generaldirektion in Baden 1907 die unentgeltliche Verabfolgung von Kaffee mit Zucker bis zu einem Liter, das in außergewöhnlichen Verhältnissen überschritten werden konnte, für den Kopf und Tag an das Zugbeförderungs- und Zugbegleitungspersonal, sowie an die im Dienste der Bahnmeister, Telegraphenbeamten, Wagenrevidenten und Stellwerksschlosser verwendeten Beamten und Bediensteten und an die Arbeiter aller Dienstzweige. Sie gab genaue 1902 entzog die Direktion der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn allen Arbeitervereinen, in denen andere alkoholische Getränke als Wein, Bier und Cider (Apfelwein) an die Mitglieder verkauft wurden, die von der Bahngesellschaft meist gewährte Beihilfe und verbot zugleich den Bahnhofswirten an die Bahnangestellten andere als die erwähnten alkoholischen Getränke zu verkaufen. Um die Wende des Jahrhunderts hatte auch die englische Great Western Railway verboten, ihren ca. 2000 Beamten und Arbeitern alkoholische Getränke zu verabfolgen, während 18 amerikanische Direktionen gänzliche Abstinenz ihrer Bediensteten im Zugdienst und einzelne Direktionen sogar für alle Dienstzweige verlangten. 25 amerikanische Direktionen geben Abstinenten den Vorzug bei der Anstellung. Die Gesellschaft „Canadian Pacific Railroad“ hat das Land neben ihren Stationen nur unter der Bedingung verkauft, daß dort keine geistigen Getränke ausgeschenkt würden, widrigenfalls das Land an die Gesellschaft zurückfallen sollte. In Belgien wurde zu gleicher Zeit 1400 Angestellten, die nebenbei Wirtschaften betrieben, der Verkauf geistiger Getränke verboten. 1902 wurde der „Schweizerische Verein abstinenter Eisenbahner“ und in Frankreich die „société anti-alcoolique des employers et des ouvriers de chemins de fer“ gegründet. 1903 beschloß die Verwaltung der dänischen Staatsbahnen vorzugsweise solche Anwärter bei der Anstellung zu berücksichtigen, die seit mindestens einem Jahre Mitglied eines Enthaltsamkeitsvereines sind. Der dänische Verein enthaltsamer Eisenbahner zählte im gleichen Jahre über 300 Mitglieder. 1904 entschloß sich die Generaldirektion der bayerischen Staatsbahnen für das gesamte Personal mit Einschluß des Werkstättenpersonals heiße alkoholfreie Getränke (Kaffee, Tee, warme Suppen) zu festgesetzten Preisen zu liefern und ebenso in den Sommermonaten billiges Selterwasser. Schon 1904 aber machte sich in der Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen eine Gegenströmung gegen die völlige Enthaltsamkeit geltend, die darin gipfelte, daß nur diejenigen, die der Verlockung nicht widerstehen könnten, über das ihnen zuträgliche Maß beim Alkoholgenuß (auch in Gestalt von Bier und Wein) hinauszugehen, sich völliger Enthaltsamkeit befleißigen sollten; wer sich aber gegen die Verlockung widerstandsfähig fühle, dürfe bei dem mäßigen Genuß bleiben, solle aber diese Grenze möglichst niedrig zu halten suchen. De Terra selbst lenkte noch in demselben Jahre 1904 ein und wollte auch Freunde der Mäßigkeit, also nicht völlig Enthaltsame, dem Vereine als Mitglieder anzugliedern suchen, er stieß hierbei aber auf Widerstand bei den Radikalen. Schließlich einigte man sich dahin, die Mäßigen als Freunde des Vereins, nicht aber als Mitglieder zuzulassen. Diesen Standpunkt haben auch die meisten Behörden, unter anderem die preußisch-hessische Staatsbahnverwaltung und die ungarische (1905) gewissermaßen zu dem ihrigen gemacht. Sie verlangen völlige Enthaltsamkeit nur während des Dienstes, nicht aber außer Dienst, sie entfernen Trunksüchtige aus dem Eisenbahndienst, falls es nicht gelingt, sie durch Angliederung an abstinente Vereine von ihrem Laster zu heilen, und sie gewähren den Bediensteten als Ersatz des Alkohols, Tee, Kaffee und Selterwasser mit Limonadenzusätzen zum Selbstkostenpreise; sie lassen, wie auch die sächsische, württembergische und reichsländische Staatsbahnverwaltung, den Bediensteten Vorträge über die Schädlichkeit des Alkoholgenusses halten. In den Übernachtungsräumen und Erholungsheimen werden belehrende Schriften auf Kosten der Verwaltungen ausgelegt, wie Quensel, Der Alkohol und seine Gefahren; C. Fränkel, Gesundheit und Alkohol; M. Stein, Alkohol und Alkoholismus mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehung zum Eisenbahnverkehrsdienst. Letzteres 1904 in Wien erschienene Werk wird besonders auch in Österreich verbreitet. 1905 wurde in Preußen auf den Bahnhöfen der Verkauf von Milch pflichtmäßig eingeführt. In dem gleichen Jahre veranstaltete die Generaldirektion der sächsischen Staatsbahnen Vorträge über die Alkoholfrage, die die Bahnärzte den Bediensteten hielten, sie selbst unterstützte den Deutschen Verein enthaltsamer Eisenbahner und besonders die in Dresden und Leipzig entstandenen Ortsgruppen; sie versuchte auch die Heilung trunksüchtiger Bediensteter zunächst durch Angliederung an diesen Verein und schritt erst beim Mißlingen dieses Versuches zur Dienstentlassung. Die Generaldirektion der oldenburgischen Staatsbahnen ordnete gleichzeitig die Beschränkung des Besuches der Bahnhofwirtschaften für ihre Bediensteten an und ließ in den Wartesälen Anschläge mit der Aufschrift: „Kein Trinkzwang“ anbringen. Entsprechend dem von Dr. Faßbender geprägten Worte, daß die Alkoholfrage nur in Verbindung mit der Ernährungsfrage gelöst werden könne, verfügte die Generaldirektion in Baden 1907 die unentgeltliche Verabfolgung von Kaffee mit Zucker bis zu einem Liter, das in außergewöhnlichen Verhältnissen überschritten werden konnte, für den Kopf und Tag an das Zugbeförderungs- und Zugbegleitungspersonal, sowie an die im Dienste der Bahnmeister, Telegraphenbeamten, Wagenrevidenten und Stellwerksschlosser verwendeten Beamten und Bediensteten und an die Arbeiter aller Dienstzweige. 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Die Gesellschaft „Canadian Pacific Railroad“ hat das Land neben ihren Stationen nur unter der Bedingung verkauft, daß dort keine geistigen Getränke ausgeschenkt würden, widrigenfalls das Land an die Gesellschaft zurückfallen sollte. In Belgien wurde zu gleicher Zeit 1400 Angestellten, die nebenbei Wirtschaften betrieben, der Verkauf geistiger Getränke verboten.</p><lb/> <p>1902 wurde der „Schweizerische Verein abstinenter Eisenbahner“ und in Frankreich die „société anti-alcoolique des employers et des ouvriers de chemins de fer“ gegründet. 1903 beschloß die Verwaltung der dänischen Staatsbahnen vorzugsweise solche Anwärter bei der Anstellung zu berücksichtigen, die seit mindestens einem Jahre Mitglied eines Enthaltsamkeitsvereines sind. Der dänische Verein enthaltsamer Eisenbahner zählte im gleichen Jahre über 300 Mitglieder. 1904 entschloß sich die Generaldirektion der bayerischen Staatsbahnen für das gesamte Personal mit Einschluß des Werkstättenpersonals heiße alkoholfreie Getränke (Kaffee, Tee, warme Suppen) zu festgesetzten Preisen zu liefern und ebenso in den Sommermonaten billiges Selterwasser. Schon 1904 aber machte sich in der Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen eine Gegenströmung gegen die völlige Enthaltsamkeit geltend, die darin gipfelte, daß nur diejenigen, die der Verlockung nicht widerstehen könnten, über das ihnen zuträgliche Maß beim Alkoholgenuß (auch in Gestalt von Bier und Wein) hinauszugehen, sich völliger Enthaltsamkeit befleißigen sollten; wer sich aber gegen die Verlockung widerstandsfähig fühle, dürfe bei dem mäßigen Genuß bleiben, solle aber diese Grenze möglichst niedrig zu halten suchen. De Terra selbst lenkte noch in demselben Jahre 1904 ein und wollte auch Freunde der Mäßigkeit, also nicht völlig Enthaltsame, dem Vereine als Mitglieder anzugliedern suchen, er stieß hierbei aber auf Widerstand bei den Radikalen. Schließlich einigte man sich dahin, die Mäßigen als Freunde des Vereins, nicht aber als Mitglieder zuzulassen.</p><lb/> <p>Diesen Standpunkt haben auch die meisten Behörden, unter anderem die preußisch-hessische Staatsbahnverwaltung und die ungarische (1905) gewissermaßen zu dem ihrigen gemacht. Sie verlangen völlige Enthaltsamkeit nur während des Dienstes, nicht aber außer Dienst, sie entfernen Trunksüchtige aus dem Eisenbahndienst, falls es nicht gelingt, sie durch Angliederung an abstinente Vereine von ihrem Laster zu heilen, und sie gewähren den Bediensteten als Ersatz des Alkohols, Tee, Kaffee und Selterwasser mit Limonadenzusätzen zum Selbstkostenpreise; sie lassen, wie auch die sächsische, württembergische und reichsländische Staatsbahnverwaltung, den Bediensteten Vorträge über die Schädlichkeit des Alkoholgenusses halten. In den Übernachtungsräumen und Erholungsheimen werden belehrende Schriften auf Kosten der Verwaltungen ausgelegt, wie Quensel, Der Alkohol und seine Gefahren; C. Fränkel, Gesundheit und Alkohol; M. Stein, Alkohol und Alkoholismus mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehung zum Eisenbahnverkehrsdienst. Letzteres 1904 in Wien erschienene Werk wird besonders auch in Österreich verbreitet.</p><lb/> <p>1905 wurde in Preußen auf den Bahnhöfen der Verkauf von Milch pflichtmäßig eingeführt. In dem gleichen Jahre veranstaltete die Generaldirektion der sächsischen Staatsbahnen Vorträge über die Alkoholfrage, die die Bahnärzte den Bediensteten hielten, sie selbst unterstützte den Deutschen Verein enthaltsamer Eisenbahner und besonders die in Dresden und Leipzig entstandenen Ortsgruppen; sie versuchte auch die Heilung trunksüchtiger Bediensteter zunächst durch Angliederung an diesen Verein und schritt erst beim Mißlingen dieses Versuches zur Dienstentlassung. Die Generaldirektion der oldenburgischen Staatsbahnen ordnete gleichzeitig die Beschränkung des Besuches der Bahnhofwirtschaften für ihre Bediensteten an und ließ in den Wartesälen Anschläge mit der Aufschrift: „Kein Trinkzwang“ anbringen. Entsprechend dem von Dr. Faßbender geprägten Worte, daß die Alkoholfrage nur in Verbindung mit der Ernährungsfrage gelöst werden könne, verfügte die Generaldirektion in Baden 1907 die unentgeltliche Verabfolgung von Kaffee mit Zucker bis zu einem Liter, das in außergewöhnlichen Verhältnissen überschritten werden konnte, für den Kopf und Tag an das Zugbeförderungs- und Zugbegleitungspersonal, sowie an die im Dienste der Bahnmeister, Telegraphenbeamten, Wagenrevidenten und Stellwerksschlosser verwendeten Beamten und Bediensteten und an die Arbeiter aller Dienstzweige. Sie gab genaue </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0200]
1902 entzog die Direktion der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn allen Arbeitervereinen, in denen andere alkoholische Getränke als Wein, Bier und Cider (Apfelwein) an die Mitglieder verkauft wurden, die von der Bahngesellschaft meist gewährte Beihilfe und verbot zugleich den Bahnhofswirten an die Bahnangestellten andere als die erwähnten alkoholischen Getränke zu verkaufen. Um die Wende des Jahrhunderts hatte auch die englische Great Western Railway verboten, ihren ca. 2000 Beamten und Arbeitern alkoholische Getränke zu verabfolgen, während 18 amerikanische Direktionen gänzliche Abstinenz ihrer Bediensteten im Zugdienst und einzelne Direktionen sogar für alle Dienstzweige verlangten. 25 amerikanische Direktionen geben Abstinenten den Vorzug bei der Anstellung. Die Gesellschaft „Canadian Pacific Railroad“ hat das Land neben ihren Stationen nur unter der Bedingung verkauft, daß dort keine geistigen Getränke ausgeschenkt würden, widrigenfalls das Land an die Gesellschaft zurückfallen sollte. In Belgien wurde zu gleicher Zeit 1400 Angestellten, die nebenbei Wirtschaften betrieben, der Verkauf geistiger Getränke verboten.
1902 wurde der „Schweizerische Verein abstinenter Eisenbahner“ und in Frankreich die „société anti-alcoolique des employers et des ouvriers de chemins de fer“ gegründet. 1903 beschloß die Verwaltung der dänischen Staatsbahnen vorzugsweise solche Anwärter bei der Anstellung zu berücksichtigen, die seit mindestens einem Jahre Mitglied eines Enthaltsamkeitsvereines sind. Der dänische Verein enthaltsamer Eisenbahner zählte im gleichen Jahre über 300 Mitglieder. 1904 entschloß sich die Generaldirektion der bayerischen Staatsbahnen für das gesamte Personal mit Einschluß des Werkstättenpersonals heiße alkoholfreie Getränke (Kaffee, Tee, warme Suppen) zu festgesetzten Preisen zu liefern und ebenso in den Sommermonaten billiges Selterwasser. Schon 1904 aber machte sich in der Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen eine Gegenströmung gegen die völlige Enthaltsamkeit geltend, die darin gipfelte, daß nur diejenigen, die der Verlockung nicht widerstehen könnten, über das ihnen zuträgliche Maß beim Alkoholgenuß (auch in Gestalt von Bier und Wein) hinauszugehen, sich völliger Enthaltsamkeit befleißigen sollten; wer sich aber gegen die Verlockung widerstandsfähig fühle, dürfe bei dem mäßigen Genuß bleiben, solle aber diese Grenze möglichst niedrig zu halten suchen. De Terra selbst lenkte noch in demselben Jahre 1904 ein und wollte auch Freunde der Mäßigkeit, also nicht völlig Enthaltsame, dem Vereine als Mitglieder anzugliedern suchen, er stieß hierbei aber auf Widerstand bei den Radikalen. Schließlich einigte man sich dahin, die Mäßigen als Freunde des Vereins, nicht aber als Mitglieder zuzulassen.
Diesen Standpunkt haben auch die meisten Behörden, unter anderem die preußisch-hessische Staatsbahnverwaltung und die ungarische (1905) gewissermaßen zu dem ihrigen gemacht. Sie verlangen völlige Enthaltsamkeit nur während des Dienstes, nicht aber außer Dienst, sie entfernen Trunksüchtige aus dem Eisenbahndienst, falls es nicht gelingt, sie durch Angliederung an abstinente Vereine von ihrem Laster zu heilen, und sie gewähren den Bediensteten als Ersatz des Alkohols, Tee, Kaffee und Selterwasser mit Limonadenzusätzen zum Selbstkostenpreise; sie lassen, wie auch die sächsische, württembergische und reichsländische Staatsbahnverwaltung, den Bediensteten Vorträge über die Schädlichkeit des Alkoholgenusses halten. In den Übernachtungsräumen und Erholungsheimen werden belehrende Schriften auf Kosten der Verwaltungen ausgelegt, wie Quensel, Der Alkohol und seine Gefahren; C. Fränkel, Gesundheit und Alkohol; M. Stein, Alkohol und Alkoholismus mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehung zum Eisenbahnverkehrsdienst. Letzteres 1904 in Wien erschienene Werk wird besonders auch in Österreich verbreitet.
1905 wurde in Preußen auf den Bahnhöfen der Verkauf von Milch pflichtmäßig eingeführt. In dem gleichen Jahre veranstaltete die Generaldirektion der sächsischen Staatsbahnen Vorträge über die Alkoholfrage, die die Bahnärzte den Bediensteten hielten, sie selbst unterstützte den Deutschen Verein enthaltsamer Eisenbahner und besonders die in Dresden und Leipzig entstandenen Ortsgruppen; sie versuchte auch die Heilung trunksüchtiger Bediensteter zunächst durch Angliederung an diesen Verein und schritt erst beim Mißlingen dieses Versuches zur Dienstentlassung. Die Generaldirektion der oldenburgischen Staatsbahnen ordnete gleichzeitig die Beschränkung des Besuches der Bahnhofwirtschaften für ihre Bediensteten an und ließ in den Wartesälen Anschläge mit der Aufschrift: „Kein Trinkzwang“ anbringen. Entsprechend dem von Dr. Faßbender geprägten Worte, daß die Alkoholfrage nur in Verbindung mit der Ernährungsfrage gelöst werden könne, verfügte die Generaldirektion in Baden 1907 die unentgeltliche Verabfolgung von Kaffee mit Zucker bis zu einem Liter, das in außergewöhnlichen Verhältnissen überschritten werden konnte, für den Kopf und Tag an das Zugbeförderungs- und Zugbegleitungspersonal, sowie an die im Dienste der Bahnmeister, Telegraphenbeamten, Wagenrevidenten und Stellwerksschlosser verwendeten Beamten und Bediensteten und an die Arbeiter aller Dienstzweige. Sie gab genaue
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