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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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in den Werkstätten befindlichen Lokomotiven. Außerdem ist eine gewisse Zahl von Lokomotiven auf einzelnen Stationen für außergewöhnlichen Bedarf bei Sonderzügen und für Vorspannleistungen in Bereitschaft zu halten. Die Zahl der für einen solchen Bedarf vorzuhaltenden Lokomotiven kann aber dadurch eingeschränkt werden, daß die Untersuchungs- und Wiederherstellungsarbeiten in den Werkstätten zur Zeit des schwachen Verkehrs ausgeführt und daß die sonst nur einfach besetzten Lokomotiven für die Zeit außergewöhnlicher Inanspruchnahme der B. doppelt besetzt werden. - Je geringer der Gesamtbedarf an Lokomotiven für den gewöhnlichen Dienst ist, desto größer ist vielfach der Bedarf für den Bereitschaftsdienst im Verhältnis zum Gesamtbedarf. Eine Bahnstrecke, auf der eine Lokomotive den gesamten Dienst verrichtet, bedarf in der Regel eine zweite Lokomotive, also 100% des Bestandes für den Bereitschaftsdienst. Andernfalls würde der Betrieb schon bei kleinen Beschädigungen der Lokomotive empfindliche Störungen erleiden. - Zur Erzielung einer wirtschaftlichen Betriebsführung ist großer Wert darauf zu legen, daß die Leistungsfähigkeit der einzelnen Lokomotivgattungen den Anforderungen des Verkehrs möglichst angepaßt wird. Eine Lokomotive arbeitet am billigsten, wenn ihre Leistungsfähigkeit voll ausgenutzt wird. Der Betrieb wird am billigsten, wenn die Zahl der Züge nicht größer ist, als unbedingt nötig. Wird nun die Lokomotive so gebaut, daß sie in der Lage ist, den schwersten vorkommenden Zug fortzubewegen, so ist auch dafür zu sorgen, daß diese Leistungsfähigkeit ausgenutzt wird. Durchaus unvorteilhaft ist die Verwendung von Vorspannlokomotiven, soweit es sich nicht um die Überwindung stark geneigter Teilstrecken handelt.

Die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven sind im Laufe der Zeit erheblich gestiegen. Nicht nur das Zuggewicht ist größer geworden (u. zw. allgemein bei allen Zuggattungen), sondern auch die Beförderungsgeschwindigkeit hat zugenommen. So ist z. B. das Zuggewicht der Schnellzüge von London nach Schottland, das 1864 100 t betrug, bis z. J. 1885 auf 250 t und bis z. J. 1903 auf 450 t gestiegen, während die Fahrgeschwindigkeit von 61 km auf 83 km i. d. St. anwuchs. Um solchen Ansprüchen zu genügen, mußten die Lokomotiven immer größer und schwerer gebaut werden. Die Zahl der Achsen, insbesondere die der Triebachsen wurde vermehrt, um das nötige Reibungsgewicht beim Anfahren und auf Steigungen zu gewinnen. Bei schnell fahrenden Lokomotiven trat das Drehgestell an die Stelle der vorderen Laufachse. Auf diese Weise entstanden nach amerikanischem Vorbild seit 1890 auch auf den europäischen Bahnen vierfünf- und sechsachsige Lokomotiven für den Personen- und Güterzugdienst, mit einer Leistungsfähigkeit bis 1800 Pferdestärken, einem Dienstgewicht von 77·6 t für die Lokomotive und 50·7 t für den Tender. Im Jahre 1910 fanden bereits bei 10 europäischen Eisenbahn Verwaltungen, abgesehen von den französischen und englischen, Geschwindigkeiten von 100 km in der Stunde regelmäßige Anwendung im Betrieb. Hierüber hinaus wurden Geschwindigkeiten über 100 km in der Stunde bis 129 km auf der französischen Ost-, Nord- und Orleansbahn und in größerem Umfange auch auf den englischen Bahnen angewendet. - Für die preuß.-hess. Staatsbahnen hat man berechnet, daß die Lokomotivleistungen vom Jahre 1894 bis zum Jahre 1909 im Schnell- und Eilzugdienst in Pferdekraftstunden um 565% zugenommen haben, im Personenzugdienst um 210%, im Güterzugdienst um 178%. Gleichzeitig war aber der Kohlenverbrauch - er betrug 1909 9,123.600 t im Werte von 114 Mill. M. - auf die Pferdekraftstunde berechnet, um 18% gefallen. Die durch Beschaffung leistungsfähiger Lokomotiven bewirkte Einschränkung der Vorspannleistungen hatte im Jahre 1909 eine Ersparnis von schätzungsweise 8 Mill. M. zur Folge. In anderer Weise werden die Fortschritte im Lokomotivbau dadurch gekennzeichnet, daß die Gewichtseinheit in t der fertigen Lokomotive heute rund 1000 M. kostet, das sind etwa 50% der Kosten für 1 t Lokomotivgewicht in der ersten Zeit der Eisenbahnen. Die Kosten, bezogen auf eine Pferdestärke, haben sich von einem Durchschnittswert von 240 M. auf 52 M. ermäßigt. Sie sind in 50 Jahren um 78% heruntergegangen. - Um größere Strecken ohne Aufenthalt durchfahren zu können, hat man den Wasserraum des Tenders für den gewöhnlichen Schnellzugsdienst bis auf 21·5 m3 und für besonders lange Strecken bis auf 32 m3 vergrößert. In Amerika sind sogar für besondere Zwecke sechsachsige Tender mit einem Wasserbehälter von 54·5 m3 Inhalt gebaut worden. In Deutschland können nunmehr Strecken wie Berlin-Hamburg (286·7 km), München-Würzburg (277·1 km), Berlin-Liegnitz (266·6 km), Berlin-Hannover (254·1 km) ohne Aufenthalt durchfahren werden, wobei die Schnellzüge im Gewichte von 500 t eine Geschwindigkeit von 100 km in der Stunde bei einem Triebraddurchmesser von 1·98 m erreichen.

in den Werkstätten befindlichen Lokomotiven. Außerdem ist eine gewisse Zahl von Lokomotiven auf einzelnen Stationen für außergewöhnlichen Bedarf bei Sonderzügen und für Vorspannleistungen in Bereitschaft zu halten. Die Zahl der für einen solchen Bedarf vorzuhaltenden Lokomotiven kann aber dadurch eingeschränkt werden, daß die Untersuchungs- und Wiederherstellungsarbeiten in den Werkstätten zur Zeit des schwachen Verkehrs ausgeführt und daß die sonst nur einfach besetzten Lokomotiven für die Zeit außergewöhnlicher Inanspruchnahme der B. doppelt besetzt werden. – Je geringer der Gesamtbedarf an Lokomotiven für den gewöhnlichen Dienst ist, desto größer ist vielfach der Bedarf für den Bereitschaftsdienst im Verhältnis zum Gesamtbedarf. Eine Bahnstrecke, auf der eine Lokomotive den gesamten Dienst verrichtet, bedarf in der Regel eine zweite Lokomotive, also 100% des Bestandes für den Bereitschaftsdienst. Andernfalls würde der Betrieb schon bei kleinen Beschädigungen der Lokomotive empfindliche Störungen erleiden. – Zur Erzielung einer wirtschaftlichen Betriebsführung ist großer Wert darauf zu legen, daß die Leistungsfähigkeit der einzelnen Lokomotivgattungen den Anforderungen des Verkehrs möglichst angepaßt wird. Eine Lokomotive arbeitet am billigsten, wenn ihre Leistungsfähigkeit voll ausgenutzt wird. Der Betrieb wird am billigsten, wenn die Zahl der Züge nicht größer ist, als unbedingt nötig. Wird nun die Lokomotive so gebaut, daß sie in der Lage ist, den schwersten vorkommenden Zug fortzubewegen, so ist auch dafür zu sorgen, daß diese Leistungsfähigkeit ausgenutzt wird. Durchaus unvorteilhaft ist die Verwendung von Vorspannlokomotiven, soweit es sich nicht um die Überwindung stark geneigter Teilstrecken handelt.

Die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven sind im Laufe der Zeit erheblich gestiegen. Nicht nur das Zuggewicht ist größer geworden (u. zw. allgemein bei allen Zuggattungen), sondern auch die Beförderungsgeschwindigkeit hat zugenommen. So ist z. B. das Zuggewicht der Schnellzüge von London nach Schottland, das 1864 100 t betrug, bis z. J. 1885 auf 250 t und bis z. J. 1903 auf 450 t gestiegen, während die Fahrgeschwindigkeit von 61 km auf 83 km i. d. St. anwuchs. Um solchen Ansprüchen zu genügen, mußten die Lokomotiven immer größer und schwerer gebaut werden. Die Zahl der Achsen, insbesondere die der Triebachsen wurde vermehrt, um das nötige Reibungsgewicht beim Anfahren und auf Steigungen zu gewinnen. Bei schnell fahrenden Lokomotiven trat das Drehgestell an die Stelle der vorderen Laufachse. Auf diese Weise entstanden nach amerikanischem Vorbild seit 1890 auch auf den europäischen Bahnen vierfünf- und sechsachsige Lokomotiven für den Personen- und Güterzugdienst, mit einer Leistungsfähigkeit bis 1800 Pferdestärken, einem Dienstgewicht von 77·6 t für die Lokomotive und 50·7 t für den Tender. Im Jahre 1910 fanden bereits bei 10 europäischen Eisenbahn Verwaltungen, abgesehen von den französischen und englischen, Geschwindigkeiten von 100 km in der Stunde regelmäßige Anwendung im Betrieb. Hierüber hinaus wurden Geschwindigkeiten über 100 km in der Stunde bis 129 km auf der französischen Ost-, Nord- und Orleansbahn und in größerem Umfange auch auf den englischen Bahnen angewendet. – Für die preuß.-hess. Staatsbahnen hat man berechnet, daß die Lokomotivleistungen vom Jahre 1894 bis zum Jahre 1909 im Schnell- und Eilzugdienst in Pferdekraftstunden um 565% zugenommen haben, im Personenzugdienst um 210%, im Güterzugdienst um 178%. Gleichzeitig war aber der Kohlenverbrauch – er betrug 1909 9,123.600 t im Werte von 114 Mill. M. – auf die Pferdekraftstunde berechnet, um 18% gefallen. Die durch Beschaffung leistungsfähiger Lokomotiven bewirkte Einschränkung der Vorspannleistungen hatte im Jahre 1909 eine Ersparnis von schätzungsweise 8 Mill. M. zur Folge. In anderer Weise werden die Fortschritte im Lokomotivbau dadurch gekennzeichnet, daß die Gewichtseinheit in t der fertigen Lokomotive heute rund 1000 M. kostet, das sind etwa 50% der Kosten für 1 t Lokomotivgewicht in der ersten Zeit der Eisenbahnen. Die Kosten, bezogen auf eine Pferdestärke, haben sich von einem Durchschnittswert von 240 M. auf 52 M. ermäßigt. Sie sind in 50 Jahren um 78% heruntergegangen. – Um größere Strecken ohne Aufenthalt durchfahren zu können, hat man den Wasserraum des Tenders für den gewöhnlichen Schnellzugsdienst bis auf 21·5 m3 und für besonders lange Strecken bis auf 32 m3 vergrößert. In Amerika sind sogar für besondere Zwecke sechsachsige Tender mit einem Wasserbehälter von 54·5 m3 Inhalt gebaut worden. In Deutschland können nunmehr Strecken wie Berlin-Hamburg (286·7 km), München-Würzburg (277·1 km), Berlin-Liegnitz (266·6 km), Berlin-Hannover (254·1 km) ohne Aufenthalt durchfahren werden, wobei die Schnellzüge im Gewichte von 500 t eine Geschwindigkeit von 100 km in der Stunde bei einem Triebraddurchmesser von 1·98 m erreichen.

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in den Werkstätten befindlichen Lokomotiven. Außerdem ist eine gewisse Zahl von Lokomotiven auf einzelnen Stationen für außergewöhnlichen Bedarf bei Sonderzügen und für Vorspannleistungen in Bereitschaft zu halten. Die Zahl der für einen solchen Bedarf vorzuhaltenden Lokomotiven kann aber dadurch eingeschränkt werden, daß die Untersuchungs- und Wiederherstellungsarbeiten in den Werkstätten zur Zeit des schwachen Verkehrs ausgeführt und daß die sonst nur einfach besetzten Lokomotiven für die Zeit außergewöhnlicher Inanspruchnahme der B. doppelt besetzt werden. &#x2013; Je geringer der Gesamtbedarf an Lokomotiven für den gewöhnlichen Dienst ist, desto größer ist vielfach der Bedarf für den Bereitschaftsdienst im Verhältnis zum Gesamtbedarf. Eine Bahnstrecke, auf der eine Lokomotive den gesamten Dienst verrichtet, bedarf in der Regel eine zweite Lokomotive, also 100<hi rendition="#i">%</hi> des Bestandes für den Bereitschaftsdienst. Andernfalls würde der Betrieb schon bei kleinen Beschädigungen der Lokomotive empfindliche Störungen erleiden. &#x2013; Zur Erzielung einer wirtschaftlichen Betriebsführung ist großer Wert darauf zu legen, daß die Leistungsfähigkeit der einzelnen Lokomotivgattungen den Anforderungen des Verkehrs möglichst angepaßt wird. Eine Lokomotive arbeitet am billigsten, wenn ihre Leistungsfähigkeit voll ausgenutzt wird. Der Betrieb wird am billigsten, wenn die Zahl der Züge nicht größer ist, als unbedingt nötig. Wird nun die Lokomotive so gebaut, daß sie in der Lage ist, den schwersten vorkommenden Zug fortzubewegen, so ist auch dafür zu sorgen, daß diese Leistungsfähigkeit ausgenutzt wird. Durchaus unvorteilhaft ist die Verwendung von Vorspannlokomotiven, soweit es sich nicht um die Überwindung stark geneigter Teilstrecken handelt.</p><lb/>
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[321/0331] in den Werkstätten befindlichen Lokomotiven. Außerdem ist eine gewisse Zahl von Lokomotiven auf einzelnen Stationen für außergewöhnlichen Bedarf bei Sonderzügen und für Vorspannleistungen in Bereitschaft zu halten. Die Zahl der für einen solchen Bedarf vorzuhaltenden Lokomotiven kann aber dadurch eingeschränkt werden, daß die Untersuchungs- und Wiederherstellungsarbeiten in den Werkstätten zur Zeit des schwachen Verkehrs ausgeführt und daß die sonst nur einfach besetzten Lokomotiven für die Zeit außergewöhnlicher Inanspruchnahme der B. doppelt besetzt werden. – Je geringer der Gesamtbedarf an Lokomotiven für den gewöhnlichen Dienst ist, desto größer ist vielfach der Bedarf für den Bereitschaftsdienst im Verhältnis zum Gesamtbedarf. Eine Bahnstrecke, auf der eine Lokomotive den gesamten Dienst verrichtet, bedarf in der Regel eine zweite Lokomotive, also 100% des Bestandes für den Bereitschaftsdienst. Andernfalls würde der Betrieb schon bei kleinen Beschädigungen der Lokomotive empfindliche Störungen erleiden. – Zur Erzielung einer wirtschaftlichen Betriebsführung ist großer Wert darauf zu legen, daß die Leistungsfähigkeit der einzelnen Lokomotivgattungen den Anforderungen des Verkehrs möglichst angepaßt wird. Eine Lokomotive arbeitet am billigsten, wenn ihre Leistungsfähigkeit voll ausgenutzt wird. Der Betrieb wird am billigsten, wenn die Zahl der Züge nicht größer ist, als unbedingt nötig. Wird nun die Lokomotive so gebaut, daß sie in der Lage ist, den schwersten vorkommenden Zug fortzubewegen, so ist auch dafür zu sorgen, daß diese Leistungsfähigkeit ausgenutzt wird. Durchaus unvorteilhaft ist die Verwendung von Vorspannlokomotiven, soweit es sich nicht um die Überwindung stark geneigter Teilstrecken handelt. Die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven sind im Laufe der Zeit erheblich gestiegen. Nicht nur das Zuggewicht ist größer geworden (u. zw. allgemein bei allen Zuggattungen), sondern auch die Beförderungsgeschwindigkeit hat zugenommen. So ist z. B. das Zuggewicht der Schnellzüge von London nach Schottland, das 1864 100 t betrug, bis z. J. 1885 auf 250 t und bis z. J. 1903 auf 450 t gestiegen, während die Fahrgeschwindigkeit von 61 km auf 83 km i. d. St. anwuchs. Um solchen Ansprüchen zu genügen, mußten die Lokomotiven immer größer und schwerer gebaut werden. Die Zahl der Achsen, insbesondere die der Triebachsen wurde vermehrt, um das nötige Reibungsgewicht beim Anfahren und auf Steigungen zu gewinnen. Bei schnell fahrenden Lokomotiven trat das Drehgestell an die Stelle der vorderen Laufachse. Auf diese Weise entstanden nach amerikanischem Vorbild seit 1890 auch auf den europäischen Bahnen vierfünf- und sechsachsige Lokomotiven für den Personen- und Güterzugdienst, mit einer Leistungsfähigkeit bis 1800 Pferdestärken, einem Dienstgewicht von 77·6 t für die Lokomotive und 50·7 t für den Tender. Im Jahre 1910 fanden bereits bei 10 europäischen Eisenbahn Verwaltungen, abgesehen von den französischen und englischen, Geschwindigkeiten von 100 km in der Stunde regelmäßige Anwendung im Betrieb. Hierüber hinaus wurden Geschwindigkeiten über 100 km in der Stunde bis 129 km auf der französischen Ost-, Nord- und Orleansbahn und in größerem Umfange auch auf den englischen Bahnen angewendet. – Für die preuß.-hess. Staatsbahnen hat man berechnet, daß die Lokomotivleistungen vom Jahre 1894 bis zum Jahre 1909 im Schnell- und Eilzugdienst in Pferdekraftstunden um 565% zugenommen haben, im Personenzugdienst um 210%, im Güterzugdienst um 178%. Gleichzeitig war aber der Kohlenverbrauch – er betrug 1909 9,123.600 t im Werte von 114 Mill. M. – auf die Pferdekraftstunde berechnet, um 18% gefallen. Die durch Beschaffung leistungsfähiger Lokomotiven bewirkte Einschränkung der Vorspannleistungen hatte im Jahre 1909 eine Ersparnis von schätzungsweise 8 Mill. M. zur Folge. In anderer Weise werden die Fortschritte im Lokomotivbau dadurch gekennzeichnet, daß die Gewichtseinheit in t der fertigen Lokomotive heute rund 1000 M. kostet, das sind etwa 50% der Kosten für 1 t Lokomotivgewicht in der ersten Zeit der Eisenbahnen. Die Kosten, bezogen auf eine Pferdestärke, haben sich von einem Durchschnittswert von 240 M. auf 52 M. ermäßigt. Sie sind in 50 Jahren um 78% heruntergegangen. – Um größere Strecken ohne Aufenthalt durchfahren zu können, hat man den Wasserraum des Tenders für den gewöhnlichen Schnellzugsdienst bis auf 21·5 m3 und für besonders lange Strecken bis auf 32 m3 vergrößert. In Amerika sind sogar für besondere Zwecke sechsachsige Tender mit einem Wasserbehälter von 54·5 m3 Inhalt gebaut worden. In Deutschland können nunmehr Strecken wie Berlin-Hamburg (286·7 km), München-Würzburg (277·1 km), Berlin-Liegnitz (266·6 km), Berlin-Hannover (254·1 km) ohne Aufenthalt durchfahren werden, wobei die Schnellzüge im Gewichte von 500 t eine Geschwindigkeit von 100 km in der Stunde bei einem Triebraddurchmesser von 1·98 m erreichen.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/331>, abgerufen am 19.07.2024.