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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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2. hinsichtlich der behördlich angestellten etatsmäßigen Beamten das diesen vorgesetzte Ministerium.

Der Disziplinarhof entscheidet in erster und einziger Instanz mit Ausschluß von Rechtsmitteln, vorbehaltlich des landesherrlichen Begnadigungsrechts. Die mündliche Verhandlung ist nicht öffentlich. Eine Wiederaufnahme des durch Entscheidung des Disziplinarhofs geschlossenen Verfahrens kann in den Fällen des § 399 der Strafprozeßordnung von dem Verurteilten, in den Fällen des § 402 der Strafprozeßordnung von dem Ministerium beantragt werden. Wegen der gleichen Anschuldigungstatsachen ist sie nur auf Grund neuer Beweise und während eines Zeitraumes von 5 Jahren, vom Tage des Einstellungsbeschlusses an, zulässig. Das Ministerium entscheidet über die Strafversetzung oder Dienstentlassung eines behördlich angestellten etatsmäßigen Beamten in kollegialer Beschlußfassung, vorbehaltlich des Rekurses an das Staatsministerium.

Bei den österreichischen Staatsbahnen übt das Eisenbahnministerium die volle Ordnungsstrafgewalt über das ganze Personal aus. Den Vorständen der dem Eisenbahnministerium unmittelbar unterstellten Behörden steht dieselbe Strafgewalt über die unterstehenden Bediensteten zu. Rügen sowie Geldbußen bis zur Höhe von 10 K können von den Dienstvorständen verhängt werden. Die Strafverfügung erfolgt schriftlich unter Angabe der Gründe. Gegen Ordnungsstrafen mit Ausnahme der vom Eisenbahnministerium verhängten kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Erkenntnisses eine einmalige Berufung an die übergeordnete Behörde im Dienstwege eingebracht werden.

Disziplinarstrafen können nur im Wege eines förmlichen Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden. Zur Einleitung des Disziplinarverfahrens ist der Vorstand der Behörde berufen, der der Bedienstete zu dieser Zeit untersteht. Zur Durchführung des Disziplinarverfahrens ist am Sitze jeder Staatsbahndirektion eine Disziplinarkammer errichtet. Diese besteht: 1. aus einem vom Eisenbahnministerium ernannten Vorsitzenden, 2. aus fünf vom Eisenbahnministerium ernannten stimmführenden Mitgliedern, 3. aus dreizehn durch das Los gebildeten, nach Bedienstetenkategorien und Dienstzweigen unterschiedenen Gruppen von je sechs stimmführenden Mitgliedern. Unfähig zur Aufnahme in eine Gruppe der Disziplinarkammer sind Bedienstete, die zur Zeit der Auslosung noch nicht 10 Jahre im Bahndienst stehen oder sich in Disziplinaruntersuchung befinden oder eine Disziplinarstrafe, die in ihren Rechtswirkungen noch nicht erloschen ist, erlitten haben. Die Berufung in die Disziplinarkammer kann nicht abgelehnt werden.

Die Geschäftsbehandlung bei den Disziplinarkammern ist durch eine besondere Geschäftsordnung (v. J. 1898) geregelt. Das Verfahren ist ein mündliches. Den Anträgen des Beschuldigten auf Erhebungen und Vernehmungen ist Folge zu geben. Die mündliche Verhandlung der Disziplinarkammer findet vor einem Disziplinarausschuß statt, der bei sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens aus dem Vorsitzenden der Disziplinarkammer und folgenden sechs Votanten bestehen muß: 1. zwei ernannten Mitgliedern der Disziplinarkammer, 2. drei Mitgliedern der durch Auslosung gebildeten Gruppe, die der Bedienstetenkategorie und der Verwendung des Beschuldigten entspricht, 3. dem Vorstande der Direktionsabteilung oder dem Stellvertreter des Vorstandes der Eisenbahnbauleitung, dem der Beschuldigte untersteht. Der Disziplinarausschuß hat seinen Beschluß über Schuld und Strafe in geheimer Beratung nach freier Überzeugung zu fassen. In dem Beschlüsse ist auszusprechen, daß der Disziplinarausschuß den Beschuldigten eines Dienstvergehens nach § 95 der Dienstordnung schuldig oder nichtschuldig erkenne. Im Falle der Schuldigsprechung ist darüber abzustimmen, welche Disziplinarstrafe zu verhängen ist. Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit der Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden gefaßt.

Ergibt sich während des Disziplinarverfahrens der Verdacht einer von dem Bediensteten begangenen, von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung, so ist die Anzeige an das zuständige Strafgericht zu erstatten. Die Disziplinaruntersuchung kann sodann bis zur rechtskräftigen Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens unterbrochen werden.

Das Erkenntnis des Disziplinarausschusses unterliegt der Bestätigung durch den Vorstand der dem Beschuldigten vorgesetzten Staatsbahndirektion oder Eisenbahnbauleitung. Dieser ist berechtigt, die Bestätigung ohne weiteres oder unter Milderung der vom Disziplinarausschuß ausgesprochenen Strafe zu erteilen, oder aber, wenn er das Erkenntnis in der Schuldfrage für verfehlt oder im Strafausmaß für zu milde erachtet, die Bestätigung zu versagen.

Gegen das vom Vorstande bestätigte, gemilderte oder zur Vorlage an den Disziplinarhof bestimmte Erkenntnis steht dem Beschuldigten binnen 14 Tagen, vom Zeitpunkte der Verkündung an gerechnet, die Berufung offen. Diese ist an den Disziplinarhof zu richten und im Dienstwege bei der vorgesetzten Behörde einzubringen. Die rechtzeitig eingelegte Berufung hat aufschiebende Wirkung. Verspätet eingelegte Berufungen sind zurückzuweisen.

Der beim Eisenbahnministerium errichtete Disziplinarhof, der zugleich die erste Instanz in Disziplinarsachen für die beim Ministerium beschäftigten Beamten bildet, besteht aus einem Sektionschef als Vorsitzenden und 12 ernannten Mitgliedern, die wenigstens in der VII. Rangklasse der Staatsbeamten oder in der V. Dienstklasse der Staatseisenbahnbeamten stehen müssen. Der Disziplinarhof faßt seine Beschlüsse in einem aus dem Vorsitzenden und sechs von diesem zu bestimmenden Mitgliedern bestehenden Senat. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Das Erkenntnis wird nach geheimer Beratung gefällt.

Bei den ungarischen Staatsbahnen wird die aus dem Amts- oder Dienstverhältnis entspringende Strafgewalt auf Grund einer vorliegenden Anklage der Eisenbahnverwaltung, gegenüber den mit Jahresgehalt angestellten durch den Disziplinarsenat in erster und zweiter Instanz, gegenüber den über drei Jahre dienenden Arbeitern und Taglöhnern durch den Extradisziplinarsenat ausgeübt.

Der Disziplinarsenat erster Instanz sowie der Extradisziplinarsenat werden zur Hälfte aus der Reihe der betreffenden Angestellten mittels geheimer Wahl gebildet, zur Hälfte aber von der Eisenbahndirektion ernannt.

Der Disziplinarsenat erster Instanz und der Extradisziplinarsenat bestehen aus je vier Mitgliedern und dem Präsidenten. Der Disziplinarsenat zweiter Instanz aus sechs Mitgliedern und dem Vorsitzenden, der nur dann stimmberechtigt ist, wenn eine gleiche Stimmenzahl vorliegt.

(Sämtliche Mitglieder des Senats legen einen besonderen Eid ab.)

Die Mitglieder 4es Disziplinarsenats zweiter Instanz werden durchweg ernannt. Der Präsident des letztgenannten Senats wird aus der Reihe des Generalinspektorats durch den ungarischen Handelsminister ernannt. Das Urteil des höheren Disziplinarsenats

2. hinsichtlich der behördlich angestellten etatsmäßigen Beamten das diesen vorgesetzte Ministerium.

Der Disziplinarhof entscheidet in erster und einziger Instanz mit Ausschluß von Rechtsmitteln, vorbehaltlich des landesherrlichen Begnadigungsrechts. Die mündliche Verhandlung ist nicht öffentlich. Eine Wiederaufnahme des durch Entscheidung des Disziplinarhofs geschlossenen Verfahrens kann in den Fällen des § 399 der Strafprozeßordnung von dem Verurteilten, in den Fällen des § 402 der Strafprozeßordnung von dem Ministerium beantragt werden. Wegen der gleichen Anschuldigungstatsachen ist sie nur auf Grund neuer Beweise und während eines Zeitraumes von 5 Jahren, vom Tage des Einstellungsbeschlusses an, zulässig. Das Ministerium entscheidet über die Strafversetzung oder Dienstentlassung eines behördlich angestellten etatsmäßigen Beamten in kollegialer Beschlußfassung, vorbehaltlich des Rekurses an das Staatsministerium.

Bei den österreichischen Staatsbahnen übt das Eisenbahnministerium die volle Ordnungsstrafgewalt über das ganze Personal aus. Den Vorständen der dem Eisenbahnministerium unmittelbar unterstellten Behörden steht dieselbe Strafgewalt über die unterstehenden Bediensteten zu. Rügen sowie Geldbußen bis zur Höhe von 10 K können von den Dienstvorständen verhängt werden. Die Strafverfügung erfolgt schriftlich unter Angabe der Gründe. Gegen Ordnungsstrafen mit Ausnahme der vom Eisenbahnministerium verhängten kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Erkenntnisses eine einmalige Berufung an die übergeordnete Behörde im Dienstwege eingebracht werden.

Disziplinarstrafen können nur im Wege eines förmlichen Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden. Zur Einleitung des Disziplinarverfahrens ist der Vorstand der Behörde berufen, der der Bedienstete zu dieser Zeit untersteht. Zur Durchführung des Disziplinarverfahrens ist am Sitze jeder Staatsbahndirektion eine Disziplinarkammer errichtet. Diese besteht: 1. aus einem vom Eisenbahnministerium ernannten Vorsitzenden, 2. aus fünf vom Eisenbahnministerium ernannten stimmführenden Mitgliedern, 3. aus dreizehn durch das Los gebildeten, nach Bedienstetenkategorien und Dienstzweigen unterschiedenen Gruppen von je sechs stimmführenden Mitgliedern. Unfähig zur Aufnahme in eine Gruppe der Disziplinarkammer sind Bedienstete, die zur Zeit der Auslosung noch nicht 10 Jahre im Bahndienst stehen oder sich in Disziplinaruntersuchung befinden oder eine Disziplinarstrafe, die in ihren Rechtswirkungen noch nicht erloschen ist, erlitten haben. Die Berufung in die Disziplinarkammer kann nicht abgelehnt werden.

Die Geschäftsbehandlung bei den Disziplinarkammern ist durch eine besondere Geschäftsordnung (v. J. 1898) geregelt. Das Verfahren ist ein mündliches. Den Anträgen des Beschuldigten auf Erhebungen und Vernehmungen ist Folge zu geben. Die mündliche Verhandlung der Disziplinarkammer findet vor einem Disziplinarausschuß statt, der bei sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens aus dem Vorsitzenden der Disziplinarkammer und folgenden sechs Votanten bestehen muß: 1. zwei ernannten Mitgliedern der Disziplinarkammer, 2. drei Mitgliedern der durch Auslosung gebildeten Gruppe, die der Bedienstetenkategorie und der Verwendung des Beschuldigten entspricht, 3. dem Vorstande der Direktionsabteilung oder dem Stellvertreter des Vorstandes der Eisenbahnbauleitung, dem der Beschuldigte untersteht. Der Disziplinarausschuß hat seinen Beschluß über Schuld und Strafe in geheimer Beratung nach freier Überzeugung zu fassen. In dem Beschlüsse ist auszusprechen, daß der Disziplinarausschuß den Beschuldigten eines Dienstvergehens nach § 95 der Dienstordnung schuldig oder nichtschuldig erkenne. Im Falle der Schuldigsprechung ist darüber abzustimmen, welche Disziplinarstrafe zu verhängen ist. Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit der Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden gefaßt.

Ergibt sich während des Disziplinarverfahrens der Verdacht einer von dem Bediensteten begangenen, von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung, so ist die Anzeige an das zuständige Strafgericht zu erstatten. Die Disziplinaruntersuchung kann sodann bis zur rechtskräftigen Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens unterbrochen werden.

Das Erkenntnis des Disziplinarausschusses unterliegt der Bestätigung durch den Vorstand der dem Beschuldigten vorgesetzten Staatsbahndirektion oder Eisenbahnbauleitung. Dieser ist berechtigt, die Bestätigung ohne weiteres oder unter Milderung der vom Disziplinarausschuß ausgesprochenen Strafe zu erteilen, oder aber, wenn er das Erkenntnis in der Schuldfrage für verfehlt oder im Strafausmaß für zu milde erachtet, die Bestätigung zu versagen.

Gegen das vom Vorstande bestätigte, gemilderte oder zur Vorlage an den Disziplinarhof bestimmte Erkenntnis steht dem Beschuldigten binnen 14 Tagen, vom Zeitpunkte der Verkündung an gerechnet, die Berufung offen. Diese ist an den Disziplinarhof zu richten und im Dienstwege bei der vorgesetzten Behörde einzubringen. Die rechtzeitig eingelegte Berufung hat aufschiebende Wirkung. Verspätet eingelegte Berufungen sind zurückzuweisen.

Der beim Eisenbahnministerium errichtete Disziplinarhof, der zugleich die erste Instanz in Disziplinarsachen für die beim Ministerium beschäftigten Beamten bildet, besteht aus einem Sektionschef als Vorsitzenden und 12 ernannten Mitgliedern, die wenigstens in der VII. Rangklasse der Staatsbeamten oder in der V. Dienstklasse der Staatseisenbahnbeamten stehen müssen. Der Disziplinarhof faßt seine Beschlüsse in einem aus dem Vorsitzenden und sechs von diesem zu bestimmenden Mitgliedern bestehenden Senat. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Das Erkenntnis wird nach geheimer Beratung gefällt.

Bei den ungarischen Staatsbahnen wird die aus dem Amts- oder Dienstverhältnis entspringende Strafgewalt auf Grund einer vorliegenden Anklage der Eisenbahnverwaltung, gegenüber den mit Jahresgehalt angestellten durch den Disziplinarsenat in erster und zweiter Instanz, gegenüber den über drei Jahre dienenden Arbeitern und Taglöhnern durch den Extradisziplinarsenat ausgeübt.

Der Disziplinarsenat erster Instanz sowie der Extradisziplinarsenat werden zur Hälfte aus der Reihe der betreffenden Angestellten mittels geheimer Wahl gebildet, zur Hälfte aber von der Eisenbahndirektion ernannt.

Der Disziplinarsenat erster Instanz und der Extradisziplinarsenat bestehen aus je vier Mitgliedern und dem Präsidenten. Der Disziplinarsenat zweiter Instanz aus sechs Mitgliedern und dem Vorsitzenden, der nur dann stimmberechtigt ist, wenn eine gleiche Stimmenzahl vorliegt.

(Sämtliche Mitglieder des Senats legen einen besonderen Eid ab.)

Die Mitglieder 4es Disziplinarsenats zweiter Instanz werden durchweg ernannt. Der Präsident des letztgenannten Senats wird aus der Reihe des Generalinspektorats durch den ungarischen Handelsminister ernannt. Das Urteil des höheren Disziplinarsenats

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[389/0403] 2. hinsichtlich der behördlich angestellten etatsmäßigen Beamten das diesen vorgesetzte Ministerium. Der Disziplinarhof entscheidet in erster und einziger Instanz mit Ausschluß von Rechtsmitteln, vorbehaltlich des landesherrlichen Begnadigungsrechts. Die mündliche Verhandlung ist nicht öffentlich. Eine Wiederaufnahme des durch Entscheidung des Disziplinarhofs geschlossenen Verfahrens kann in den Fällen des § 399 der Strafprozeßordnung von dem Verurteilten, in den Fällen des § 402 der Strafprozeßordnung von dem Ministerium beantragt werden. Wegen der gleichen Anschuldigungstatsachen ist sie nur auf Grund neuer Beweise und während eines Zeitraumes von 5 Jahren, vom Tage des Einstellungsbeschlusses an, zulässig. Das Ministerium entscheidet über die Strafversetzung oder Dienstentlassung eines behördlich angestellten etatsmäßigen Beamten in kollegialer Beschlußfassung, vorbehaltlich des Rekurses an das Staatsministerium. Bei den österreichischen Staatsbahnen übt das Eisenbahnministerium die volle Ordnungsstrafgewalt über das ganze Personal aus. Den Vorständen der dem Eisenbahnministerium unmittelbar unterstellten Behörden steht dieselbe Strafgewalt über die unterstehenden Bediensteten zu. Rügen sowie Geldbußen bis zur Höhe von 10 K können von den Dienstvorständen verhängt werden. Die Strafverfügung erfolgt schriftlich unter Angabe der Gründe. Gegen Ordnungsstrafen mit Ausnahme der vom Eisenbahnministerium verhängten kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Erkenntnisses eine einmalige Berufung an die übergeordnete Behörde im Dienstwege eingebracht werden. Disziplinarstrafen können nur im Wege eines förmlichen Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden. Zur Einleitung des Disziplinarverfahrens ist der Vorstand der Behörde berufen, der der Bedienstete zu dieser Zeit untersteht. Zur Durchführung des Disziplinarverfahrens ist am Sitze jeder Staatsbahndirektion eine Disziplinarkammer errichtet. Diese besteht: 1. aus einem vom Eisenbahnministerium ernannten Vorsitzenden, 2. aus fünf vom Eisenbahnministerium ernannten stimmführenden Mitgliedern, 3. aus dreizehn durch das Los gebildeten, nach Bedienstetenkategorien und Dienstzweigen unterschiedenen Gruppen von je sechs stimmführenden Mitgliedern. Unfähig zur Aufnahme in eine Gruppe der Disziplinarkammer sind Bedienstete, die zur Zeit der Auslosung noch nicht 10 Jahre im Bahndienst stehen oder sich in Disziplinaruntersuchung befinden oder eine Disziplinarstrafe, die in ihren Rechtswirkungen noch nicht erloschen ist, erlitten haben. Die Berufung in die Disziplinarkammer kann nicht abgelehnt werden. Die Geschäftsbehandlung bei den Disziplinarkammern ist durch eine besondere Geschäftsordnung (v. J. 1898) geregelt. Das Verfahren ist ein mündliches. Den Anträgen des Beschuldigten auf Erhebungen und Vernehmungen ist Folge zu geben. Die mündliche Verhandlung der Disziplinarkammer findet vor einem Disziplinarausschuß statt, der bei sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens aus dem Vorsitzenden der Disziplinarkammer und folgenden sechs Votanten bestehen muß: 1. zwei ernannten Mitgliedern der Disziplinarkammer, 2. drei Mitgliedern der durch Auslosung gebildeten Gruppe, die der Bedienstetenkategorie und der Verwendung des Beschuldigten entspricht, 3. dem Vorstande der Direktionsabteilung oder dem Stellvertreter des Vorstandes der Eisenbahnbauleitung, dem der Beschuldigte untersteht. Der Disziplinarausschuß hat seinen Beschluß über Schuld und Strafe in geheimer Beratung nach freier Überzeugung zu fassen. In dem Beschlüsse ist auszusprechen, daß der Disziplinarausschuß den Beschuldigten eines Dienstvergehens nach § 95 der Dienstordnung schuldig oder nichtschuldig erkenne. Im Falle der Schuldigsprechung ist darüber abzustimmen, welche Disziplinarstrafe zu verhängen ist. Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit der Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden gefaßt. Ergibt sich während des Disziplinarverfahrens der Verdacht einer von dem Bediensteten begangenen, von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung, so ist die Anzeige an das zuständige Strafgericht zu erstatten. Die Disziplinaruntersuchung kann sodann bis zur rechtskräftigen Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens unterbrochen werden. Das Erkenntnis des Disziplinarausschusses unterliegt der Bestätigung durch den Vorstand der dem Beschuldigten vorgesetzten Staatsbahndirektion oder Eisenbahnbauleitung. Dieser ist berechtigt, die Bestätigung ohne weiteres oder unter Milderung der vom Disziplinarausschuß ausgesprochenen Strafe zu erteilen, oder aber, wenn er das Erkenntnis in der Schuldfrage für verfehlt oder im Strafausmaß für zu milde erachtet, die Bestätigung zu versagen. Gegen das vom Vorstande bestätigte, gemilderte oder zur Vorlage an den Disziplinarhof bestimmte Erkenntnis steht dem Beschuldigten binnen 14 Tagen, vom Zeitpunkte der Verkündung an gerechnet, die Berufung offen. Diese ist an den Disziplinarhof zu richten und im Dienstwege bei der vorgesetzten Behörde einzubringen. Die rechtzeitig eingelegte Berufung hat aufschiebende Wirkung. Verspätet eingelegte Berufungen sind zurückzuweisen. Der beim Eisenbahnministerium errichtete Disziplinarhof, der zugleich die erste Instanz in Disziplinarsachen für die beim Ministerium beschäftigten Beamten bildet, besteht aus einem Sektionschef als Vorsitzenden und 12 ernannten Mitgliedern, die wenigstens in der VII. Rangklasse der Staatsbeamten oder in der V. Dienstklasse der Staatseisenbahnbeamten stehen müssen. Der Disziplinarhof faßt seine Beschlüsse in einem aus dem Vorsitzenden und sechs von diesem zu bestimmenden Mitgliedern bestehenden Senat. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Das Erkenntnis wird nach geheimer Beratung gefällt. Bei den ungarischen Staatsbahnen wird die aus dem Amts- oder Dienstverhältnis entspringende Strafgewalt auf Grund einer vorliegenden Anklage der Eisenbahnverwaltung, gegenüber den mit Jahresgehalt angestellten durch den Disziplinarsenat in erster und zweiter Instanz, gegenüber den über drei Jahre dienenden Arbeitern und Taglöhnern durch den Extradisziplinarsenat ausgeübt. Der Disziplinarsenat erster Instanz sowie der Extradisziplinarsenat werden zur Hälfte aus der Reihe der betreffenden Angestellten mittels geheimer Wahl gebildet, zur Hälfte aber von der Eisenbahndirektion ernannt. Der Disziplinarsenat erster Instanz und der Extradisziplinarsenat bestehen aus je vier Mitgliedern und dem Präsidenten. Der Disziplinarsenat zweiter Instanz aus sechs Mitgliedern und dem Vorsitzenden, der nur dann stimmberechtigt ist, wenn eine gleiche Stimmenzahl vorliegt. (Sämtliche Mitglieder des Senats legen einen besonderen Eid ab.) Die Mitglieder 4es Disziplinarsenats zweiter Instanz werden durchweg ernannt. Der Präsident des letztgenannten Senats wird aus der Reihe des Generalinspektorats durch den ungarischen Handelsminister ernannt. Das Urteil des höheren Disziplinarsenats

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/403>, abgerufen am 01.11.2024.