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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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gebildeten Disziplinarkammer für richterliche Beamte, ferner je 2-6 Beamten aus dem Geschäftskreise des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten und der erforderlichen Anzahl von Stellvertretern. Die Disziplinarkammer entscheidet mit Einschluß des Präsidenten in der Besetzung von 5 Mitgliedern. Der Disziplinarhof hat seinen Sitz in München. Er besteht aus einem Präsidenten, den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Disziplinarhofs für richterliche Beamte, ferner je 3 bis 6 Beamten aus dem Geschäftskreise des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten und der erforderlichen Zahl von Stellvertretern. Der Disziplinarhof entscheidet mit Einschluß des Präsidenten in der Besetzung von 7 Mitgliedern.

Bei den sächsischen Staatseisenbahnen ist das Disziplinarverfahren für Staatseisenbahnbeamte, die Zivilstaatsdiener sind, durch das Gesetz vom 3. Juni 1876 geordnet. Das entscheidende Disziplinargericht bildet in erster Instanz die Disziplinarkammer, in zweiter Instanz der Disziplinarhof. Gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer steht dem Angeschuldigten und dem als Staatsanwalt fungierenden Beamten binnen 10 Tagen, von der Bekanntmachung an gerechnet, das Rechtsmittel der Berufung zu. Über die Berufung entscheidet der Disziplinarhof, dessen Entscheidungen endgültige sind. Bezüglich der Erteilung von Verweisen und Verhängung von Geldstrafen ist in den "Allgemeinen Dienstvorschriften für die Beamten der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen" vom 14. Februar 1898 bestimmt, daß über die Veranlassung zu dem disziplinaren Einschreiten, die Erklärung des angeschuldigten Beamten und die Verfügung der Disziplinarstrafe, soweit nicht darüber ein aktenmäßiger Nachweis vorhanden ist, ein Protokoll aufzunehmen ist. Dieser Vorschrift kann dadurch genügt werden, daß der angeschuldigte Beamte von der bestehenden Absicht, ihn auf die erstattete Anzeige hin mit einer Disziplinarstrafe (Verweis oder Geldstrafe) zu belegen, schriftlich in Kenntnis gesetzt wird mit dem Anheimstellen, binnen 8 Tagen das zu seiner Rechtfertigung oder Entschuldigung Dienliche geltend zu machen. Erfolgt keine genügende Rechtfertigung oder räumt er die vorgekommene Pflichtverletzung ein, so ist dann die Bestrafung sofort und ohne weitere Förmlichkeit zu vollziehen. Gegen die Verfügung einer der vorgedachten Disziplinarstrafen steht dem Betroffenen Beschwerde an die der verfügenden Dienststelle nächstvorgesetzte Stelle und, wenn die Generaldirektion die Strafe verfügte, an das Finanzministerium zu.

Bei den württembergischen Staatseisenbahnen ist gemäß dem Beamtengesetz vom 28. Juni 1876/23. Juli 1910 für das förmliche Disziplinarverfahren die in erster und einziger Instanz entscheidende Behörde der Disziplinarhof. Er besteht aus 9 Mitgliedern einschließlich des Vorstandes. Der Vorstand und vier andere Mitglieder müssen ein Richteramt, die übrigen Mitglieder ein Staatsamt bekleiden. Die mündliche Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Disziplinarsachen erfolgt durch 7 Mitglieder, einschließlich des Vorsitzenden. Der Vorsitzende und drei andere Mitglieder müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören. Zur Fassung anderer Beschlüsse des Disziplinarhofs ist die Zahl von 5 Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, genügend. Die Mitglieder werden durch königliche Entschließung für die Dauer des zur Zeit der Ernennung von ihnen bekleideten Amtes ernannt.

In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mitteilung der Anschuldigungspunkte vorgeladen. Er wird, wenn er erscheint, mit seinen Erklärungen und Anträgen gehört. Die Zeugen werden, nach Befinden eidlich, vernommen und die sonstigen Beweise erhoben. Nach geschlossener Voruntersuchung ist dem Angeschuldigten der Inhalt der erhobenen Beweismittel mitzuteilen. Darauf werden die Akten mit dem Antrage des Staatsanwalts dem Ministerium vorgelegt, das entweder das Verfahren einstellen und geeignetenfalls eine in seine Zuständigkeit fallende Ordnungsstrafe verhängen oder die Verweisung der Sache an den Disziplinarhof beschließen kann. Die Urteile des Disziplinarhofs unterliegen weder dem Einsprüche noch einem ordentlichen Rechtsmittel; dagegen kann sowohl vom Ministerium wie auch vom Verurteilten die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens bei dem Disziplinarhofe aus solchen Gründen beantragt werden, die nach der Strafprozeßordnung die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil beendigten Strafverfahrens auf den Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Verurteilten rechtfertigen. Ein Antrag, der auf die Behauptung einer strafbaren Handlung als den gesetzlichen Grund der Wiederaufnahme gestützt werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Handlung eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann.

Zum Nachteil eines Freigesprochenen oder eines Verurteilten findet die Wiederaufnahme des Verfahrens nur vor Ablauf von 5 Jahren vom Tage der betreffenden Entscheidung an statt.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens ist schriftlich zu stellen; er muß den gesetzlichen Grund der Wiederaufnahme sowie die Beweismittel angeben. Über die Zulässigkeit des Antrags entscheidet der Disziplinarhof ohne mündliche Verhandlung. Wird der Antrag für zulässig befunden, so verordnet der Disziplinarhof die Aufnahme der angetretenen Beweise durch einen beauftragten Beamten. Nach dem Schlüsse der Beweisaufnahme sind die Antragsteller und dessen Gegner unter Bestimmung einer Frist zur ferneren Erklärung aufzufordern. Der Antrag wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die aufgestellten Behauptungen nach dem Ermessen des Disziplinarhofs durch die erhobenen Beweise keine genügende Bestätigung gefunden haben. Andernfalls verordnet der Disziplinarhof die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der mündlichen Verhandlung.

Einem früher Verurteilten, dessen Schuldlosigkeit an den Tag kommt, ist der von ihm nicht verschuldete Schaden durch die Staatskasse zu ersetzen, vorbehaltlich des Rückgriffs an die Schuldigen. Insoweit im förmlichen Disziplinarverfahren der Angeschuldigte verurteilt wird, ist er schuldig, die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise zu erstatten. Hierüber entscheidet der Disziplinarhof. Wird das Verfahren eingestellt, weil der Angeschuldigte seine Entlassung aus dem Amte mit Verzicht auf Titel, Gehalt und Pensionsanspruch nachgesucht hat, so fallen ihm die Kosten des Verfahrens zur Last.

Für die Bediensteten der badischen Staatseisenbahnen ist nach dem Beamtengesetz vom 12. August 1908 zur Verhängung der Strafversetzung und Dienstentlassung zuständig:

1. hinsichtlich der landesherrlich angestellten Beamten der Disziplinarhof,

gebildeten Disziplinarkammer für richterliche Beamte, ferner je 2–6 Beamten aus dem Geschäftskreise des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten und der erforderlichen Anzahl von Stellvertretern. Die Disziplinarkammer entscheidet mit Einschluß des Präsidenten in der Besetzung von 5 Mitgliedern. Der Disziplinarhof hat seinen Sitz in München. Er besteht aus einem Präsidenten, den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Disziplinarhofs für richterliche Beamte, ferner je 3 bis 6 Beamten aus dem Geschäftskreise des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten und der erforderlichen Zahl von Stellvertretern. Der Disziplinarhof entscheidet mit Einschluß des Präsidenten in der Besetzung von 7 Mitgliedern.

Bei den sächsischen Staatseisenbahnen ist das Disziplinarverfahren für Staatseisenbahnbeamte, die Zivilstaatsdiener sind, durch das Gesetz vom 3. Juni 1876 geordnet. Das entscheidende Disziplinargericht bildet in erster Instanz die Disziplinarkammer, in zweiter Instanz der Disziplinarhof. Gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer steht dem Angeschuldigten und dem als Staatsanwalt fungierenden Beamten binnen 10 Tagen, von der Bekanntmachung an gerechnet, das Rechtsmittel der Berufung zu. Über die Berufung entscheidet der Disziplinarhof, dessen Entscheidungen endgültige sind. Bezüglich der Erteilung von Verweisen und Verhängung von Geldstrafen ist in den „Allgemeinen Dienstvorschriften für die Beamten der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen“ vom 14. Februar 1898 bestimmt, daß über die Veranlassung zu dem disziplinaren Einschreiten, die Erklärung des angeschuldigten Beamten und die Verfügung der Disziplinarstrafe, soweit nicht darüber ein aktenmäßiger Nachweis vorhanden ist, ein Protokoll aufzunehmen ist. Dieser Vorschrift kann dadurch genügt werden, daß der angeschuldigte Beamte von der bestehenden Absicht, ihn auf die erstattete Anzeige hin mit einer Disziplinarstrafe (Verweis oder Geldstrafe) zu belegen, schriftlich in Kenntnis gesetzt wird mit dem Anheimstellen, binnen 8 Tagen das zu seiner Rechtfertigung oder Entschuldigung Dienliche geltend zu machen. Erfolgt keine genügende Rechtfertigung oder räumt er die vorgekommene Pflichtverletzung ein, so ist dann die Bestrafung sofort und ohne weitere Förmlichkeit zu vollziehen. Gegen die Verfügung einer der vorgedachten Disziplinarstrafen steht dem Betroffenen Beschwerde an die der verfügenden Dienststelle nächstvorgesetzte Stelle und, wenn die Generaldirektion die Strafe verfügte, an das Finanzministerium zu.

Bei den württembergischen Staatseisenbahnen ist gemäß dem Beamtengesetz vom 28. Juni 1876/23. Juli 1910 für das förmliche Disziplinarverfahren die in erster und einziger Instanz entscheidende Behörde der Disziplinarhof. Er besteht aus 9 Mitgliedern einschließlich des Vorstandes. Der Vorstand und vier andere Mitglieder müssen ein Richteramt, die übrigen Mitglieder ein Staatsamt bekleiden. Die mündliche Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Disziplinarsachen erfolgt durch 7 Mitglieder, einschließlich des Vorsitzenden. Der Vorsitzende und drei andere Mitglieder müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören. Zur Fassung anderer Beschlüsse des Disziplinarhofs ist die Zahl von 5 Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, genügend. Die Mitglieder werden durch königliche Entschließung für die Dauer des zur Zeit der Ernennung von ihnen bekleideten Amtes ernannt.

In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mitteilung der Anschuldigungspunkte vorgeladen. Er wird, wenn er erscheint, mit seinen Erklärungen und Anträgen gehört. Die Zeugen werden, nach Befinden eidlich, vernommen und die sonstigen Beweise erhoben. Nach geschlossener Voruntersuchung ist dem Angeschuldigten der Inhalt der erhobenen Beweismittel mitzuteilen. Darauf werden die Akten mit dem Antrage des Staatsanwalts dem Ministerium vorgelegt, das entweder das Verfahren einstellen und geeignetenfalls eine in seine Zuständigkeit fallende Ordnungsstrafe verhängen oder die Verweisung der Sache an den Disziplinarhof beschließen kann. Die Urteile des Disziplinarhofs unterliegen weder dem Einsprüche noch einem ordentlichen Rechtsmittel; dagegen kann sowohl vom Ministerium wie auch vom Verurteilten die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens bei dem Disziplinarhofe aus solchen Gründen beantragt werden, die nach der Strafprozeßordnung die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil beendigten Strafverfahrens auf den Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Verurteilten rechtfertigen. Ein Antrag, der auf die Behauptung einer strafbaren Handlung als den gesetzlichen Grund der Wiederaufnahme gestützt werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Handlung eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann.

Zum Nachteil eines Freigesprochenen oder eines Verurteilten findet die Wiederaufnahme des Verfahrens nur vor Ablauf von 5 Jahren vom Tage der betreffenden Entscheidung an statt.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens ist schriftlich zu stellen; er muß den gesetzlichen Grund der Wiederaufnahme sowie die Beweismittel angeben. Über die Zulässigkeit des Antrags entscheidet der Disziplinarhof ohne mündliche Verhandlung. Wird der Antrag für zulässig befunden, so verordnet der Disziplinarhof die Aufnahme der angetretenen Beweise durch einen beauftragten Beamten. Nach dem Schlüsse der Beweisaufnahme sind die Antragsteller und dessen Gegner unter Bestimmung einer Frist zur ferneren Erklärung aufzufordern. Der Antrag wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die aufgestellten Behauptungen nach dem Ermessen des Disziplinarhofs durch die erhobenen Beweise keine genügende Bestätigung gefunden haben. Andernfalls verordnet der Disziplinarhof die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der mündlichen Verhandlung.

Einem früher Verurteilten, dessen Schuldlosigkeit an den Tag kommt, ist der von ihm nicht verschuldete Schaden durch die Staatskasse zu ersetzen, vorbehaltlich des Rückgriffs an die Schuldigen. Insoweit im förmlichen Disziplinarverfahren der Angeschuldigte verurteilt wird, ist er schuldig, die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise zu erstatten. Hierüber entscheidet der Disziplinarhof. Wird das Verfahren eingestellt, weil der Angeschuldigte seine Entlassung aus dem Amte mit Verzicht auf Titel, Gehalt und Pensionsanspruch nachgesucht hat, so fallen ihm die Kosten des Verfahrens zur Last.

Für die Bediensteten der badischen Staatseisenbahnen ist nach dem Beamtengesetz vom 12. August 1908 zur Verhängung der Strafversetzung und Dienstentlassung zuständig:

1. hinsichtlich der landesherrlich angestellten Beamten der Disziplinarhof,

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[388/0402] gebildeten Disziplinarkammer für richterliche Beamte, ferner je 2–6 Beamten aus dem Geschäftskreise des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten und der erforderlichen Anzahl von Stellvertretern. Die Disziplinarkammer entscheidet mit Einschluß des Präsidenten in der Besetzung von 5 Mitgliedern. Der Disziplinarhof hat seinen Sitz in München. Er besteht aus einem Präsidenten, den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Disziplinarhofs für richterliche Beamte, ferner je 3 bis 6 Beamten aus dem Geschäftskreise des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten und der erforderlichen Zahl von Stellvertretern. Der Disziplinarhof entscheidet mit Einschluß des Präsidenten in der Besetzung von 7 Mitgliedern. Bei den sächsischen Staatseisenbahnen ist das Disziplinarverfahren für Staatseisenbahnbeamte, die Zivilstaatsdiener sind, durch das Gesetz vom 3. Juni 1876 geordnet. Das entscheidende Disziplinargericht bildet in erster Instanz die Disziplinarkammer, in zweiter Instanz der Disziplinarhof. Gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer steht dem Angeschuldigten und dem als Staatsanwalt fungierenden Beamten binnen 10 Tagen, von der Bekanntmachung an gerechnet, das Rechtsmittel der Berufung zu. Über die Berufung entscheidet der Disziplinarhof, dessen Entscheidungen endgültige sind. Bezüglich der Erteilung von Verweisen und Verhängung von Geldstrafen ist in den „Allgemeinen Dienstvorschriften für die Beamten der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen“ vom 14. Februar 1898 bestimmt, daß über die Veranlassung zu dem disziplinaren Einschreiten, die Erklärung des angeschuldigten Beamten und die Verfügung der Disziplinarstrafe, soweit nicht darüber ein aktenmäßiger Nachweis vorhanden ist, ein Protokoll aufzunehmen ist. Dieser Vorschrift kann dadurch genügt werden, daß der angeschuldigte Beamte von der bestehenden Absicht, ihn auf die erstattete Anzeige hin mit einer Disziplinarstrafe (Verweis oder Geldstrafe) zu belegen, schriftlich in Kenntnis gesetzt wird mit dem Anheimstellen, binnen 8 Tagen das zu seiner Rechtfertigung oder Entschuldigung Dienliche geltend zu machen. Erfolgt keine genügende Rechtfertigung oder räumt er die vorgekommene Pflichtverletzung ein, so ist dann die Bestrafung sofort und ohne weitere Förmlichkeit zu vollziehen. Gegen die Verfügung einer der vorgedachten Disziplinarstrafen steht dem Betroffenen Beschwerde an die der verfügenden Dienststelle nächstvorgesetzte Stelle und, wenn die Generaldirektion die Strafe verfügte, an das Finanzministerium zu. Bei den württembergischen Staatseisenbahnen ist gemäß dem Beamtengesetz vom 28. Juni 1876/23. Juli 1910 für das förmliche Disziplinarverfahren die in erster und einziger Instanz entscheidende Behörde der Disziplinarhof. Er besteht aus 9 Mitgliedern einschließlich des Vorstandes. Der Vorstand und vier andere Mitglieder müssen ein Richteramt, die übrigen Mitglieder ein Staatsamt bekleiden. Die mündliche Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Disziplinarsachen erfolgt durch 7 Mitglieder, einschließlich des Vorsitzenden. Der Vorsitzende und drei andere Mitglieder müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören. Zur Fassung anderer Beschlüsse des Disziplinarhofs ist die Zahl von 5 Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, genügend. Die Mitglieder werden durch königliche Entschließung für die Dauer des zur Zeit der Ernennung von ihnen bekleideten Amtes ernannt. In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mitteilung der Anschuldigungspunkte vorgeladen. Er wird, wenn er erscheint, mit seinen Erklärungen und Anträgen gehört. Die Zeugen werden, nach Befinden eidlich, vernommen und die sonstigen Beweise erhoben. Nach geschlossener Voruntersuchung ist dem Angeschuldigten der Inhalt der erhobenen Beweismittel mitzuteilen. Darauf werden die Akten mit dem Antrage des Staatsanwalts dem Ministerium vorgelegt, das entweder das Verfahren einstellen und geeignetenfalls eine in seine Zuständigkeit fallende Ordnungsstrafe verhängen oder die Verweisung der Sache an den Disziplinarhof beschließen kann. Die Urteile des Disziplinarhofs unterliegen weder dem Einsprüche noch einem ordentlichen Rechtsmittel; dagegen kann sowohl vom Ministerium wie auch vom Verurteilten die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens bei dem Disziplinarhofe aus solchen Gründen beantragt werden, die nach der Strafprozeßordnung die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil beendigten Strafverfahrens auf den Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Verurteilten rechtfertigen. Ein Antrag, der auf die Behauptung einer strafbaren Handlung als den gesetzlichen Grund der Wiederaufnahme gestützt werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Handlung eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Zum Nachteil eines Freigesprochenen oder eines Verurteilten findet die Wiederaufnahme des Verfahrens nur vor Ablauf von 5 Jahren vom Tage der betreffenden Entscheidung an statt. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens ist schriftlich zu stellen; er muß den gesetzlichen Grund der Wiederaufnahme sowie die Beweismittel angeben. Über die Zulässigkeit des Antrags entscheidet der Disziplinarhof ohne mündliche Verhandlung. Wird der Antrag für zulässig befunden, so verordnet der Disziplinarhof die Aufnahme der angetretenen Beweise durch einen beauftragten Beamten. Nach dem Schlüsse der Beweisaufnahme sind die Antragsteller und dessen Gegner unter Bestimmung einer Frist zur ferneren Erklärung aufzufordern. Der Antrag wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die aufgestellten Behauptungen nach dem Ermessen des Disziplinarhofs durch die erhobenen Beweise keine genügende Bestätigung gefunden haben. Andernfalls verordnet der Disziplinarhof die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der mündlichen Verhandlung. Einem früher Verurteilten, dessen Schuldlosigkeit an den Tag kommt, ist der von ihm nicht verschuldete Schaden durch die Staatskasse zu ersetzen, vorbehaltlich des Rückgriffs an die Schuldigen. Insoweit im förmlichen Disziplinarverfahren der Angeschuldigte verurteilt wird, ist er schuldig, die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise zu erstatten. Hierüber entscheidet der Disziplinarhof. Wird das Verfahren eingestellt, weil der Angeschuldigte seine Entlassung aus dem Amte mit Verzicht auf Titel, Gehalt und Pensionsanspruch nachgesucht hat, so fallen ihm die Kosten des Verfahrens zur Last. Für die Bediensteten der badischen Staatseisenbahnen ist nach dem Beamtengesetz vom 12. August 1908 zur Verhängung der Strafversetzung und Dienstentlassung zuständig: 1. hinsichtlich der landesherrlich angestellten Beamten der Disziplinarhof,

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/402>, abgerufen am 01.11.2024.