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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913.

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zumal in ihm eine stetig zunehmende Betätigung der Selbstverwaltungskörper (Länder, Bezirke, Gemeinden) als Bau- und Betriebsunternehmer stattfindet. Diese bildet eine Analogie zu der Funktion des Staates im Bahnwesen höherer Ordnung, wie sie in den europäischen Staaten den vorläufigen Abschluß und einstweiligen Ruhepunkt der eisenbahnpolitischen Entwicklung darstellt.

C. Geschichte der E. In der Geschichte der E. sind zwei Hauptrichtungen zu unterscheiden: die eine, die in den frühesten Entwicklungsstadien überwiegend war, als obersten Zweck die Förderung des Zustandekommens von Schienenwegen verfolgte und diese von der möglichst freien Betätigung des privaten Unternehmungsgeistes erhoffte; die andere, die auf die möglichst ausgedehnte Wahrung des im Staatswillen verkörperten öffentlichen Interesses bei den Eisenbahnen den entscheidenden Wert legt und dieser Rücksicht die übrigen Gesichtspunkte unterordnet.

Es liegt in der Natur des fortschreitenden Übergewichtes der staatlichen Wohlfahrtspflege im Bereiche der Volkswirtschaft, daß die zweite der genannten Hauptrichtungen, von einigen Ausnahmefällen abgesehen, erst in den späteren Entwicklungsphasen des Eisenbahnwesens mit der Verbreitung sozialpolitischer Anschauungen herrschend hervortritt, wenn auch einzelne Ansätze dieser Richtung von Anfang an in den verschiedensten Ländern wahrnehmbar sind und meist in gewissen grundlegenden Bestimmungen der Eisenbahngesetzgebung Ausdruck gefunden haben.

England ist das Land, dem dank der genialen Erfindung der Stephensonschen Dampflokomotive, die Ausbildung der von alters her im Bergwerksbetriebe üblichen Spurbahnen zu der Grundform der modernen Eisenbahnen angehört. Die Verwendung von Schienenwegen mit tierischer Zugkraft als öffentliches Transportmittel ist übrigens zuerst in Österreich durch die Sicherstellung des Baues der mit Allerh. Privilegium vom 7. September 1824 konzessionierten "Holz- und Eisenbahn" Linz-Budweis, der 1832 Linz-Lambach-Gmunden folgte, u. zw. schon zu einer Zeit durchgedrungen, als in England noch die den Zeitraum 1824-1826 ausfüllenden parlamentarischen Verhandlungen über die Bill der ersten großen Eisenbahn Liverpool-Manchester (eröffnet 17. September 1830) in der Schwebe waren. Erst 1833-1835 folgten in England weitere Konzessionen für größere Eisenbahnlinien. Die durch Fusion (amalgamation) gebildeten mächtigen Bahngesellschaften und wiederholte Versuche des Parlaments, zum Schutze des Publikums durch Gesetzgebungsmaßnahmen einzugreifen, kennzeichnen die weitere Entwicklung der englischen E.1. Die Kolonien besitzen vielfach eigene Staatsbahnen (Indien, Südafrika, Australische Bundesstaaten, letztere ausschließlich nur Staatsbahnen).

Gleichwie in England verlaufen auch in Nordamerika die Anfänge des Eisenbahnwesens in der vollständigen Herrschaft des Privatbahnsystems bei unbeschränkter Zulassung der Konkurrenzbahnen, denen allerdings bei der Aufschließung und Besiedelung des Landes die führende Rolle zufiel, so daß die Eisenbahnen bis in die Jüngste Zeit als Wohltäter gepriesen wurden, und in scharfen Wettbewerbskämpfen der Gesellschaften untereinander, die früher oder später damit endigten, daß einzelne Großspekulanten ("Eisenbahnkönige") durch Aktienkauf, Verschmelzung oder Betriebsverträge große Bahnnetze unter ihren maßgebenden Einfluß brachten und diese Monopolstellung dann rücksichtslos zu ihrem Vorteil ausbeuteten (Vanderbilts Kampf mit dem Eriekanal, Fisk, Jay Gould, Daniel Drew, neuestens Harriman), bis sich Einzelstaaten und Bund zu scharfen gesetzgeberischen Gegenmaßregeln (Interstate commerce law, Verbot der Pools u. a. m.) aufrafften. Ihre Durchführung ist zum Teil von der Unsicherheit richterlicher Entscheidungen beeinflußt, die die Bahnen im Streitfalle anrufen.

Ein Vorbild staatswirtschaftlicher Voraussicht hat zu Beginn des Eisenbahnzeitalters König Leopold I. für Belgien gegeben, für welches Land schon 1834 die Hauptlinien des Bahnnetzes nach den Anträgen Georg Stephensons planmäßig festgestellt wurden. Bereits am 1. Mai 1834 gelangte ein Gesetz in Kraft, durch das die Regierung ermächtigt wurde, 10 Millionen Francs zum Baue eines Netzes von Eisenbahnen zu verwenden.

Seit 1842 begann auch in Belgien der Bau von Privatbahnen. Man machte jedoch mit dem gemischten System keine guten Erfahrungen, weshalb im Laufe der Jahre eine Anzahl von Privatbahnen verstaatlicht wurde. Derzeit bestehen nur noch 6 selbständige Privatbahnen, die kleinere Linien betreiben. Den Bau und Betrieb von Vizinalbahnen, die in Belgien eine große Entwicklung genommen haben, besorgt die Societe nationale des chemins de fer vicinaux (s. Belgische Eisenbahnen und Belgische Nebenbahnen).

In Frankreich war die erste Bahn die Kohlenbahn St. Etienne-Andrezieux, 1823 konzessioniert, 1828 eröffnet. Auf Grund des

1 Vgl. Großbritanniens und Irlands Eisenbahnen.

zumal in ihm eine stetig zunehmende Betätigung der Selbstverwaltungskörper (Länder, Bezirke, Gemeinden) als Bau- und Betriebsunternehmer stattfindet. Diese bildet eine Analogie zu der Funktion des Staates im Bahnwesen höherer Ordnung, wie sie in den europäischen Staaten den vorläufigen Abschluß und einstweiligen Ruhepunkt der eisenbahnpolitischen Entwicklung darstellt.

C. Geschichte der E. In der Geschichte der E. sind zwei Hauptrichtungen zu unterscheiden: die eine, die in den frühesten Entwicklungsstadien überwiegend war, als obersten Zweck die Förderung des Zustandekommens von Schienenwegen verfolgte und diese von der möglichst freien Betätigung des privaten Unternehmungsgeistes erhoffte; die andere, die auf die möglichst ausgedehnte Wahrung des im Staatswillen verkörperten öffentlichen Interesses bei den Eisenbahnen den entscheidenden Wert legt und dieser Rücksicht die übrigen Gesichtspunkte unterordnet.

Es liegt in der Natur des fortschreitenden Übergewichtes der staatlichen Wohlfahrtspflege im Bereiche der Volkswirtschaft, daß die zweite der genannten Hauptrichtungen, von einigen Ausnahmefällen abgesehen, erst in den späteren Entwicklungsphasen des Eisenbahnwesens mit der Verbreitung sozialpolitischer Anschauungen herrschend hervortritt, wenn auch einzelne Ansätze dieser Richtung von Anfang an in den verschiedensten Ländern wahrnehmbar sind und meist in gewissen grundlegenden Bestimmungen der Eisenbahngesetzgebung Ausdruck gefunden haben.

England ist das Land, dem dank der genialen Erfindung der Stephensonschen Dampflokomotive, die Ausbildung der von alters her im Bergwerksbetriebe üblichen Spurbahnen zu der Grundform der modernen Eisenbahnen angehört. Die Verwendung von Schienenwegen mit tierischer Zugkraft als öffentliches Transportmittel ist übrigens zuerst in Österreich durch die Sicherstellung des Baues der mit Allerh. Privilegium vom 7. September 1824 konzessionierten „Holz- und Eisenbahn“ Linz-Budweis, der 1832 Linz-Lambach-Gmunden folgte, u. zw. schon zu einer Zeit durchgedrungen, als in England noch die den Zeitraum 1824–1826 ausfüllenden parlamentarischen Verhandlungen über die Bill der ersten großen Eisenbahn Liverpool-Manchester (eröffnet 17. September 1830) in der Schwebe waren. Erst 1833–1835 folgten in England weitere Konzessionen für größere Eisenbahnlinien. Die durch Fusion (amalgamation) gebildeten mächtigen Bahngesellschaften und wiederholte Versuche des Parlaments, zum Schutze des Publikums durch Gesetzgebungsmaßnahmen einzugreifen, kennzeichnen die weitere Entwicklung der englischen E.1. Die Kolonien besitzen vielfach eigene Staatsbahnen (Indien, Südafrika, Australische Bundesstaaten, letztere ausschließlich nur Staatsbahnen).

Gleichwie in England verlaufen auch in Nordamerika die Anfänge des Eisenbahnwesens in der vollständigen Herrschaft des Privatbahnsystems bei unbeschränkter Zulassung der Konkurrenzbahnen, denen allerdings bei der Aufschließung und Besiedelung des Landes die führende Rolle zufiel, so daß die Eisenbahnen bis in die Jüngste Zeit als Wohltäter gepriesen wurden, und in scharfen Wettbewerbskämpfen der Gesellschaften untereinander, die früher oder später damit endigten, daß einzelne Großspekulanten („Eisenbahnkönige“) durch Aktienkauf, Verschmelzung oder Betriebsverträge große Bahnnetze unter ihren maßgebenden Einfluß brachten und diese Monopolstellung dann rücksichtslos zu ihrem Vorteil ausbeuteten (Vanderbilts Kampf mit dem Eriekanal, Fisk, Jay Gould, Daniel Drew, neuestens Harriman), bis sich Einzelstaaten und Bund zu scharfen gesetzgeberischen Gegenmaßregeln (Interstate commerce law, Verbot der Pools u. a. m.) aufrafften. Ihre Durchführung ist zum Teil von der Unsicherheit richterlicher Entscheidungen beeinflußt, die die Bahnen im Streitfalle anrufen.

Ein Vorbild staatswirtschaftlicher Voraussicht hat zu Beginn des Eisenbahnzeitalters König Leopold I. für Belgien gegeben, für welches Land schon 1834 die Hauptlinien des Bahnnetzes nach den Anträgen Georg Stephensons planmäßig festgestellt wurden. Bereits am 1. Mai 1834 gelangte ein Gesetz in Kraft, durch das die Regierung ermächtigt wurde, 10 Millionen Francs zum Baue eines Netzes von Eisenbahnen zu verwenden.

Seit 1842 begann auch in Belgien der Bau von Privatbahnen. Man machte jedoch mit dem gemischten System keine guten Erfahrungen, weshalb im Laufe der Jahre eine Anzahl von Privatbahnen verstaatlicht wurde. Derzeit bestehen nur noch 6 selbständige Privatbahnen, die kleinere Linien betreiben. Den Bau und Betrieb von Vizinalbahnen, die in Belgien eine große Entwicklung genommen haben, besorgt die Société nationale des chemins de fer vicinaux (s. Belgische Eisenbahnen und Belgische Nebenbahnen).

In Frankreich war die erste Bahn die Kohlenbahn St. Etienne-Andrézieux, 1823 konzessioniert, 1828 eröffnet. Auf Grund des

1 Vgl. Großbritanniens und Irlands Eisenbahnen.
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[103/0112] zumal in ihm eine stetig zunehmende Betätigung der Selbstverwaltungskörper (Länder, Bezirke, Gemeinden) als Bau- und Betriebsunternehmer stattfindet. Diese bildet eine Analogie zu der Funktion des Staates im Bahnwesen höherer Ordnung, wie sie in den europäischen Staaten den vorläufigen Abschluß und einstweiligen Ruhepunkt der eisenbahnpolitischen Entwicklung darstellt. C. Geschichte der E. In der Geschichte der E. sind zwei Hauptrichtungen zu unterscheiden: die eine, die in den frühesten Entwicklungsstadien überwiegend war, als obersten Zweck die Förderung des Zustandekommens von Schienenwegen verfolgte und diese von der möglichst freien Betätigung des privaten Unternehmungsgeistes erhoffte; die andere, die auf die möglichst ausgedehnte Wahrung des im Staatswillen verkörperten öffentlichen Interesses bei den Eisenbahnen den entscheidenden Wert legt und dieser Rücksicht die übrigen Gesichtspunkte unterordnet. Es liegt in der Natur des fortschreitenden Übergewichtes der staatlichen Wohlfahrtspflege im Bereiche der Volkswirtschaft, daß die zweite der genannten Hauptrichtungen, von einigen Ausnahmefällen abgesehen, erst in den späteren Entwicklungsphasen des Eisenbahnwesens mit der Verbreitung sozialpolitischer Anschauungen herrschend hervortritt, wenn auch einzelne Ansätze dieser Richtung von Anfang an in den verschiedensten Ländern wahrnehmbar sind und meist in gewissen grundlegenden Bestimmungen der Eisenbahngesetzgebung Ausdruck gefunden haben. England ist das Land, dem dank der genialen Erfindung der Stephensonschen Dampflokomotive, die Ausbildung der von alters her im Bergwerksbetriebe üblichen Spurbahnen zu der Grundform der modernen Eisenbahnen angehört. Die Verwendung von Schienenwegen mit tierischer Zugkraft als öffentliches Transportmittel ist übrigens zuerst in Österreich durch die Sicherstellung des Baues der mit Allerh. Privilegium vom 7. September 1824 konzessionierten „Holz- und Eisenbahn“ Linz-Budweis, der 1832 Linz-Lambach-Gmunden folgte, u. zw. schon zu einer Zeit durchgedrungen, als in England noch die den Zeitraum 1824–1826 ausfüllenden parlamentarischen Verhandlungen über die Bill der ersten großen Eisenbahn Liverpool-Manchester (eröffnet 17. September 1830) in der Schwebe waren. Erst 1833–1835 folgten in England weitere Konzessionen für größere Eisenbahnlinien. Die durch Fusion (amalgamation) gebildeten mächtigen Bahngesellschaften und wiederholte Versuche des Parlaments, zum Schutze des Publikums durch Gesetzgebungsmaßnahmen einzugreifen, kennzeichnen die weitere Entwicklung der englischen E. 1. Die Kolonien besitzen vielfach eigene Staatsbahnen (Indien, Südafrika, Australische Bundesstaaten, letztere ausschließlich nur Staatsbahnen). Gleichwie in England verlaufen auch in Nordamerika die Anfänge des Eisenbahnwesens in der vollständigen Herrschaft des Privatbahnsystems bei unbeschränkter Zulassung der Konkurrenzbahnen, denen allerdings bei der Aufschließung und Besiedelung des Landes die führende Rolle zufiel, so daß die Eisenbahnen bis in die Jüngste Zeit als Wohltäter gepriesen wurden, und in scharfen Wettbewerbskämpfen der Gesellschaften untereinander, die früher oder später damit endigten, daß einzelne Großspekulanten („Eisenbahnkönige“) durch Aktienkauf, Verschmelzung oder Betriebsverträge große Bahnnetze unter ihren maßgebenden Einfluß brachten und diese Monopolstellung dann rücksichtslos zu ihrem Vorteil ausbeuteten (Vanderbilts Kampf mit dem Eriekanal, Fisk, Jay Gould, Daniel Drew, neuestens Harriman), bis sich Einzelstaaten und Bund zu scharfen gesetzgeberischen Gegenmaßregeln (Interstate commerce law, Verbot der Pools u. a. m.) aufrafften. Ihre Durchführung ist zum Teil von der Unsicherheit richterlicher Entscheidungen beeinflußt, die die Bahnen im Streitfalle anrufen. Ein Vorbild staatswirtschaftlicher Voraussicht hat zu Beginn des Eisenbahnzeitalters König Leopold I. für Belgien gegeben, für welches Land schon 1834 die Hauptlinien des Bahnnetzes nach den Anträgen Georg Stephensons planmäßig festgestellt wurden. Bereits am 1. Mai 1834 gelangte ein Gesetz in Kraft, durch das die Regierung ermächtigt wurde, 10 Millionen Francs zum Baue eines Netzes von Eisenbahnen zu verwenden. Seit 1842 begann auch in Belgien der Bau von Privatbahnen. Man machte jedoch mit dem gemischten System keine guten Erfahrungen, weshalb im Laufe der Jahre eine Anzahl von Privatbahnen verstaatlicht wurde. Derzeit bestehen nur noch 6 selbständige Privatbahnen, die kleinere Linien betreiben. Den Bau und Betrieb von Vizinalbahnen, die in Belgien eine große Entwicklung genommen haben, besorgt die Société nationale des chemins de fer vicinaux (s. Belgische Eisenbahnen und Belgische Nebenbahnen). In Frankreich war die erste Bahn die Kohlenbahn St. Etienne-Andrézieux, 1823 konzessioniert, 1828 eröffnet. Auf Grund des 1 Vgl. Großbritanniens und Irlands Eisenbahnen.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen04_1913/112>, abgerufen am 21.11.2024.