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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913.

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die Abgrenzung der beiden Gebiete des Strafunrechtes und Polizeiunrechtes vorwiegend von Zweckmäßigkeitsgründen abhängt, so auch auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens. Daher ergeben sich bedeutende zeitliche und örtliche Verschiedenheiten der einzelnen Gesetzgebungen und die Notwendigkeit, die gerichtlichen Straftaten im Zusammenhang mit den polizeilichen zu betrachten. An sich wären die Eisenbahnen und ihr Betrieb durch die allgemeinen Strafbestimmungen geschützt. Die höheren mit dem Betrieb verbundenen Gefahren, Unverständnis und Übelwollen der Bevölkerung gegenüber der neuen Einrichtung führten jedoch bald zu besonderen strengeren Strafbestimmungen, vielfach gaben die Eisenbahnen den Anstoß zur Aufstellung einer Gruppe von gemeingefährlichen Straftaten oder zur Ausbildung dieses Begriffes.

Die hierher gehörigen Bestimmungen sollen unmittelbar oder mittelbar den Schutz des Eisenbahnbetriebes sichern, je nachdem sich der Angriff gegen die Betriebsanlagen, den Betrieb selbst, die Sicherheit der zu befördernden Reisenden oder Güter, oder anderseits gegen die im Betriebsdienst stehenden Personen richtet. Einzelne dieser Straftaten können nur von Personen der letzterwähnten Art begangen werden, andere Personen kommen nur als Anstifter oder Mitschuldige in Betracht.

Neben diesen Straftaten gibt es solche, bei denen die Gefährdung oder Störung des Eisenbahnbetriebes entweder als Mittel zum Zweck oder als Begleiterscheinung auftritt (wie beim militärischen Staatsverrat oder beim Diebstahl an Betriebsgegenständen). Fälle dieser Art behandelt die Gesetzgebung entweder durch Zusammenfassung beider Tatbestände (Gesetzeskonkurrenz) oder durch Anwendung der Bestimmung über eintätiges Zusammentreffen (Idealkonkurrenz).

Einige dieser Straftaten sind auch in den Auslieferungsverträgen angeführt, so daß die Eisenbahnen vielfach strafrechtlich auch unter den Schutz des internationalen Rechtes gestellt sind.

A. Deutschland. Das sächsische StG. v. 1838 nahm zuerst die Straftaten gegen den Eisenbahnverkehr unter die gemeingefährlichen Handlungen seines 7. Kapitels auf, in der Folge Preußen 1851 (vorher im Ges. v. 30. Nov. 1840 geregelt), Bayern 1861 u. a. Das sächsische G. v. 1855 überließ im Art. 218 den Gegenstand der Spezialgesetzgebung. Die Fassung des preußischen Gesetzes wurde vorbildlich für das norddeutsche und sodann das Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871. Dieses bestimmt:

1. Wer vorsätzlich Eisenbahnanlagen, Beförderungsmittel oder sonstiges Zubehör derselben dergestalt beschädigt oder auf der Fahrbahn durch falsche Zeichen oder Signale oder auf andere Weise solche Hindernisse bereitet, daß dadurch der Transport in Gefahr gesetzt wird, wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft; ist dadurch eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zuchthaus von 5 bis 15 Jahren, im Falle der Verursachung des Todes eines Menschen von 10 bis 20 Jahren oder auf Lebensdauer ein (§ 315).

Wurde eine solche Gefährdung fahrlässig herbeigeführt oder durch Vernachlässigung der Pflichten, die den zur Leitung der Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen obliegen, so tritt Gefängnis bis zu einem Jahre und im Falle der Verursachung des Todes eines Menschen von 1 Monat bis zu 3 Jahren ein (§ 316). Gegen einen solchen Angestellten kann ferner die Unfähigkeit zu einer Beschäftigung im Eisenbahndienste oder in einem bestimmten Zweige desselben ausgesprochen werden (§ 319).

Nach der Rechtsprechung haben diese Bestimmungen auf Pferdebahnen keine Anwendung, dagegen allerdings auf elektrisch betriebene sowie auf Dampfstraßenbahnen. Bei Industriebahnen kommt es auf die Art der Anlage, die Möglichkeit größerer Gefahr an.

Als der Vorbeugung dienende Strafandrohung erscheint die des § 320 gegen die Belassung eines nach § 315 verurteilten Bediensteten im Dienste, gegen die Wiedereinstellung eines zum Dienste unfähig erklärten auf Seite des Angestellten und des Anstellenden. Die sonstigen Strafandrohungen auf dem Gebiete der Vorbeugung gehören dem Eisenbahnpolizeistrafrechte an. Weitere Bestimmungen sind:

Wer von dem Vorhaben eines Verbrechens nach § 315 zu einer Zeit, in der die Verhütung desselben möglich ist, glaubhaft Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der dadurch bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängnis zu bestrafen (§ 139).

2. Ohne die Voraussetzung der Gefährdung des Eisenbahnbetriebes wird mit Gefängnis von 1 Monat bis zu 5 Jahren bestraft, wer vorsätzlich und rechts widrig eine Eisenbahn ganz oder teilweise zerstört oder zu zerstören versucht. Andere Beschädigungen einzelner Gegenstände fallen unter den Begriff der gewöhnlichen Sachbeschädigung.

Aus einem anderen Gesichtspunkte wird wegen Landesverrates mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe (in minder schweren Fällen mit Zuchthaus von 10 bis 15 Jahren, bei mildernden Umständen mit Festungshaft von 5 bis 15 Jahren) bestraft, wer vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges Eisenbahnen und Transportmittel in feindliche Gewalt bringt oder zum Vorteil des Feindes zerstört oder unbrauchbar macht (§ 90). Ausländer werden dieser Bestimmung nur unterworfen, wenn sie sich unter dem Schutze des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates innerhalb des Bundesstaates aufhalten (§ 91). Zumeist kommt jedoch für Ausländer und Deutsche und nicht bloß für die regelmäßig der

die Abgrenzung der beiden Gebiete des Strafunrechtes und Polizeiunrechtes vorwiegend von Zweckmäßigkeitsgründen abhängt, so auch auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens. Daher ergeben sich bedeutende zeitliche und örtliche Verschiedenheiten der einzelnen Gesetzgebungen und die Notwendigkeit, die gerichtlichen Straftaten im Zusammenhang mit den polizeilichen zu betrachten. An sich wären die Eisenbahnen und ihr Betrieb durch die allgemeinen Strafbestimmungen geschützt. Die höheren mit dem Betrieb verbundenen Gefahren, Unverständnis und Übelwollen der Bevölkerung gegenüber der neuen Einrichtung führten jedoch bald zu besonderen strengeren Strafbestimmungen, vielfach gaben die Eisenbahnen den Anstoß zur Aufstellung einer Gruppe von gemeingefährlichen Straftaten oder zur Ausbildung dieses Begriffes.

Die hierher gehörigen Bestimmungen sollen unmittelbar oder mittelbar den Schutz des Eisenbahnbetriebes sichern, je nachdem sich der Angriff gegen die Betriebsanlagen, den Betrieb selbst, die Sicherheit der zu befördernden Reisenden oder Güter, oder anderseits gegen die im Betriebsdienst stehenden Personen richtet. Einzelne dieser Straftaten können nur von Personen der letzterwähnten Art begangen werden, andere Personen kommen nur als Anstifter oder Mitschuldige in Betracht.

Neben diesen Straftaten gibt es solche, bei denen die Gefährdung oder Störung des Eisenbahnbetriebes entweder als Mittel zum Zweck oder als Begleiterscheinung auftritt (wie beim militärischen Staatsverrat oder beim Diebstahl an Betriebsgegenständen). Fälle dieser Art behandelt die Gesetzgebung entweder durch Zusammenfassung beider Tatbestände (Gesetzeskonkurrenz) oder durch Anwendung der Bestimmung über eintätiges Zusammentreffen (Idealkonkurrenz).

Einige dieser Straftaten sind auch in den Auslieferungsverträgen angeführt, so daß die Eisenbahnen vielfach strafrechtlich auch unter den Schutz des internationalen Rechtes gestellt sind.

A. Deutschland. Das sächsische StG. v. 1838 nahm zuerst die Straftaten gegen den Eisenbahnverkehr unter die gemeingefährlichen Handlungen seines 7. Kapitels auf, in der Folge Preußen 1851 (vorher im Ges. v. 30. Nov. 1840 geregelt), Bayern 1861 u. a. Das sächsische G. v. 1855 überließ im Art. 218 den Gegenstand der Spezialgesetzgebung. Die Fassung des preußischen Gesetzes wurde vorbildlich für das norddeutsche und sodann das Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871. Dieses bestimmt:

1. Wer vorsätzlich Eisenbahnanlagen, Beförderungsmittel oder sonstiges Zubehör derselben dergestalt beschädigt oder auf der Fahrbahn durch falsche Zeichen oder Signale oder auf andere Weise solche Hindernisse bereitet, daß dadurch der Transport in Gefahr gesetzt wird, wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft; ist dadurch eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zuchthaus von 5 bis 15 Jahren, im Falle der Verursachung des Todes eines Menschen von 10 bis 20 Jahren oder auf Lebensdauer ein (§ 315).

Wurde eine solche Gefährdung fahrlässig herbeigeführt oder durch Vernachlässigung der Pflichten, die den zur Leitung der Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen obliegen, so tritt Gefängnis bis zu einem Jahre und im Falle der Verursachung des Todes eines Menschen von 1 Monat bis zu 3 Jahren ein (§ 316). Gegen einen solchen Angestellten kann ferner die Unfähigkeit zu einer Beschäftigung im Eisenbahndienste oder in einem bestimmten Zweige desselben ausgesprochen werden (§ 319).

Nach der Rechtsprechung haben diese Bestimmungen auf Pferdebahnen keine Anwendung, dagegen allerdings auf elektrisch betriebene sowie auf Dampfstraßenbahnen. Bei Industriebahnen kommt es auf die Art der Anlage, die Möglichkeit größerer Gefahr an.

Als der Vorbeugung dienende Strafandrohung erscheint die des § 320 gegen die Belassung eines nach § 315 verurteilten Bediensteten im Dienste, gegen die Wiedereinstellung eines zum Dienste unfähig erklärten auf Seite des Angestellten und des Anstellenden. Die sonstigen Strafandrohungen auf dem Gebiete der Vorbeugung gehören dem Eisenbahnpolizeistrafrechte an. Weitere Bestimmungen sind:

Wer von dem Vorhaben eines Verbrechens nach § 315 zu einer Zeit, in der die Verhütung desselben möglich ist, glaubhaft Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der dadurch bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängnis zu bestrafen (§ 139).

2. Ohne die Voraussetzung der Gefährdung des Eisenbahnbetriebes wird mit Gefängnis von 1 Monat bis zu 5 Jahren bestraft, wer vorsätzlich und rechts widrig eine Eisenbahn ganz oder teilweise zerstört oder zu zerstören versucht. Andere Beschädigungen einzelner Gegenstände fallen unter den Begriff der gewöhnlichen Sachbeschädigung.

Aus einem anderen Gesichtspunkte wird wegen Landesverrates mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe (in minder schweren Fällen mit Zuchthaus von 10 bis 15 Jahren, bei mildernden Umständen mit Festungshaft von 5 bis 15 Jahren) bestraft, wer vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges Eisenbahnen und Transportmittel in feindliche Gewalt bringt oder zum Vorteil des Feindes zerstört oder unbrauchbar macht (§ 90). Ausländer werden dieser Bestimmung nur unterworfen, wenn sie sich unter dem Schutze des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates innerhalb des Bundesstaates aufhalten (§ 91). Zumeist kommt jedoch für Ausländer und Deutsche und nicht bloß für die regelmäßig der

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[132/0141] die Abgrenzung der beiden Gebiete des Strafunrechtes und Polizeiunrechtes vorwiegend von Zweckmäßigkeitsgründen abhängt, so auch auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens. Daher ergeben sich bedeutende zeitliche und örtliche Verschiedenheiten der einzelnen Gesetzgebungen und die Notwendigkeit, die gerichtlichen Straftaten im Zusammenhang mit den polizeilichen zu betrachten. An sich wären die Eisenbahnen und ihr Betrieb durch die allgemeinen Strafbestimmungen geschützt. Die höheren mit dem Betrieb verbundenen Gefahren, Unverständnis und Übelwollen der Bevölkerung gegenüber der neuen Einrichtung führten jedoch bald zu besonderen strengeren Strafbestimmungen, vielfach gaben die Eisenbahnen den Anstoß zur Aufstellung einer Gruppe von gemeingefährlichen Straftaten oder zur Ausbildung dieses Begriffes. Die hierher gehörigen Bestimmungen sollen unmittelbar oder mittelbar den Schutz des Eisenbahnbetriebes sichern, je nachdem sich der Angriff gegen die Betriebsanlagen, den Betrieb selbst, die Sicherheit der zu befördernden Reisenden oder Güter, oder anderseits gegen die im Betriebsdienst stehenden Personen richtet. Einzelne dieser Straftaten können nur von Personen der letzterwähnten Art begangen werden, andere Personen kommen nur als Anstifter oder Mitschuldige in Betracht. Neben diesen Straftaten gibt es solche, bei denen die Gefährdung oder Störung des Eisenbahnbetriebes entweder als Mittel zum Zweck oder als Begleiterscheinung auftritt (wie beim militärischen Staatsverrat oder beim Diebstahl an Betriebsgegenständen). Fälle dieser Art behandelt die Gesetzgebung entweder durch Zusammenfassung beider Tatbestände (Gesetzeskonkurrenz) oder durch Anwendung der Bestimmung über eintätiges Zusammentreffen (Idealkonkurrenz). Einige dieser Straftaten sind auch in den Auslieferungsverträgen angeführt, so daß die Eisenbahnen vielfach strafrechtlich auch unter den Schutz des internationalen Rechtes gestellt sind. A. Deutschland. Das sächsische StG. v. 1838 nahm zuerst die Straftaten gegen den Eisenbahnverkehr unter die gemeingefährlichen Handlungen seines 7. Kapitels auf, in der Folge Preußen 1851 (vorher im Ges. v. 30. Nov. 1840 geregelt), Bayern 1861 u. a. Das sächsische G. v. 1855 überließ im Art. 218 den Gegenstand der Spezialgesetzgebung. Die Fassung des preußischen Gesetzes wurde vorbildlich für das norddeutsche und sodann das Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871. Dieses bestimmt: 1. Wer vorsätzlich Eisenbahnanlagen, Beförderungsmittel oder sonstiges Zubehör derselben dergestalt beschädigt oder auf der Fahrbahn durch falsche Zeichen oder Signale oder auf andere Weise solche Hindernisse bereitet, daß dadurch der Transport in Gefahr gesetzt wird, wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft; ist dadurch eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zuchthaus von 5 bis 15 Jahren, im Falle der Verursachung des Todes eines Menschen von 10 bis 20 Jahren oder auf Lebensdauer ein (§ 315). Wurde eine solche Gefährdung fahrlässig herbeigeführt oder durch Vernachlässigung der Pflichten, die den zur Leitung der Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen obliegen, so tritt Gefängnis bis zu einem Jahre und im Falle der Verursachung des Todes eines Menschen von 1 Monat bis zu 3 Jahren ein (§ 316). Gegen einen solchen Angestellten kann ferner die Unfähigkeit zu einer Beschäftigung im Eisenbahndienste oder in einem bestimmten Zweige desselben ausgesprochen werden (§ 319). Nach der Rechtsprechung haben diese Bestimmungen auf Pferdebahnen keine Anwendung, dagegen allerdings auf elektrisch betriebene sowie auf Dampfstraßenbahnen. Bei Industriebahnen kommt es auf die Art der Anlage, die Möglichkeit größerer Gefahr an. Als der Vorbeugung dienende Strafandrohung erscheint die des § 320 gegen die Belassung eines nach § 315 verurteilten Bediensteten im Dienste, gegen die Wiedereinstellung eines zum Dienste unfähig erklärten auf Seite des Angestellten und des Anstellenden. Die sonstigen Strafandrohungen auf dem Gebiete der Vorbeugung gehören dem Eisenbahnpolizeistrafrechte an. Weitere Bestimmungen sind: Wer von dem Vorhaben eines Verbrechens nach § 315 zu einer Zeit, in der die Verhütung desselben möglich ist, glaubhaft Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der dadurch bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängnis zu bestrafen (§ 139). 2. Ohne die Voraussetzung der Gefährdung des Eisenbahnbetriebes wird mit Gefängnis von 1 Monat bis zu 5 Jahren bestraft, wer vorsätzlich und rechts widrig eine Eisenbahn ganz oder teilweise zerstört oder zu zerstören versucht. Andere Beschädigungen einzelner Gegenstände fallen unter den Begriff der gewöhnlichen Sachbeschädigung. Aus einem anderen Gesichtspunkte wird wegen Landesverrates mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe (in minder schweren Fällen mit Zuchthaus von 10 bis 15 Jahren, bei mildernden Umständen mit Festungshaft von 5 bis 15 Jahren) bestraft, wer vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges Eisenbahnen und Transportmittel in feindliche Gewalt bringt oder zum Vorteil des Feindes zerstört oder unbrauchbar macht (§ 90). Ausländer werden dieser Bestimmung nur unterworfen, wenn sie sich unter dem Schutze des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates innerhalb des Bundesstaates aufhalten (§ 91). Zumeist kommt jedoch für Ausländer und Deutsche und nicht bloß für die regelmäßig der

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen04_1913/141>, abgerufen am 01.11.2024.