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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913.

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hierfür erfüllt sind. Das Enteignungsverfahren in den einzelnen Staaten ist in seinen wesentlichen Umrissen das folgende:

Im Königreich Sachsen ist das Verfahren durch das G. vom 24. Juni 1902 (3. Abschnitt, §§ 34 ff.) und die Ausführungsverordnung vom 24. Juni 1902, das abgekürzte Verfahren und das Verfahren in dringlichen Fällen durch G. von 1902, §§ 67 ff. und § 70, geregelt. Als Unterlage des Verfahrens dient der vom Ressortministerium zu genehmigende ausführliche Plan über die Anlage und Zubehörungen nebst Verzeichnis der für diese in Anspruch zu nehmenden Grundstücke und Rechte. Die Enteignungsbehörde hat die Unterlagen während 3 Wochen an ihrer Amtsstelle zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Sodann wird der Unternehmer, die Eigentümer der im Plane und im Verzeichnisse verzeichneten Eigentümer, die Personen, die Widerspruch erhoben haben, sowie die Vertreter der von der Anlage betroffenen Gemeinden und Gutsbezirke und die Sachverständigen zum Feststellungstermin geladen und nach einer Verhandlung eine Entschließung über die strittigen Punkte getroffen. Die Entschädigungsberechnung wird durch die Sachverständigen aufgestellt und im Enteignungstermin dem Unternehmer und den übrigen Beteiligten mitgeteilt und auf Grund der Verhandlung vom leitenden Beamten möglichst sofort durch Bescheid festgestellt und den Beteiligten eröffnet. Gegen den die Entschädigung feststellenden Bescheid der Enteignungsbehörde steht dem Unternehmer und den Entschädigungsberechtigten der Rekurs zu. Der Rekursbescheid kann binnen Jahresfrist durch Klage im Rechtswege angefochten werden (§ 32, 33 des G. von 1902).

In Bayern ist von dem Unternehmer die E. unter Vorlage der erforderlichen Urkunden, Risse und Kostenanschläge bei der Kreisregierung nachzusuchen, die die Genehmigung des Ministeriums des Innern zur Einleitung des Enteignungsverfahrens einzuholen hat. Alsdann erfolgt die Instruktion durch die Distriktspolizeibehörde, die die Beteiligten zu ermitteln und zu einem Termin zu laden hat. Im Termin ist eine gütliche Vereinbarung zu versuchen, wenn aber solche nicht zu erzielen, über die Abtretungsfrage zu verhandeln. Die Entscheidung über die Frage der Abtretung steht in erster Instanz der Kreisregierung, in zweiter Instanz dem Verwaltungsgerichtshof zu. Ist die Abtretungspflicht durch rechtskräftige Entscheidung oder durch gütliche Vereinbarung festgestellt, so wird die Entscheidung durch die Distriktsverwaltungsbehörde auf Antrag des Unternehmers, wenn dieser aber binnen sechs Monaten den Antrag nicht stellt, auch auf Antrag des Eigentümers festgesetzt auf Grund einer in einem Termin mit kontradiktorischer Verhandlung vorgenommenen Schätzung Sachverständiger. Gegen diese Entscheidung kann binnen eines Monats die Klage bei dem Gericht der belegenen Sache erhoben werden. Der Unternehmer kann aber nach der Entscheidung der Distriktsverwaltungsbehörde und nach Zahlung der von dieser festgesetzten Entschädigung und der dem Expropriaten erwachsenen Kosten die Einweisung in den Besitz des Enteignungsobjekts verlangen (Art. 45 ff. des Einführungsgesetzes der Zivilprozeßordnung vom 29. April 1869).

In Baden (§§ 16 ff. des G. vom 5. Oktober 1908) zerfällt das Enteignungsverfahren in 3 Abschnitte: das Abtretungs-, das Entschädigungs- und das Vollziehungsverfahren. Im Abtretungsverfahren wird über Zulässigkeit und Umfang der E. entschieden. Der beim Bezirksamt einzureichende Antrag des Unternehmers wird öffentlich bekanntgemacht und in einer besonderen Tagfahrt unter Zuziehung der Beteiligten von der Abtretungskommission (bestehend aus einem Beamten des Bezirksamtes, einem oder mehreren technischen Beamten oder Sachverständigen und dem Bürgermeister des Ortes) geprüft und begutachtet. Wird eine Einigung mit den Beteiligten nicht erzielt, so gelangt der Beschluß der Kommission an das Ministerium des Innern, das den Antrag entweder zurückweist oder dem Staatsministerium zur Entscheidung überweist. Diese Abtretungsentscheidung des Staatsministeriums stellt auch den Plan des Unternehmens fest.

Falls vor der Kommission eine Vereinbarung über Abtretung und Entschädigung zu stande kommt, so wird ein die Parteien bindendes Protokoll errichtet.

Das Entschädigungsverfahren wird vom Landeskommissär oder einem andern Bevollmächtigten des Ministeriums geleitet. Die Verhandlungen, die er unter Zuziehung von 2-4 Beisitzern leitet, werden durch einen Feststellungsbescheid abgeschlossen. Dieser kann von jedem Beteiligten innerhalb zweier Monate vor den ordentlichen Gerichten durch Klage angefochten werden. - Nach Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme wird das Vollziehungsverfahren durch die Enteignungserklärung des Landeskommissärs abgeschlossen. Sie stellt nur fest, daß die E. endgültig und rechtswirksam geworden ist.

hierfür erfüllt sind. Das Enteignungsverfahren in den einzelnen Staaten ist in seinen wesentlichen Umrissen das folgende:

Im Königreich Sachsen ist das Verfahren durch das G. vom 24. Juni 1902 (3. Abschnitt, §§ 34 ff.) und die Ausführungsverordnung vom 24. Juni 1902, das abgekürzte Verfahren und das Verfahren in dringlichen Fällen durch G. von 1902, §§ 67 ff. und § 70, geregelt. Als Unterlage des Verfahrens dient der vom Ressortministerium zu genehmigende ausführliche Plan über die Anlage und Zubehörungen nebst Verzeichnis der für diese in Anspruch zu nehmenden Grundstücke und Rechte. Die Enteignungsbehörde hat die Unterlagen während 3 Wochen an ihrer Amtsstelle zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Sodann wird der Unternehmer, die Eigentümer der im Plane und im Verzeichnisse verzeichneten Eigentümer, die Personen, die Widerspruch erhoben haben, sowie die Vertreter der von der Anlage betroffenen Gemeinden und Gutsbezirke und die Sachverständigen zum Feststellungstermin geladen und nach einer Verhandlung eine Entschließung über die strittigen Punkte getroffen. Die Entschädigungsberechnung wird durch die Sachverständigen aufgestellt und im Enteignungstermin dem Unternehmer und den übrigen Beteiligten mitgeteilt und auf Grund der Verhandlung vom leitenden Beamten möglichst sofort durch Bescheid festgestellt und den Beteiligten eröffnet. Gegen den die Entschädigung feststellenden Bescheid der Enteignungsbehörde steht dem Unternehmer und den Entschädigungsberechtigten der Rekurs zu. Der Rekursbescheid kann binnen Jahresfrist durch Klage im Rechtswege angefochten werden (§ 32, 33 des G. von 1902).

In Bayern ist von dem Unternehmer die E. unter Vorlage der erforderlichen Urkunden, Risse und Kostenanschläge bei der Kreisregierung nachzusuchen, die die Genehmigung des Ministeriums des Innern zur Einleitung des Enteignungsverfahrens einzuholen hat. Alsdann erfolgt die Instruktion durch die Distriktspolizeibehörde, die die Beteiligten zu ermitteln und zu einem Termin zu laden hat. Im Termin ist eine gütliche Vereinbarung zu versuchen, wenn aber solche nicht zu erzielen, über die Abtretungsfrage zu verhandeln. Die Entscheidung über die Frage der Abtretung steht in erster Instanz der Kreisregierung, in zweiter Instanz dem Verwaltungsgerichtshof zu. Ist die Abtretungspflicht durch rechtskräftige Entscheidung oder durch gütliche Vereinbarung festgestellt, so wird die Entscheidung durch die Distriktsverwaltungsbehörde auf Antrag des Unternehmers, wenn dieser aber binnen sechs Monaten den Antrag nicht stellt, auch auf Antrag des Eigentümers festgesetzt auf Grund einer in einem Termin mit kontradiktorischer Verhandlung vorgenommenen Schätzung Sachverständiger. Gegen diese Entscheidung kann binnen eines Monats die Klage bei dem Gericht der belegenen Sache erhoben werden. Der Unternehmer kann aber nach der Entscheidung der Distriktsverwaltungsbehörde und nach Zahlung der von dieser festgesetzten Entschädigung und der dem Expropriaten erwachsenen Kosten die Einweisung in den Besitz des Enteignungsobjekts verlangen (Art. 45 ff. des Einführungsgesetzes der Zivilprozeßordnung vom 29. April 1869).

In Baden (§§ 16 ff. des G. vom 5. Oktober 1908) zerfällt das Enteignungsverfahren in 3 Abschnitte: das Abtretungs-, das Entschädigungs- und das Vollziehungsverfahren. Im Abtretungsverfahren wird über Zulässigkeit und Umfang der E. entschieden. Der beim Bezirksamt einzureichende Antrag des Unternehmers wird öffentlich bekanntgemacht und in einer besonderen Tagfahrt unter Zuziehung der Beteiligten von der Abtretungskommission (bestehend aus einem Beamten des Bezirksamtes, einem oder mehreren technischen Beamten oder Sachverständigen und dem Bürgermeister des Ortes) geprüft und begutachtet. Wird eine Einigung mit den Beteiligten nicht erzielt, so gelangt der Beschluß der Kommission an das Ministerium des Innern, das den Antrag entweder zurückweist oder dem Staatsministerium zur Entscheidung überweist. Diese Abtretungsentscheidung des Staatsministeriums stellt auch den Plan des Unternehmens fest.

Falls vor der Kommission eine Vereinbarung über Abtretung und Entschädigung zu stande kommt, so wird ein die Parteien bindendes Protokoll errichtet.

Das Entschädigungsverfahren wird vom Landeskommissär oder einem andern Bevollmächtigten des Ministeriums geleitet. Die Verhandlungen, die er unter Zuziehung von 2–4 Beisitzern leitet, werden durch einen Feststellungsbescheid abgeschlossen. Dieser kann von jedem Beteiligten innerhalb zweier Monate vor den ordentlichen Gerichten durch Klage angefochten werden. – Nach Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme wird das Vollziehungsverfahren durch die Enteignungserklärung des Landeskommissärs abgeschlossen. Sie stellt nur fest, daß die E. endgültig und rechtswirksam geworden ist.

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[352/0368] hierfür erfüllt sind. Das Enteignungsverfahren in den einzelnen Staaten ist in seinen wesentlichen Umrissen das folgende: Im Königreich Sachsen ist das Verfahren durch das G. vom 24. Juni 1902 (3. Abschnitt, §§ 34 ff.) und die Ausführungsverordnung vom 24. Juni 1902, das abgekürzte Verfahren und das Verfahren in dringlichen Fällen durch G. von 1902, §§ 67 ff. und § 70, geregelt. Als Unterlage des Verfahrens dient der vom Ressortministerium zu genehmigende ausführliche Plan über die Anlage und Zubehörungen nebst Verzeichnis der für diese in Anspruch zu nehmenden Grundstücke und Rechte. Die Enteignungsbehörde hat die Unterlagen während 3 Wochen an ihrer Amtsstelle zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Sodann wird der Unternehmer, die Eigentümer der im Plane und im Verzeichnisse verzeichneten Eigentümer, die Personen, die Widerspruch erhoben haben, sowie die Vertreter der von der Anlage betroffenen Gemeinden und Gutsbezirke und die Sachverständigen zum Feststellungstermin geladen und nach einer Verhandlung eine Entschließung über die strittigen Punkte getroffen. Die Entschädigungsberechnung wird durch die Sachverständigen aufgestellt und im Enteignungstermin dem Unternehmer und den übrigen Beteiligten mitgeteilt und auf Grund der Verhandlung vom leitenden Beamten möglichst sofort durch Bescheid festgestellt und den Beteiligten eröffnet. Gegen den die Entschädigung feststellenden Bescheid der Enteignungsbehörde steht dem Unternehmer und den Entschädigungsberechtigten der Rekurs zu. Der Rekursbescheid kann binnen Jahresfrist durch Klage im Rechtswege angefochten werden (§ 32, 33 des G. von 1902). In Bayern ist von dem Unternehmer die E. unter Vorlage der erforderlichen Urkunden, Risse und Kostenanschläge bei der Kreisregierung nachzusuchen, die die Genehmigung des Ministeriums des Innern zur Einleitung des Enteignungsverfahrens einzuholen hat. Alsdann erfolgt die Instruktion durch die Distriktspolizeibehörde, die die Beteiligten zu ermitteln und zu einem Termin zu laden hat. Im Termin ist eine gütliche Vereinbarung zu versuchen, wenn aber solche nicht zu erzielen, über die Abtretungsfrage zu verhandeln. Die Entscheidung über die Frage der Abtretung steht in erster Instanz der Kreisregierung, in zweiter Instanz dem Verwaltungsgerichtshof zu. Ist die Abtretungspflicht durch rechtskräftige Entscheidung oder durch gütliche Vereinbarung festgestellt, so wird die Entscheidung durch die Distriktsverwaltungsbehörde auf Antrag des Unternehmers, wenn dieser aber binnen sechs Monaten den Antrag nicht stellt, auch auf Antrag des Eigentümers festgesetzt auf Grund einer in einem Termin mit kontradiktorischer Verhandlung vorgenommenen Schätzung Sachverständiger. Gegen diese Entscheidung kann binnen eines Monats die Klage bei dem Gericht der belegenen Sache erhoben werden. Der Unternehmer kann aber nach der Entscheidung der Distriktsverwaltungsbehörde und nach Zahlung der von dieser festgesetzten Entschädigung und der dem Expropriaten erwachsenen Kosten die Einweisung in den Besitz des Enteignungsobjekts verlangen (Art. 45 ff. des Einführungsgesetzes der Zivilprozeßordnung vom 29. April 1869). In Baden (§§ 16 ff. des G. vom 5. Oktober 1908) zerfällt das Enteignungsverfahren in 3 Abschnitte: das Abtretungs-, das Entschädigungs- und das Vollziehungsverfahren. Im Abtretungsverfahren wird über Zulässigkeit und Umfang der E. entschieden. Der beim Bezirksamt einzureichende Antrag des Unternehmers wird öffentlich bekanntgemacht und in einer besonderen Tagfahrt unter Zuziehung der Beteiligten von der Abtretungskommission (bestehend aus einem Beamten des Bezirksamtes, einem oder mehreren technischen Beamten oder Sachverständigen und dem Bürgermeister des Ortes) geprüft und begutachtet. Wird eine Einigung mit den Beteiligten nicht erzielt, so gelangt der Beschluß der Kommission an das Ministerium des Innern, das den Antrag entweder zurückweist oder dem Staatsministerium zur Entscheidung überweist. Diese Abtretungsentscheidung des Staatsministeriums stellt auch den Plan des Unternehmens fest. Falls vor der Kommission eine Vereinbarung über Abtretung und Entschädigung zu stande kommt, so wird ein die Parteien bindendes Protokoll errichtet. Das Entschädigungsverfahren wird vom Landeskommissär oder einem andern Bevollmächtigten des Ministeriums geleitet. Die Verhandlungen, die er unter Zuziehung von 2–4 Beisitzern leitet, werden durch einen Feststellungsbescheid abgeschlossen. Dieser kann von jedem Beteiligten innerhalb zweier Monate vor den ordentlichen Gerichten durch Klage angefochten werden. – Nach Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme wird das Vollziehungsverfahren durch die Enteignungserklärung des Landeskommissärs abgeschlossen. Sie stellt nur fest, daß die E. endgültig und rechtswirksam geworden ist.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen04_1913/368>, abgerufen am 01.11.2024.