Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.I. Einleitung. Vor dem Zeitalter der Eisenbahnen erfolgte in den meisten Kulturländern die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Briefen und kleineren Gütersendungen durch die Post. Diese war entweder Staatsanstalt (Postregal) oder in den Händen großer, mit Privilegien ausgestatteter Unternehmer (z. B. die Thurn und Taxis'sche Postverwaltung in Deutschland und Österreich). Die Post benutzte ihre eigenen Fuhrwerke (Wagen und Pferde) und ihr eigenes Personal und hatte an größeren Stationen eigene Baulichkeiten. Beim Eintritt der Eisenbahnen in den Verkehr zeigte sich, daß diese Personen und Sachen billiger, schneller und sicherer befördern konnten als die Post. Wo Eisenbahnen vorhanden waren, ging daher die Personen- und Güterbeförderung auf diese über, wodurch der Verkehr und die Einnahmen der Post geschädigt und in einzelnen Ländern die Privilegien der Post und das Postregal verletzt wurden. Es entwickelte sich daraus ein gewisser Gegensatz zwischen den Postverwaltungen, die einen Eingriff in ihre Vorrechte zurückwiesen, und den Eisenbahnen, die auf den bisher von der Post ausschließlich beherrschten Verkehr nicht verzichten konnten und deren Interessen gleichzeitig die des allgemeinen Verkehrs waren. Ein Ausgleich der Interessen der beiden Verkehrsanstalten wurde grundsätzlich darin gefunden, daß die Post die Beförderung von Personen und schwereren Gütern der Eisenbahn freigab, während die Eisenbahnen bei der Beförderung der der Post verbleibenden Gegenstände (hauptsächlich Briefe und briefartige Sachen, kleinere Pakete) dieser finanzielle und betriebliche Zugeständnisse machten. Das hiernach sich ergebende neue Verhältnis der Eisenbahn- zur Postverwaltung wurde teils durch Gesetz oder Verordnung, teils durch Eisenbahnkonzessionen festgestellt. Die Regelung ist in den einzelnen Staaten verschieden. Man unterscheidet 3 Systeme: 1. Die Leistungen der Eisenbahnen bilden eine Entschädigung für den Verzicht der Post auf ihre Vorrechte. 2. Die Leistungen der Eisenbahnen für die Post sind ein Entgelt für die den Eisenbahnen vom Staat konzessionsmäßig gewährten Vergünstigungen (Verleihung des Enteignungsrechts, finanzielle Unterstützung u. dgl.). 3. Die Eisenbahnen erhalten für die der Post geleisteten Dienste volle Vergütung. Das erstere System ist am reinsten ausgebildet im Deutschen Reich, dessen Bestimmungen den damals in Preußen geltenden nachgebildet sind, das zweite System in Frankreich, das dritte in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika1. II. Die P. in den einzelnen Ländern. 1. Das Deutsche Reich. A. Geschichtliche Entwicklung2. Schon die Statuten der ältesten größeren deutschen Eisenbahn, der von Leipzig nach Dresden, vom 6. Mai 1835 enthalten Bestimmungen, wonach die Eisenbahn verpflichtet ist, einzelne Gegenstände unentgeltlich, andere zu ermäßigten Preisen zu befördern sowie an die Post für den Ausfall von Personengeldern eine Entschädigung zu zahlen. Diese Bestimmungen haben aber auf die Postgesetzgebung des Deutschen Reiches keinen Einfluß gehabt, die vielmehr anknüpft an die preußische Gesetzgebung. Bei Beratung der Konzessionsbedingungen der Eisenbahn von Magdeburg nach Leipzig nahmen die Bestimmungen über das Verhältnis zur Post einen großen Raum ein. Der damalige Generalpostmeister v. Nagler, der dem Eisenbahnwesen ablehnend gegenüberstand, verlangte weitgehende Zugeständnisse der Eisenbahn als Entgelt für Einschränkung der Postvorrechte. Nach den damals festgestellten 14 Bedingungen über die Grundlagen der Eisenbahnkonzessionen vom 14. Februar 1836 sollte die Eisenbahn verpflichtet werden, der Post den Mitbetrieb gegen ein Bahngeld zu gestatten, das niedriger zu bemessen wäre, als das Bahngeld anderer zum Mitbetrieb zugelassener Personen. Die Post wäre dann in der Lage gewesen, billiger als die Eisenbahn zu befördern und dieser im Wettbewerb die Personen- und Güterbeförderung abzunehmen. Dieser Gedanke wurde in neuen, geänderten Konzessionsbedingungen vom 11. Juni 1836 verlassen. Die Höhe des Bahngeldes sollte hiernach von Fall zu Fall vereinbart werden. In dem Gesetz über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 wurden über das Verhältnis der Post zu den Eisenbahnen in den §§ 36-39 Bestimmungen getroffen, die wieder auf anderer Grundlage beruhen. Es wurde den Eisenbahnen eine Steuer auferlegt, die eine Entschädigung für den der Post entgangenen Gewinn bilden sollte und deren Erträge für die allmähliche Tilgung des Eisenbahnanlagekapitals zu verwenden wären. Die Höhe dieser Steuer ist 1 Die Reihenfolge der einzelnen Länder im Abschnitt II berücksichtigt tunlichst diese 3 Systeme. System 1: Ziffer 1-9, System 2: Ziffer 10-13, System 3: Ziffer 14 u. 15. 2 Vgl. die Einzelheiten bei Hull, Reichspaketpost (s. u.), S. 71-110.
I. Einleitung. Vor dem Zeitalter der Eisenbahnen erfolgte in den meisten Kulturländern die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Briefen und kleineren Gütersendungen durch die Post. Diese war entweder Staatsanstalt (Postregal) oder in den Händen großer, mit Privilegien ausgestatteter Unternehmer (z. B. die Thurn und Taxis'sche Postverwaltung in Deutschland und Österreich). Die Post benutzte ihre eigenen Fuhrwerke (Wagen und Pferde) und ihr eigenes Personal und hatte an größeren Stationen eigene Baulichkeiten. Beim Eintritt der Eisenbahnen in den Verkehr zeigte sich, daß diese Personen und Sachen billiger, schneller und sicherer befördern konnten als die Post. Wo Eisenbahnen vorhanden waren, ging daher die Personen- und Güterbeförderung auf diese über, wodurch der Verkehr und die Einnahmen der Post geschädigt und in einzelnen Ländern die Privilegien der Post und das Postregal verletzt wurden. Es entwickelte sich daraus ein gewisser Gegensatz zwischen den Postverwaltungen, die einen Eingriff in ihre Vorrechte zurückwiesen, und den Eisenbahnen, die auf den bisher von der Post ausschließlich beherrschten Verkehr nicht verzichten konnten und deren Interessen gleichzeitig die des allgemeinen Verkehrs waren. Ein Ausgleich der Interessen der beiden Verkehrsanstalten wurde grundsätzlich darin gefunden, daß die Post die Beförderung von Personen und schwereren Gütern der Eisenbahn freigab, während die Eisenbahnen bei der Beförderung der der Post verbleibenden Gegenstände (hauptsächlich Briefe und briefartige Sachen, kleinere Pakete) dieser finanzielle und betriebliche Zugeständnisse machten. Das hiernach sich ergebende neue Verhältnis der Eisenbahn- zur Postverwaltung wurde teils durch Gesetz oder Verordnung, teils durch Eisenbahnkonzessionen festgestellt. Die Regelung ist in den einzelnen Staaten verschieden. Man unterscheidet 3 Systeme: 1. Die Leistungen der Eisenbahnen bilden eine Entschädigung für den Verzicht der Post auf ihre Vorrechte. 2. Die Leistungen der Eisenbahnen für die Post sind ein Entgelt für die den Eisenbahnen vom Staat konzessionsmäßig gewährten Vergünstigungen (Verleihung des Enteignungsrechts, finanzielle Unterstützung u. dgl.). 3. Die Eisenbahnen erhalten für die der Post geleisteten Dienste volle Vergütung. Das erstere System ist am reinsten ausgebildet im Deutschen Reich, dessen Bestimmungen den damals in Preußen geltenden nachgebildet sind, das zweite System in Frankreich, das dritte in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika1. II. Die P. in den einzelnen Ländern. 1. Das Deutsche Reich. A. Geschichtliche Entwicklung2. Schon die Statuten der ältesten größeren deutschen Eisenbahn, der von Leipzig nach Dresden, vom 6. Mai 1835 enthalten Bestimmungen, wonach die Eisenbahn verpflichtet ist, einzelne Gegenstände unentgeltlich, andere zu ermäßigten Preisen zu befördern sowie an die Post für den Ausfall von Personengeldern eine Entschädigung zu zahlen. Diese Bestimmungen haben aber auf die Postgesetzgebung des Deutschen Reiches keinen Einfluß gehabt, die vielmehr anknüpft an die preußische Gesetzgebung. Bei Beratung der Konzessionsbedingungen der Eisenbahn von Magdeburg nach Leipzig nahmen die Bestimmungen über das Verhältnis zur Post einen großen Raum ein. Der damalige Generalpostmeister v. Nagler, der dem Eisenbahnwesen ablehnend gegenüberstand, verlangte weitgehende Zugeständnisse der Eisenbahn als Entgelt für Einschränkung der Postvorrechte. Nach den damals festgestellten 14 Bedingungen über die Grundlagen der Eisenbahnkonzessionen vom 14. Februar 1836 sollte die Eisenbahn verpflichtet werden, der Post den Mitbetrieb gegen ein Bahngeld zu gestatten, das niedriger zu bemessen wäre, als das Bahngeld anderer zum Mitbetrieb zugelassener Personen. Die Post wäre dann in der Lage gewesen, billiger als die Eisenbahn zu befördern und dieser im Wettbewerb die Personen- und Güterbeförderung abzunehmen. Dieser Gedanke wurde in neuen, geänderten Konzessionsbedingungen vom 11. Juni 1836 verlassen. Die Höhe des Bahngeldes sollte hiernach von Fall zu Fall vereinbart werden. In dem Gesetz über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 wurden über das Verhältnis der Post zu den Eisenbahnen in den §§ 36–39 Bestimmungen getroffen, die wieder auf anderer Grundlage beruhen. Es wurde den Eisenbahnen eine Steuer auferlegt, die eine Entschädigung für den der Post entgangenen Gewinn bilden sollte und deren Erträge für die allmähliche Tilgung des Eisenbahnanlagekapitals zu verwenden wären. Die Höhe dieser Steuer ist 1 Die Reihenfolge der einzelnen Länder im Abschnitt II berücksichtigt tunlichst diese 3 Systeme. System 1: Ziffer 1–9, System 2: Ziffer 10–13, System 3: Ziffer 14 u. 15. 2 Vgl. die Einzelheiten bei Hull, Reichspaketpost (s. u.), S. 71–110.
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Bei Beratung der Konzessionsbedingungen der Eisenbahn von Magdeburg nach Leipzig nahmen die Bestimmungen über das Verhältnis zur Post einen großen Raum ein. Der damalige Generalpostmeister v. Nagler, der dem Eisenbahnwesen ablehnend gegenüberstand, verlangte weitgehende Zugeständnisse der Eisenbahn als Entgelt für Einschränkung der Postvorrechte. Nach den damals festgestellten 14 Bedingungen über die Grundlagen der Eisenbahnkonzessionen vom 14. Februar 1836 sollte die Eisenbahn verpflichtet werden, der Post den <hi rendition="#g">Mitbetrieb</hi> gegen ein <hi rendition="#g">Bahngeld</hi> zu gestatten, das <hi rendition="#g">niedriger</hi> zu bemessen wäre, als das Bahngeld anderer zum Mitbetrieb zugelassener Personen. Die Post wäre dann in der Lage gewesen, <hi rendition="#g">billiger</hi> als die Eisenbahn zu befördern und dieser im Wettbewerb die Personen- und Güterbeförderung abzunehmen. Dieser Gedanke wurde in neuen, geänderten Konzessionsbedingungen vom 11. Juni 1836 verlassen. 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I. Einleitung.
Vor dem Zeitalter der Eisenbahnen erfolgte in den meisten Kulturländern die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Briefen und kleineren Gütersendungen durch die Post. Diese war entweder Staatsanstalt (Postregal) oder in den Händen großer, mit Privilegien ausgestatteter Unternehmer (z. B. die Thurn und Taxis'sche Postverwaltung in Deutschland und Österreich). Die Post benutzte ihre eigenen Fuhrwerke (Wagen und Pferde) und ihr eigenes Personal und hatte an größeren Stationen eigene Baulichkeiten.
Beim Eintritt der Eisenbahnen in den Verkehr zeigte sich, daß diese Personen und Sachen billiger, schneller und sicherer befördern konnten als die Post. Wo Eisenbahnen vorhanden waren, ging daher die Personen- und Güterbeförderung auf diese über, wodurch der Verkehr und die Einnahmen der Post geschädigt und in einzelnen Ländern die Privilegien der Post und das Postregal verletzt wurden. Es entwickelte sich daraus ein gewisser Gegensatz zwischen den Postverwaltungen, die einen Eingriff in ihre Vorrechte zurückwiesen, und den Eisenbahnen, die auf den bisher von der Post ausschließlich beherrschten Verkehr nicht verzichten konnten und deren Interessen gleichzeitig die des allgemeinen Verkehrs waren. Ein Ausgleich der Interessen der beiden Verkehrsanstalten wurde grundsätzlich darin gefunden, daß die Post die Beförderung von Personen und schwereren Gütern der Eisenbahn freigab, während die Eisenbahnen bei der Beförderung der der Post verbleibenden Gegenstände (hauptsächlich Briefe und briefartige Sachen, kleinere Pakete) dieser finanzielle und betriebliche Zugeständnisse machten. Das hiernach sich ergebende neue Verhältnis der Eisenbahn- zur Postverwaltung wurde teils durch Gesetz oder Verordnung, teils durch Eisenbahnkonzessionen festgestellt. Die Regelung ist in den einzelnen Staaten verschieden. Man unterscheidet 3 Systeme:
1. Die Leistungen der Eisenbahnen bilden eine Entschädigung für den Verzicht der Post auf ihre Vorrechte.
2. Die Leistungen der Eisenbahnen für die Post sind ein Entgelt für die den Eisenbahnen vom Staat konzessionsmäßig gewährten Vergünstigungen (Verleihung des Enteignungsrechts, finanzielle Unterstützung u. dgl.).
3. Die Eisenbahnen erhalten für die der Post geleisteten Dienste volle Vergütung.
Das erstere System ist am reinsten ausgebildet im Deutschen Reich, dessen Bestimmungen den damals in Preußen geltenden nachgebildet sind, das zweite System in Frankreich, das dritte in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika 1.
II. Die P. in den einzelnen Ländern.
1. Das Deutsche Reich.
A. Geschichtliche Entwicklung 2.
Schon die Statuten der ältesten größeren deutschen Eisenbahn, der von Leipzig nach Dresden, vom 6. Mai 1835 enthalten Bestimmungen, wonach die Eisenbahn verpflichtet ist, einzelne Gegenstände unentgeltlich, andere zu ermäßigten Preisen zu befördern sowie an die Post für den Ausfall von Personengeldern eine Entschädigung zu zahlen. Diese Bestimmungen haben aber auf die Postgesetzgebung des Deutschen Reiches keinen Einfluß gehabt, die vielmehr anknüpft an die preußische Gesetzgebung. Bei Beratung der Konzessionsbedingungen der Eisenbahn von Magdeburg nach Leipzig nahmen die Bestimmungen über das Verhältnis zur Post einen großen Raum ein. Der damalige Generalpostmeister v. Nagler, der dem Eisenbahnwesen ablehnend gegenüberstand, verlangte weitgehende Zugeständnisse der Eisenbahn als Entgelt für Einschränkung der Postvorrechte. Nach den damals festgestellten 14 Bedingungen über die Grundlagen der Eisenbahnkonzessionen vom 14. Februar 1836 sollte die Eisenbahn verpflichtet werden, der Post den Mitbetrieb gegen ein Bahngeld zu gestatten, das niedriger zu bemessen wäre, als das Bahngeld anderer zum Mitbetrieb zugelassener Personen. Die Post wäre dann in der Lage gewesen, billiger als die Eisenbahn zu befördern und dieser im Wettbewerb die Personen- und Güterbeförderung abzunehmen. Dieser Gedanke wurde in neuen, geänderten Konzessionsbedingungen vom 11. Juni 1836 verlassen. Die Höhe des Bahngeldes sollte hiernach von Fall zu Fall vereinbart werden. In dem Gesetz über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 wurden über das Verhältnis der Post zu den Eisenbahnen in den §§ 36–39 Bestimmungen getroffen, die wieder auf anderer Grundlage beruhen. Es wurde den Eisenbahnen eine Steuer auferlegt, die eine Entschädigung für den der Post entgangenen Gewinn bilden sollte und deren Erträge für die allmähliche Tilgung des Eisenbahnanlagekapitals zu verwenden wären. Die Höhe dieser Steuer ist
1 Die Reihenfolge der einzelnen Länder im Abschnitt II berücksichtigt tunlichst diese 3 Systeme. System 1: Ziffer 1–9, System 2: Ziffer 10–13, System 3: Ziffer 14 u. 15.
2 Vgl. die Einzelheiten bei Hull, Reichspaketpost (s. u.), S. 71–110.
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