Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte, den man mit dem Zuschlag nicht belasten wollte. Begünstigt war diese Entwicklung durch die zahlreichen Unterwegsaufenthalte der betreffenden Züge sowie durch die nach und nach erfolgte Einführung der III. Wagenklasse. Es mußte nunmehr unterschieden werden nach zuschlagpflichtigen und zuschlagfreien S. Erstere wurden D-Züge, letztere Eilzüge (s. d.) genannt. Diese Eilzüge sind also beschleunigte Personenzüge mit I.-III. Klasse. In verkehrsreichen Gegenden, wie z. B. in den großen Industriebezirken sind sie zwischen die eigentlichen S. und die Personenzüge eingeschoben und vermitteln so einen sehr regen Personenschnellverkehr zwischen den bedeutenderen Verkehrspunkten während der verkehrsreichen Tageszeiten.

Zur besseren Platzausnützung und zur Verringerung des Zuggewichts ist es dringend geboten, die Zahl der Wagenklassen bei den S. möglichst einzuschränken. Dem Wunsch der Reisenden nachgebend, haben die Verwaltungen, insbesondere die deutschen, in zahlreichen Fällen auch bei S. die III. Wagenklasse neben der I. und II. eingeführt. Bei weiterer Entwicklung des Verkehrs ist hieraus vielfach die Notwendigkeit zur Einlegung neuer S. entstanden, die dann eine größere Reisegeschwindigkeit erhalten konnten, wenn bei ihnen von der Führung der III. Klasse abgesehen wurde (vgl. hierüber den Aufsatz: Die Fahrgeschwindigkeit der deutschen Schnellzüge. Arch. f. Ebw. 1916, S. 103).

Um einen ruhigen Lauf der Wagen zu erzielen, müssen die Wagen eines Zuges möglichst von gleicher Bauart sein. Für den Schnellzugdienst werden jetzt vorwiegend Drehgestellwagen verwendet (s. Betriebsmittel). Die Einstellung von 2- oder 3achsigen Wagen in die S. muß deshalb möglichst vermieden werden. Namentlich sollen solche Wagen nicht zwischen den Drehgestellwagen laufen. Abweichungen von dieser Regel bedürfen auf den deutschen Eisenbahnen nach § 91 (5) der FV. der Genehmigung der Eisenbahndirektion. Nach § 91 (6) der FV. müssen 3achsige Wagen in S. mit Drehgestellwagen mindestens 6 m Radstand und 16 t Eigengewicht haben.

Die S. bieten den Reisenden die beste und bequemste Fahrgelegenheit. Es ist deshalb auch selbstverständlich, daß die Eisenbahnverwaltungen auf ihre sichere Durchführung besonders bedacht sind und die besten und neuesten Betriebsmittel für die S. in Dienst stellen. Besondere Maßnahmen der Aufsichtsbehörden sind in dieser Richtung kaum noch erforderlich, seitdem die für die Sicherheit des Betriebs geltenden Vorschriften einen Unterschied zwischen den S. und den Personenzügen nicht mehr machen, sondern allein auf die in Anwendung kommende Fahrgeschwindigkeit aufgebaut sind. Auf den preußischen Staatsbahnen erhalten die für den Schnellzugdienst geeigneten Wagen, soweit sie nicht als 4- und 6achsige Wagen von vornherein für diesen Dienst bestimmt sind, an den beiden Stirnseiten über jedem Buffer die Anschrift "Für Schnellzüge" (s. Bremsbrutto, Fahrgeschwindigkeit u. Fahrplan).

Sowohl in England, dem Mutterland der Eisenbahnen, als auch im übrigen Europa hat es nach Inbetriebnahme der ersten Eisenbahnen noch fast ein Jahrzehnt hindurch einer sorgfältigen Pflege und Entwicklung des Verkehrs bedurft, bis dieser einen Umfang annahm, der eine nach Nah- und Fernverkehr getrennte Bedienung durch die gewöhnlichen Personenzüge und durch S. ermöglichte. Die ersten Eisenbahnen waren zur Verbindung großer Städte untereinander als Einzelstrecken gebaut. Sie wurden vom Anfangs- bis zum Endpunkt innerhalb der Tagesstunden durchfahren. Die Zwischenstationen waren nicht so zahlreich, wie dies heute der Fall ist. Die Bahn von Berlin nach Stettin wurde am 15. August 1843 mit 6 Zwischenstationen eröffnet. Im Jahre 1916 waren 20 und mit den Berliner Vorortstationen sogar 27 Zwischenstationen vorhanden. Nachtdienst war nicht eingerichtet. Dies war bei geringem Verkehr unwirtschaftlich und wurde, solange es irgend anging, vermieden. Eine auf der Bahn begonnene Reise mußte, wenn das Ziel am Abend nicht erreicht war, unterbrochen werden. An einen Durchgangsverkehr im heutigen Sinn konnte deshalb auch zu einer Zeit noch nicht gedacht werden, als das Schienennetz bereits in größerer Ausdehnung ausgebaut war. Eine Besserung dieses für Handel und Verkehr höchst unerwünschten Zustands wurde für Deutschland erst angebahnt, als die preußische Regierung einigen Eisenbahngesellschaften unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen die Einrichtung von Nachtzügen zur Beförderung der Post und des Durchgangsverkehrs im Anschluß an die Tageszüge der Nachbarbahnen auferlegte. Zur Erhöhung der Einnahmen beförderten einzelne dieser Nachtzüge ausschließlich Reisende I. und II. Klasse. So entstanden in den Jahren 1847-1852 Zugverbindungen zwischen Berlin, Hamburg und Stettin einerseits und Wien andererseits, vorläufig noch unter Benutzung von Landfuhrwerk beim Übergang von Bahn zu Bahn an der Landesgrenze bei Oderberg. Die Gesamtreisedauer betrug 331/2, 44 und 38 Stunden. Am 15. Oktober 1847 wurden zwischen Berlin und Cöln die Reststrecken Hannover-Minden und Minden-Hamm eröffnet und damit eine durchgehende Zugverbindung hergestellt, die die bisherige Reisedauer Berlin-Cöln von 36 Stunden auf 231/2 Stunden ermäßigte. Auf einzelnen Teilstrecken der oben genannten, zwangsweise zu stände gekommenen Durchgangsverbindungen hat man damals einen beschleunigten Zug wohl als S. bezeichnet. Folgt man dieser heute allerdings nicht mehr berechtigten Auffassung, so wurde der erste deutsche S. im Jahre 1847 auf der niederschlesisch-märkischen Eisenbahn befördert. Im allgemeinen war der Verkehr in Deutschland damals aber noch nicht so entwickelt, daß man zu seiner Bedienung durch S. übergehen konnte. Ein Bedürfnis hierfür begann sich erst im Jahre 1848 geltend zu

hatte, den man mit dem Zuschlag nicht belasten wollte. Begünstigt war diese Entwicklung durch die zahlreichen Unterwegsaufenthalte der betreffenden Züge sowie durch die nach und nach erfolgte Einführung der III. Wagenklasse. Es mußte nunmehr unterschieden werden nach zuschlagpflichtigen und zuschlagfreien S. Erstere wurden D-Züge, letztere Eilzüge (s. d.) genannt. Diese Eilzüge sind also beschleunigte Personenzüge mit I.–III. Klasse. In verkehrsreichen Gegenden, wie z. B. in den großen Industriebezirken sind sie zwischen die eigentlichen S. und die Personenzüge eingeschoben und vermitteln so einen sehr regen Personenschnellverkehr zwischen den bedeutenderen Verkehrspunkten während der verkehrsreichen Tageszeiten.

Zur besseren Platzausnützung und zur Verringerung des Zuggewichts ist es dringend geboten, die Zahl der Wagenklassen bei den S. möglichst einzuschränken. Dem Wunsch der Reisenden nachgebend, haben die Verwaltungen, insbesondere die deutschen, in zahlreichen Fällen auch bei S. die III. Wagenklasse neben der I. und II. eingeführt. Bei weiterer Entwicklung des Verkehrs ist hieraus vielfach die Notwendigkeit zur Einlegung neuer S. entstanden, die dann eine größere Reisegeschwindigkeit erhalten konnten, wenn bei ihnen von der Führung der III. Klasse abgesehen wurde (vgl. hierüber den Aufsatz: Die Fahrgeschwindigkeit der deutschen Schnellzüge. Arch. f. Ebw. 1916, S. 103).

Um einen ruhigen Lauf der Wagen zu erzielen, müssen die Wagen eines Zuges möglichst von gleicher Bauart sein. Für den Schnellzugdienst werden jetzt vorwiegend Drehgestellwagen verwendet (s. Betriebsmittel). Die Einstellung von 2- oder 3achsigen Wagen in die S. muß deshalb möglichst vermieden werden. Namentlich sollen solche Wagen nicht zwischen den Drehgestellwagen laufen. Abweichungen von dieser Regel bedürfen auf den deutschen Eisenbahnen nach § 91 (5) der FV. der Genehmigung der Eisenbahndirektion. Nach § 91 (6) der FV. müssen 3achsige Wagen in S. mit Drehgestellwagen mindestens 6 m Radstand und 16 t Eigengewicht haben.

Die S. bieten den Reisenden die beste und bequemste Fahrgelegenheit. Es ist deshalb auch selbstverständlich, daß die Eisenbahnverwaltungen auf ihre sichere Durchführung besonders bedacht sind und die besten und neuesten Betriebsmittel für die S. in Dienst stellen. Besondere Maßnahmen der Aufsichtsbehörden sind in dieser Richtung kaum noch erforderlich, seitdem die für die Sicherheit des Betriebs geltenden Vorschriften einen Unterschied zwischen den S. und den Personenzügen nicht mehr machen, sondern allein auf die in Anwendung kommende Fahrgeschwindigkeit aufgebaut sind. Auf den preußischen Staatsbahnen erhalten die für den Schnellzugdienst geeigneten Wagen, soweit sie nicht als 4- und 6achsige Wagen von vornherein für diesen Dienst bestimmt sind, an den beiden Stirnseiten über jedem Buffer die Anschrift „Für Schnellzüge“ (s. Bremsbrutto, Fahrgeschwindigkeit u. Fahrplan).

Sowohl in England, dem Mutterland der Eisenbahnen, als auch im übrigen Europa hat es nach Inbetriebnahme der ersten Eisenbahnen noch fast ein Jahrzehnt hindurch einer sorgfältigen Pflege und Entwicklung des Verkehrs bedurft, bis dieser einen Umfang annahm, der eine nach Nah- und Fernverkehr getrennte Bedienung durch die gewöhnlichen Personenzüge und durch S. ermöglichte. Die ersten Eisenbahnen waren zur Verbindung großer Städte untereinander als Einzelstrecken gebaut. Sie wurden vom Anfangs- bis zum Endpunkt innerhalb der Tagesstunden durchfahren. Die Zwischenstationen waren nicht so zahlreich, wie dies heute der Fall ist. Die Bahn von Berlin nach Stettin wurde am 15. August 1843 mit 6 Zwischenstationen eröffnet. Im Jahre 1916 waren 20 und mit den Berliner Vorortstationen sogar 27 Zwischenstationen vorhanden. Nachtdienst war nicht eingerichtet. Dies war bei geringem Verkehr unwirtschaftlich und wurde, solange es irgend anging, vermieden. Eine auf der Bahn begonnene Reise mußte, wenn das Ziel am Abend nicht erreicht war, unterbrochen werden. An einen Durchgangsverkehr im heutigen Sinn konnte deshalb auch zu einer Zeit noch nicht gedacht werden, als das Schienennetz bereits in größerer Ausdehnung ausgebaut war. Eine Besserung dieses für Handel und Verkehr höchst unerwünschten Zustands wurde für Deutschland erst angebahnt, als die preußische Regierung einigen Eisenbahngesellschaften unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen die Einrichtung von Nachtzügen zur Beförderung der Post und des Durchgangsverkehrs im Anschluß an die Tageszüge der Nachbarbahnen auferlegte. Zur Erhöhung der Einnahmen beförderten einzelne dieser Nachtzüge ausschließlich Reisende I. und II. Klasse. So entstanden in den Jahren 1847–1852 Zugverbindungen zwischen Berlin, Hamburg und Stettin einerseits und Wien andererseits, vorläufig noch unter Benutzung von Landfuhrwerk beim Übergang von Bahn zu Bahn an der Landesgrenze bei Oderberg. Die Gesamtreisedauer betrug 331/2, 44 und 38 Stunden. Am 15. Oktober 1847 wurden zwischen Berlin und Cöln die Reststrecken Hannover-Minden und Minden-Hamm eröffnet und damit eine durchgehende Zugverbindung hergestellt, die die bisherige Reisedauer Berlin-Cöln von 36 Stunden auf 231/2 Stunden ermäßigte. Auf einzelnen Teilstrecken der oben genannten, zwangsweise zu stände gekommenen Durchgangsverbindungen hat man damals einen beschleunigten Zug wohl als S. bezeichnet. Folgt man dieser heute allerdings nicht mehr berechtigten Auffassung, so wurde der erste deutsche S. im Jahre 1847 auf der niederschlesisch-märkischen Eisenbahn befördert. Im allgemeinen war der Verkehr in Deutschland damals aber noch nicht so entwickelt, daß man zu seiner Bedienung durch S. übergehen konnte. Ein Bedürfnis hierfür begann sich erst im Jahre 1848 geltend zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0436" n="416"/>
hatte, den man mit dem Zuschlag nicht belasten wollte. Begünstigt war diese Entwicklung durch die zahlreichen Unterwegsaufenthalte der betreffenden Züge sowie durch die nach und nach erfolgte Einführung der III. Wagenklasse. Es mußte nunmehr unterschieden werden nach zuschlagpflichtigen und zuschlagfreien S. Erstere wurden D-<hi rendition="#g">Züge</hi>, letztere <hi rendition="#g">Eilzüge</hi> (s. d.) genannt. Diese Eilzüge sind also beschleunigte Personenzüge mit I.&#x2013;III. Klasse. In verkehrsreichen Gegenden, wie z. B. in den großen Industriebezirken sind sie zwischen die eigentlichen S. und die Personenzüge eingeschoben und vermitteln so einen sehr regen Personenschnellverkehr zwischen den bedeutenderen Verkehrspunkten während der verkehrsreichen Tageszeiten.</p><lb/>
          <p>Zur besseren Platzausnützung und zur Verringerung des Zuggewichts ist es dringend geboten, die Zahl der Wagenklassen bei den S. möglichst einzuschränken. Dem Wunsch der Reisenden nachgebend, haben die Verwaltungen, insbesondere die deutschen, in zahlreichen Fällen auch bei S. die III. Wagenklasse neben der I. und II. eingeführt. Bei weiterer Entwicklung des Verkehrs ist hieraus vielfach die Notwendigkeit zur Einlegung neuer S. entstanden, die dann eine größere Reisegeschwindigkeit erhalten konnten, wenn bei ihnen von der Führung der III. Klasse abgesehen wurde (vgl. hierüber den Aufsatz: Die Fahrgeschwindigkeit der deutschen Schnellzüge. Arch. f. Ebw. 1916, S. 103).</p><lb/>
          <p>Um einen ruhigen Lauf der Wagen zu erzielen, müssen die Wagen eines Zuges möglichst von gleicher Bauart sein. Für den Schnellzugdienst werden jetzt vorwiegend Drehgestellwagen verwendet (s. Betriebsmittel). Die Einstellung von 2- oder 3achsigen Wagen in die S. muß deshalb möglichst vermieden werden. Namentlich sollen solche Wagen nicht zwischen den Drehgestellwagen laufen. Abweichungen von dieser Regel bedürfen auf den deutschen Eisenbahnen nach § 91 (5) der FV. der Genehmigung der Eisenbahndirektion. Nach § 91 (6) der FV. müssen 3achsige Wagen in S. mit Drehgestellwagen mindestens 6 <hi rendition="#i">m</hi> Radstand und 16 <hi rendition="#i">t</hi> Eigengewicht haben.</p><lb/>
          <p>Die S. bieten den Reisenden die beste und bequemste Fahrgelegenheit. Es ist deshalb auch selbstverständlich, daß die Eisenbahnverwaltungen auf ihre sichere Durchführung besonders bedacht sind und die besten und neuesten Betriebsmittel für die S. in Dienst stellen. Besondere Maßnahmen der Aufsichtsbehörden sind in dieser Richtung kaum noch erforderlich, seitdem die für die Sicherheit des Betriebs geltenden Vorschriften einen Unterschied zwischen den S. und den Personenzügen nicht mehr machen, sondern allein auf die in Anwendung kommende Fahrgeschwindigkeit aufgebaut sind. Auf den preußischen Staatsbahnen erhalten die für den Schnellzugdienst geeigneten Wagen, soweit sie nicht als 4- und 6achsige Wagen von vornherein für diesen Dienst bestimmt sind, an den beiden Stirnseiten über jedem Buffer die Anschrift &#x201E;<hi rendition="#g">Für Schnellzüge</hi>&#x201C; (s. <hi rendition="#g">Bremsbrutto</hi>, <hi rendition="#g">Fahrgeschwindigkeit</hi> u. <hi rendition="#g">Fahrplan</hi>).</p><lb/>
          <p>Sowohl in England, dem Mutterland der Eisenbahnen, als auch im übrigen Europa hat es nach Inbetriebnahme der ersten Eisenbahnen noch fast ein Jahrzehnt hindurch einer sorgfältigen Pflege und Entwicklung des Verkehrs bedurft, bis dieser einen Umfang annahm, der eine nach Nah- und Fernverkehr getrennte Bedienung durch die gewöhnlichen Personenzüge und durch S. ermöglichte. Die ersten Eisenbahnen waren zur Verbindung großer Städte untereinander als Einzelstrecken gebaut. Sie wurden vom Anfangs- bis zum Endpunkt innerhalb der Tagesstunden durchfahren. Die Zwischenstationen waren nicht so zahlreich, wie dies heute der Fall ist. Die Bahn von Berlin nach Stettin wurde am 15. August 1843 mit 6 Zwischenstationen eröffnet. Im Jahre 1916 waren 20 und mit den Berliner Vorortstationen sogar 27 Zwischenstationen vorhanden. Nachtdienst war nicht eingerichtet. Dies war bei geringem Verkehr unwirtschaftlich und wurde, solange es irgend anging, vermieden. Eine auf der Bahn begonnene Reise mußte, wenn das Ziel am Abend nicht erreicht war, unterbrochen werden. An einen Durchgangsverkehr im heutigen Sinn konnte deshalb auch zu einer Zeit noch nicht gedacht werden, als das Schienennetz bereits in größerer Ausdehnung ausgebaut war. Eine Besserung dieses für Handel und Verkehr höchst unerwünschten Zustands wurde für Deutschland erst angebahnt, als die preußische Regierung einigen Eisenbahngesellschaften unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen die Einrichtung von Nachtzügen zur Beförderung der Post und des Durchgangsverkehrs im Anschluß an die Tageszüge der Nachbarbahnen auferlegte. Zur Erhöhung der Einnahmen beförderten einzelne dieser Nachtzüge ausschließlich Reisende I. und II. Klasse. So entstanden in den Jahren 1847&#x2013;1852 Zugverbindungen zwischen Berlin, Hamburg und Stettin einerseits und Wien andererseits, vorläufig noch unter Benutzung von Landfuhrwerk beim Übergang von Bahn zu Bahn an der Landesgrenze bei Oderberg. Die Gesamtreisedauer betrug 33<hi rendition="#sup">1</hi>/<hi rendition="#sub">2</hi>, 44 und 38 Stunden. Am 15. Oktober 1847 wurden zwischen Berlin und Cöln die Reststrecken Hannover-Minden und Minden-Hamm eröffnet und damit eine durchgehende Zugverbindung hergestellt, die die bisherige Reisedauer Berlin-Cöln von 36 Stunden auf 23<hi rendition="#sup">1</hi>/<hi rendition="#sub">2</hi> Stunden ermäßigte. Auf einzelnen Teilstrecken der oben genannten, zwangsweise zu stände gekommenen Durchgangsverbindungen hat man damals einen beschleunigten Zug wohl als S. bezeichnet. Folgt man dieser heute allerdings nicht mehr berechtigten Auffassung, so wurde der <hi rendition="#g">erste deutsche</hi> S. im Jahre 1847 auf der niederschlesisch-märkischen Eisenbahn befördert. Im allgemeinen war der Verkehr in Deutschland damals aber noch nicht so entwickelt, daß man zu seiner Bedienung durch S. übergehen konnte. Ein Bedürfnis hierfür begann sich erst im Jahre 1848 geltend zu
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0436] hatte, den man mit dem Zuschlag nicht belasten wollte. Begünstigt war diese Entwicklung durch die zahlreichen Unterwegsaufenthalte der betreffenden Züge sowie durch die nach und nach erfolgte Einführung der III. Wagenklasse. Es mußte nunmehr unterschieden werden nach zuschlagpflichtigen und zuschlagfreien S. Erstere wurden D-Züge, letztere Eilzüge (s. d.) genannt. Diese Eilzüge sind also beschleunigte Personenzüge mit I.–III. Klasse. In verkehrsreichen Gegenden, wie z. B. in den großen Industriebezirken sind sie zwischen die eigentlichen S. und die Personenzüge eingeschoben und vermitteln so einen sehr regen Personenschnellverkehr zwischen den bedeutenderen Verkehrspunkten während der verkehrsreichen Tageszeiten. Zur besseren Platzausnützung und zur Verringerung des Zuggewichts ist es dringend geboten, die Zahl der Wagenklassen bei den S. möglichst einzuschränken. Dem Wunsch der Reisenden nachgebend, haben die Verwaltungen, insbesondere die deutschen, in zahlreichen Fällen auch bei S. die III. Wagenklasse neben der I. und II. eingeführt. Bei weiterer Entwicklung des Verkehrs ist hieraus vielfach die Notwendigkeit zur Einlegung neuer S. entstanden, die dann eine größere Reisegeschwindigkeit erhalten konnten, wenn bei ihnen von der Führung der III. Klasse abgesehen wurde (vgl. hierüber den Aufsatz: Die Fahrgeschwindigkeit der deutschen Schnellzüge. Arch. f. Ebw. 1916, S. 103). Um einen ruhigen Lauf der Wagen zu erzielen, müssen die Wagen eines Zuges möglichst von gleicher Bauart sein. Für den Schnellzugdienst werden jetzt vorwiegend Drehgestellwagen verwendet (s. Betriebsmittel). Die Einstellung von 2- oder 3achsigen Wagen in die S. muß deshalb möglichst vermieden werden. Namentlich sollen solche Wagen nicht zwischen den Drehgestellwagen laufen. Abweichungen von dieser Regel bedürfen auf den deutschen Eisenbahnen nach § 91 (5) der FV. der Genehmigung der Eisenbahndirektion. Nach § 91 (6) der FV. müssen 3achsige Wagen in S. mit Drehgestellwagen mindestens 6 m Radstand und 16 t Eigengewicht haben. Die S. bieten den Reisenden die beste und bequemste Fahrgelegenheit. Es ist deshalb auch selbstverständlich, daß die Eisenbahnverwaltungen auf ihre sichere Durchführung besonders bedacht sind und die besten und neuesten Betriebsmittel für die S. in Dienst stellen. Besondere Maßnahmen der Aufsichtsbehörden sind in dieser Richtung kaum noch erforderlich, seitdem die für die Sicherheit des Betriebs geltenden Vorschriften einen Unterschied zwischen den S. und den Personenzügen nicht mehr machen, sondern allein auf die in Anwendung kommende Fahrgeschwindigkeit aufgebaut sind. Auf den preußischen Staatsbahnen erhalten die für den Schnellzugdienst geeigneten Wagen, soweit sie nicht als 4- und 6achsige Wagen von vornherein für diesen Dienst bestimmt sind, an den beiden Stirnseiten über jedem Buffer die Anschrift „Für Schnellzüge“ (s. Bremsbrutto, Fahrgeschwindigkeit u. Fahrplan). Sowohl in England, dem Mutterland der Eisenbahnen, als auch im übrigen Europa hat es nach Inbetriebnahme der ersten Eisenbahnen noch fast ein Jahrzehnt hindurch einer sorgfältigen Pflege und Entwicklung des Verkehrs bedurft, bis dieser einen Umfang annahm, der eine nach Nah- und Fernverkehr getrennte Bedienung durch die gewöhnlichen Personenzüge und durch S. ermöglichte. Die ersten Eisenbahnen waren zur Verbindung großer Städte untereinander als Einzelstrecken gebaut. Sie wurden vom Anfangs- bis zum Endpunkt innerhalb der Tagesstunden durchfahren. Die Zwischenstationen waren nicht so zahlreich, wie dies heute der Fall ist. Die Bahn von Berlin nach Stettin wurde am 15. August 1843 mit 6 Zwischenstationen eröffnet. Im Jahre 1916 waren 20 und mit den Berliner Vorortstationen sogar 27 Zwischenstationen vorhanden. Nachtdienst war nicht eingerichtet. Dies war bei geringem Verkehr unwirtschaftlich und wurde, solange es irgend anging, vermieden. Eine auf der Bahn begonnene Reise mußte, wenn das Ziel am Abend nicht erreicht war, unterbrochen werden. An einen Durchgangsverkehr im heutigen Sinn konnte deshalb auch zu einer Zeit noch nicht gedacht werden, als das Schienennetz bereits in größerer Ausdehnung ausgebaut war. Eine Besserung dieses für Handel und Verkehr höchst unerwünschten Zustands wurde für Deutschland erst angebahnt, als die preußische Regierung einigen Eisenbahngesellschaften unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen die Einrichtung von Nachtzügen zur Beförderung der Post und des Durchgangsverkehrs im Anschluß an die Tageszüge der Nachbarbahnen auferlegte. Zur Erhöhung der Einnahmen beförderten einzelne dieser Nachtzüge ausschließlich Reisende I. und II. Klasse. So entstanden in den Jahren 1847–1852 Zugverbindungen zwischen Berlin, Hamburg und Stettin einerseits und Wien andererseits, vorläufig noch unter Benutzung von Landfuhrwerk beim Übergang von Bahn zu Bahn an der Landesgrenze bei Oderberg. Die Gesamtreisedauer betrug 331/2, 44 und 38 Stunden. Am 15. Oktober 1847 wurden zwischen Berlin und Cöln die Reststrecken Hannover-Minden und Minden-Hamm eröffnet und damit eine durchgehende Zugverbindung hergestellt, die die bisherige Reisedauer Berlin-Cöln von 36 Stunden auf 231/2 Stunden ermäßigte. Auf einzelnen Teilstrecken der oben genannten, zwangsweise zu stände gekommenen Durchgangsverbindungen hat man damals einen beschleunigten Zug wohl als S. bezeichnet. Folgt man dieser heute allerdings nicht mehr berechtigten Auffassung, so wurde der erste deutsche S. im Jahre 1847 auf der niederschlesisch-märkischen Eisenbahn befördert. Im allgemeinen war der Verkehr in Deutschland damals aber noch nicht so entwickelt, daß man zu seiner Bedienung durch S. übergehen konnte. Ein Bedürfnis hierfür begann sich erst im Jahre 1848 geltend zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T17:32:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T17:32:51Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein

Spaltenumbrüche sind nicht markiert. Wiederholungszeichen (") wurden aufgelöst. Komplexe Formeln und Tabellen sind als Grafiken wiedergegeben.

Die Abbildungen im Text sowie die Faksimiles 0459 und 0460 stammen von zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/436
Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/436>, abgerufen am 01.11.2024.