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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.

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Aus allen diesen Gründen ist das Anlagekapital der Eisenbahnen der V. verhältnismäßig klein. Es betrug Ende 1917 für 253.625 Meilen insgesamt 19.764,941.991 Dollar = rd. 80 Milliarden M. Für die engl. Meile stellte sich das Anlagekapital auf rd. 78.000 Dollar = 200.000 M/km.

Die Eisenbahnen stehen im Eigentum und Betrieb von Aktiengesellschaften, die sich in ihrer Bildung und Verwaltung von anderen dortigen Aktiengesellschaften nicht wesentlich unterscheiden. Das Aktienrecht ist nicht Bundesrecht, sondern Recht der Einzelstaaten; indessen stimmen die Rechte der verschiedenen Staaten in der Hauptsache untereinander überein. Hiernach bedarf es für eine Eisenbahngesellschaft keiner staatlichen Konzession für die ausschließlich innerhalb des Gebiets eines Einzelstaats gelegenen Eisenbahnstrecken. Man befürchtete, als es sich beispielsweise im Staat New York um Erlaß eines Eisenbahngesetzes handelte, daß ein Eingreifen der Staatsgewalt, d. h. die Verschacherung von Eisenbahnkonzessionen durch die jedesmalige Regierung bedenklicher sei als eine völlige Eisenbahnfreiheit, von der man damals noch annahm, daß sie in dem Wettbewerb der Eisenbahnen ihre natürliche Schranke finden werde. Es wurde also der Eisenbahnbau innerhalb der Staatsgrenzen freigegeben. Ein eigentlicher Freibrief, eine Konzession (charter) ist nur erforderlich für die Bahnen, die von Anfang an bestimmt sind, die Gebiete mehrerer Staaten zu durchziehen, und dieser Freibrief wird von der Bundesregierung erteilt. Diese gewährt dann auch das Straßenrecht (right of way) durch die Gebiete der Einzelstaaten. Im übrigen ist es Sache der Eisenbahnen, durch welche Mittel sie sich in den Besitz des Grund und Bodens setzen wollen. Ein Enteignungsrecht wird ihnen nicht verliehen.

Zur Bildung einer Eisenbahn-Aktiengesellschaft genügt es, daß eine Anzahl von Personen - meistens 10 - zusammentreten und Satzungen entwerfen, in denen sie den Zweck des Unternehmens, die Höhe des Aktienkapitals (stock), die Zahl der Aktien (shares) und den Betrag der Einzahlung feststellen. Der Inhalt dieser Satzungen wird der Staatsbehörde angezeigt und von dieser formell geprüft, wobei sie sich um die materielle Seite, also beispielsweise die Richtung der Bahn, die Höhe des Aktienkapitals im Verhältnis zu den Herstellungskosten, das Verhältnis der Aktien zu den Obligationen u. dgl. nicht weiter kümmert. Die Kostenvoranschläge werden von der Gesellschaft meist ganz oberflächlich gemacht, unter Annahme eines Durchschnitts-Herstellungsbetrags für die Meile, der mit der angenommenen Länge der Bahn vervielfältigt wird. Auch eine genaue technische Prüfung und Feststellung der Bahnlinie durch die Regierung vor Feststellung des Anlagekapitals hält man nicht für erforderlich. Zugleich mit dem Aktienkapital wird der Betrag der Obligationenschuld festgestellt und die Obligationen, die auch vielfach unter dem Nennwert ausgegeben werden, werden hauptsächlich zum Bau der Bahn verwendet. Die Aktien, auf die nur eine geringe bare Einzahlung - in vielen Fällen nur 1% des Aktienkapitals - geleistet wird, verbleiben in den Händen der Gründer oder werden von diesen z. T. an die Zeichner der Obligationen als sog. Bonus (Prämie) unentgeltlich verabfolgt, unter Umständen auch dazu verwendet, an die von der Bahn durchzogenen Gemeinden, an Grundbesitzer, an einflußreiche Personen, die sich um die Gründung des Unternehmens verdient gemacht haben, als Geschenk gegeben zu werden. Die Besitzer veräußern dann ihre Aktien, sobald sie einen für sie annehmbaren Börsenkurs haben.

An der Spitze der Eisenbahn - als Aktiengesellschaft - steht eine aus mehreren Personen zusammengesetzte Direktion und ein Verwaltungsrat. Die Mitglieder dieser Körperschaften müssen eine Anzahl Aktien besitzen. Das Hauptorgan der Gesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre. Nach dem amerikanischen Recht gewährt eine Aktie auch eine Stimme und es gilt volle Freiheit der Stellvertretung. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, durch den Besitz von einer Stimme über die absolute Mehrheit der Aktien gültige Beschlüsse herbeizuführen und es ist den Direktoren meist ein Leichtes, eine solche Mehrheit in ihren Händen zu vereinigen und sodann das Unternehmen nach ihrem Belieben zu leiten.

Eine Folge davon ist, daß die Eisenbahngesellschaften oft von Personen finanziell geleitet werden, die persönlich an einem Gedeihen der Bahn wenig interessiert sind, während die Personen, die bei weitem das meiste Geld zum Bau hergegeben haben, die Obligationäre, gar keinen Einfluß auf die Verwaltung besitzen.

Eine Unterstützung der Eisenbahnen hat seit Beginn des Eisenbahnzeitalters auch, in den V. stattgefunden. Bei den ersten Eisenbahnen erfolgten die Vermessungen sowie die Anfertigung von Vorarbeiten durch Staatsbeamte unentgeltlich, den Eisenbahnen wurde zollfreie Einfuhr der Bau- und Betriebsmaterialien, es wurden ihnen besonders günstige Bedingungen für die Beförderung der Postsachen zugestanden, in einzelnen Fällen auch geldliche Beihilfe in Form von Darlehen oder

Aus allen diesen Gründen ist das Anlagekapital der Eisenbahnen der V. verhältnismäßig klein. Es betrug Ende 1917 für 253.625 Meilen insgesamt 19.764,941.991 Dollar = rd. 80 Milliarden M. Für die engl. Meile stellte sich das Anlagekapital auf rd. 78.000 Dollar = 200.000 M/km.

Die Eisenbahnen stehen im Eigentum und Betrieb von Aktiengesellschaften, die sich in ihrer Bildung und Verwaltung von anderen dortigen Aktiengesellschaften nicht wesentlich unterscheiden. Das Aktienrecht ist nicht Bundesrecht, sondern Recht der Einzelstaaten; indessen stimmen die Rechte der verschiedenen Staaten in der Hauptsache untereinander überein. Hiernach bedarf es für eine Eisenbahngesellschaft keiner staatlichen Konzession für die ausschließlich innerhalb des Gebiets eines Einzelstaats gelegenen Eisenbahnstrecken. Man befürchtete, als es sich beispielsweise im Staat New York um Erlaß eines Eisenbahngesetzes handelte, daß ein Eingreifen der Staatsgewalt, d. h. die Verschacherung von Eisenbahnkonzessionen durch die jedesmalige Regierung bedenklicher sei als eine völlige Eisenbahnfreiheit, von der man damals noch annahm, daß sie in dem Wettbewerb der Eisenbahnen ihre natürliche Schranke finden werde. Es wurde also der Eisenbahnbau innerhalb der Staatsgrenzen freigegeben. Ein eigentlicher Freibrief, eine Konzession (charter) ist nur erforderlich für die Bahnen, die von Anfang an bestimmt sind, die Gebiete mehrerer Staaten zu durchziehen, und dieser Freibrief wird von der Bundesregierung erteilt. Diese gewährt dann auch das Straßenrecht (right of way) durch die Gebiete der Einzelstaaten. Im übrigen ist es Sache der Eisenbahnen, durch welche Mittel sie sich in den Besitz des Grund und Bodens setzen wollen. Ein Enteignungsrecht wird ihnen nicht verliehen.

Zur Bildung einer Eisenbahn-Aktiengesellschaft genügt es, daß eine Anzahl von Personen – meistens 10 – zusammentreten und Satzungen entwerfen, in denen sie den Zweck des Unternehmens, die Höhe des Aktienkapitals (stock), die Zahl der Aktien (shares) und den Betrag der Einzahlung feststellen. Der Inhalt dieser Satzungen wird der Staatsbehörde angezeigt und von dieser formell geprüft, wobei sie sich um die materielle Seite, also beispielsweise die Richtung der Bahn, die Höhe des Aktienkapitals im Verhältnis zu den Herstellungskosten, das Verhältnis der Aktien zu den Obligationen u. dgl. nicht weiter kümmert. Die Kostenvoranschläge werden von der Gesellschaft meist ganz oberflächlich gemacht, unter Annahme eines Durchschnitts-Herstellungsbetrags für die Meile, der mit der angenommenen Länge der Bahn vervielfältigt wird. Auch eine genaue technische Prüfung und Feststellung der Bahnlinie durch die Regierung vor Feststellung des Anlagekapitals hält man nicht für erforderlich. Zugleich mit dem Aktienkapital wird der Betrag der Obligationenschuld festgestellt und die Obligationen, die auch vielfach unter dem Nennwert ausgegeben werden, werden hauptsächlich zum Bau der Bahn verwendet. Die Aktien, auf die nur eine geringe bare Einzahlung – in vielen Fällen nur 1% des Aktienkapitals – geleistet wird, verbleiben in den Händen der Gründer oder werden von diesen z. T. an die Zeichner der Obligationen als sog. Bonus (Prämie) unentgeltlich verabfolgt, unter Umständen auch dazu verwendet, an die von der Bahn durchzogenen Gemeinden, an Grundbesitzer, an einflußreiche Personen, die sich um die Gründung des Unternehmens verdient gemacht haben, als Geschenk gegeben zu werden. Die Besitzer veräußern dann ihre Aktien, sobald sie einen für sie annehmbaren Börsenkurs haben.

An der Spitze der Eisenbahn – als Aktiengesellschaft – steht eine aus mehreren Personen zusammengesetzte Direktion und ein Verwaltungsrat. Die Mitglieder dieser Körperschaften müssen eine Anzahl Aktien besitzen. Das Hauptorgan der Gesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre. Nach dem amerikanischen Recht gewährt eine Aktie auch eine Stimme und es gilt volle Freiheit der Stellvertretung. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, durch den Besitz von einer Stimme über die absolute Mehrheit der Aktien gültige Beschlüsse herbeizuführen und es ist den Direktoren meist ein Leichtes, eine solche Mehrheit in ihren Händen zu vereinigen und sodann das Unternehmen nach ihrem Belieben zu leiten.

Eine Folge davon ist, daß die Eisenbahngesellschaften oft von Personen finanziell geleitet werden, die persönlich an einem Gedeihen der Bahn wenig interessiert sind, während die Personen, die bei weitem das meiste Geld zum Bau hergegeben haben, die Obligationäre, gar keinen Einfluß auf die Verwaltung besitzen.

Eine Unterstützung der Eisenbahnen hat seit Beginn des Eisenbahnzeitalters auch, in den V. stattgefunden. Bei den ersten Eisenbahnen erfolgten die Vermessungen sowie die Anfertigung von Vorarbeiten durch Staatsbeamte unentgeltlich, den Eisenbahnen wurde zollfreie Einfuhr der Bau- und Betriebsmaterialien, es wurden ihnen besonders günstige Bedingungen für die Beförderung der Postsachen zugestanden, in einzelnen Fällen auch geldliche Beihilfe in Form von Darlehen oder

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[104/0117] Aus allen diesen Gründen ist das Anlagekapital der Eisenbahnen der V. verhältnismäßig klein. Es betrug Ende 1917 für 253.625 Meilen insgesamt 19.764,941.991 Dollar = rd. 80 Milliarden M. Für die engl. Meile stellte sich das Anlagekapital auf rd. 78.000 Dollar = 200.000 M/km. Die Eisenbahnen stehen im Eigentum und Betrieb von Aktiengesellschaften, die sich in ihrer Bildung und Verwaltung von anderen dortigen Aktiengesellschaften nicht wesentlich unterscheiden. Das Aktienrecht ist nicht Bundesrecht, sondern Recht der Einzelstaaten; indessen stimmen die Rechte der verschiedenen Staaten in der Hauptsache untereinander überein. Hiernach bedarf es für eine Eisenbahngesellschaft keiner staatlichen Konzession für die ausschließlich innerhalb des Gebiets eines Einzelstaats gelegenen Eisenbahnstrecken. Man befürchtete, als es sich beispielsweise im Staat New York um Erlaß eines Eisenbahngesetzes handelte, daß ein Eingreifen der Staatsgewalt, d. h. die Verschacherung von Eisenbahnkonzessionen durch die jedesmalige Regierung bedenklicher sei als eine völlige Eisenbahnfreiheit, von der man damals noch annahm, daß sie in dem Wettbewerb der Eisenbahnen ihre natürliche Schranke finden werde. Es wurde also der Eisenbahnbau innerhalb der Staatsgrenzen freigegeben. Ein eigentlicher Freibrief, eine Konzession (charter) ist nur erforderlich für die Bahnen, die von Anfang an bestimmt sind, die Gebiete mehrerer Staaten zu durchziehen, und dieser Freibrief wird von der Bundesregierung erteilt. Diese gewährt dann auch das Straßenrecht (right of way) durch die Gebiete der Einzelstaaten. Im übrigen ist es Sache der Eisenbahnen, durch welche Mittel sie sich in den Besitz des Grund und Bodens setzen wollen. Ein Enteignungsrecht wird ihnen nicht verliehen. Zur Bildung einer Eisenbahn-Aktiengesellschaft genügt es, daß eine Anzahl von Personen – meistens 10 – zusammentreten und Satzungen entwerfen, in denen sie den Zweck des Unternehmens, die Höhe des Aktienkapitals (stock), die Zahl der Aktien (shares) und den Betrag der Einzahlung feststellen. Der Inhalt dieser Satzungen wird der Staatsbehörde angezeigt und von dieser formell geprüft, wobei sie sich um die materielle Seite, also beispielsweise die Richtung der Bahn, die Höhe des Aktienkapitals im Verhältnis zu den Herstellungskosten, das Verhältnis der Aktien zu den Obligationen u. dgl. nicht weiter kümmert. Die Kostenvoranschläge werden von der Gesellschaft meist ganz oberflächlich gemacht, unter Annahme eines Durchschnitts-Herstellungsbetrags für die Meile, der mit der angenommenen Länge der Bahn vervielfältigt wird. Auch eine genaue technische Prüfung und Feststellung der Bahnlinie durch die Regierung vor Feststellung des Anlagekapitals hält man nicht für erforderlich. Zugleich mit dem Aktienkapital wird der Betrag der Obligationenschuld festgestellt und die Obligationen, die auch vielfach unter dem Nennwert ausgegeben werden, werden hauptsächlich zum Bau der Bahn verwendet. Die Aktien, auf die nur eine geringe bare Einzahlung – in vielen Fällen nur 1% des Aktienkapitals – geleistet wird, verbleiben in den Händen der Gründer oder werden von diesen z. T. an die Zeichner der Obligationen als sog. Bonus (Prämie) unentgeltlich verabfolgt, unter Umständen auch dazu verwendet, an die von der Bahn durchzogenen Gemeinden, an Grundbesitzer, an einflußreiche Personen, die sich um die Gründung des Unternehmens verdient gemacht haben, als Geschenk gegeben zu werden. Die Besitzer veräußern dann ihre Aktien, sobald sie einen für sie annehmbaren Börsenkurs haben. An der Spitze der Eisenbahn – als Aktiengesellschaft – steht eine aus mehreren Personen zusammengesetzte Direktion und ein Verwaltungsrat. Die Mitglieder dieser Körperschaften müssen eine Anzahl Aktien besitzen. Das Hauptorgan der Gesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre. Nach dem amerikanischen Recht gewährt eine Aktie auch eine Stimme und es gilt volle Freiheit der Stellvertretung. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, durch den Besitz von einer Stimme über die absolute Mehrheit der Aktien gültige Beschlüsse herbeizuführen und es ist den Direktoren meist ein Leichtes, eine solche Mehrheit in ihren Händen zu vereinigen und sodann das Unternehmen nach ihrem Belieben zu leiten. Eine Folge davon ist, daß die Eisenbahngesellschaften oft von Personen finanziell geleitet werden, die persönlich an einem Gedeihen der Bahn wenig interessiert sind, während die Personen, die bei weitem das meiste Geld zum Bau hergegeben haben, die Obligationäre, gar keinen Einfluß auf die Verwaltung besitzen. Eine Unterstützung der Eisenbahnen hat seit Beginn des Eisenbahnzeitalters auch, in den V. stattgefunden. Bei den ersten Eisenbahnen erfolgten die Vermessungen sowie die Anfertigung von Vorarbeiten durch Staatsbeamte unentgeltlich, den Eisenbahnen wurde zollfreie Einfuhr der Bau- und Betriebsmaterialien, es wurden ihnen besonders günstige Bedingungen für die Beförderung der Postsachen zugestanden, in einzelnen Fällen auch geldliche Beihilfe in Form von Darlehen oder

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/117>, abgerufen am 24.11.2024.