Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.Höhe an dem unteren Ende nicht in fester Einspannung mit dem Sockel verbunden sein, da sie sonst durch die nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte zu ungünstig beansprucht würden. Sie werden daher gelenkförmig gelagert, u. zw. entweder auf ein zylindrisches Kipplager, dessen Achse senkrecht zur Brückenachse steht, oder auf ein Kugellager. Auch die Auflagerung der Träger auf den Pfeilern ist in ähnlicher Weise mittels Kipplager durchzuführen. Bei Anwendung von Pendelpfeilern ergibt sich infolge der geringeren Pfeilerkosten die günstigste Spannweite für den Überbau des V. kleiner als bei Turmpfeilern. So zeigt der 1901/02 erbaute, 180 m lange V. der Ofotenbahn über Norddalsenden bei Narvik in Norwegen Pendelpfeiler von bis 30 m Höhe in bloß 18 m Abstand mit einem aus Blechbalken bestehenden Überbau und ähnlich sind auch 1906/07 von der Unternehmung Harkort die V. in Atjeh auf Sumatra ausgeführt worden. Hier handelte es sich zudem um möglichste Vereinfachung der Aufstellungsarbeiten, die, wie Abb. 74 zeigt, ohne jede Einrüstung mit Hilfe eines auf den Trägern fahrbaren, auskragenden Krangerüstes bewerkstelligt werden konnten. Diese V. haben mit Blechbalken überspannte, 16 m weite Öffnungen und bis 25 m hohe Pendelpfeiler. Zu den größeren V. mit Pendelpfeilern zählen in Deutschland der V. über das Oschützbachtal auf der Linie Mehltheuer-Weida in Sachsen mit 3 Öffnungen von 32·5, 36·0 und 32·5 m und 20 m hohen Pendelpfeilern, ferner der V. über den Argentobel im Allgäu mit 84 m größter Öffnungsweite und 30 m hohen Pendelpfeilern (Abb. 75), die Hochbrücken über den Kaiser-Wilhelm-Kanal zu Holtenau und zu Rendsburg, der Talübergang bei Westerburg im Eisenbahndirektionsbezirk Frankfurt u. a. Ferner bestehen auf den norwegischen Staatsbahnen mehrere derartige Bauwerke, so der V. über das Solbergtal bei Thomter mit Fachwerksträgern von 20 m Spannweite und 30 m hohen Pendelpfeilern, der Lysetal-, der Barug- und Haabölviadukt. Auch in Sachsen sind mehrere V. mit Pendelpfeilern auf den neueren Staatsbahnlinien zur Ausführung gekommen. Werden 2 nebeneinander stehende Wandpfeiler in den Ebenen der Pfosten durch Ausfachung verbunden, so entsteht ein Gerüstpfeiler, der sich von einem obeliskartigen Turmpfeiler dadurch unterscheidet, daß er in der Richtung der Brückenlängsachse keine Verjüngung nach oben und überhaupt größere Breite hat, so daß er selbst einer überspannenden Tragkonstruktion bedarf. Gerüstpfeiler werden bei den neueren Ausführungen den Turmpfeilern vorgezogen, da sie eine Verringerung der Stützweiten des Tragwerks ergeben und sich zur Aufnahme der nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte gut eignen. Eine gelenkige Lagerung auf den hier meist getrennt angeordneten Ständersockeln ist nicht notwendig. Bei abfallendem Gelände können die 4 Ständer eines Pfeilers auch verschieden hoch gelagert werden. Die meisten und größten Gerüstpfeilerviadukte sind in Amerika ausgeführt; bei ihnen stehen die Pfeiler ziemlich ![]() Abb. 77. Viadukt bei Mutters (Stubaitalbahn, Tirol). Höhe an dem unteren Ende nicht in fester Einspannung mit dem Sockel verbunden sein, da sie sonst durch die nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte zu ungünstig beansprucht würden. Sie werden daher gelenkförmig gelagert, u. zw. entweder auf ein zylindrisches Kipplager, dessen Achse senkrecht zur Brückenachse steht, oder auf ein Kugellager. Auch die Auflagerung der Träger auf den Pfeilern ist in ähnlicher Weise mittels Kipplager durchzuführen. Bei Anwendung von Pendelpfeilern ergibt sich infolge der geringeren Pfeilerkosten die günstigste Spannweite für den Überbau des V. kleiner als bei Turmpfeilern. So zeigt der 1901/02 erbaute, 180 m lange V. der Ofotenbahn über Norddalsenden bei Narvik in Norwegen Pendelpfeiler von bis 30 m Höhe in bloß 18 m Abstand mit einem aus Blechbalken bestehenden Überbau und ähnlich sind auch 1906/07 von der Unternehmung Harkort die V. in Atjeh auf Sumatra ausgeführt worden. Hier handelte es sich zudem um möglichste Vereinfachung der Aufstellungsarbeiten, die, wie Abb. 74 zeigt, ohne jede Einrüstung mit Hilfe eines auf den Trägern fahrbaren, auskragenden Krangerüstes bewerkstelligt werden konnten. Diese V. haben mit Blechbalken überspannte, 16 m weite Öffnungen und bis 25 m hohe Pendelpfeiler. Zu den größeren V. mit Pendelpfeilern zählen in Deutschland der V. über das Oschützbachtal auf der Linie Mehltheuer-Weida in Sachsen mit 3 Öffnungen von 32·5, 36·0 und 32·5 m und 20 m hohen Pendelpfeilern, ferner der V. über den Argentobel im Allgäu mit 84 m größter Öffnungsweite und 30 m hohen Pendelpfeilern (Abb. 75), die Hochbrücken über den Kaiser-Wilhelm-Kanal zu Holtenau und zu Rendsburg, der Talübergang bei Westerburg im Eisenbahndirektionsbezirk Frankfurt u. a. Ferner bestehen auf den norwegischen Staatsbahnen mehrere derartige Bauwerke, so der V. über das Solbergtal bei Thomter mit Fachwerksträgern von 20 m Spannweite und 30 m hohen Pendelpfeilern, der Lysetal-, der Barug- und Haabölviadukt. Auch in Sachsen sind mehrere V. mit Pendelpfeilern auf den neueren Staatsbahnlinien zur Ausführung gekommen. Werden 2 nebeneinander stehende Wandpfeiler in den Ebenen der Pfosten durch Ausfachung verbunden, so entsteht ein Gerüstpfeiler, der sich von einem obeliskartigen Turmpfeiler dadurch unterscheidet, daß er in der Richtung der Brückenlängsachse keine Verjüngung nach oben und überhaupt größere Breite hat, so daß er selbst einer überspannenden Tragkonstruktion bedarf. Gerüstpfeiler werden bei den neueren Ausführungen den Turmpfeilern vorgezogen, da sie eine Verringerung der Stützweiten des Tragwerks ergeben und sich zur Aufnahme der nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte gut eignen. Eine gelenkige Lagerung auf den hier meist getrennt angeordneten Ständersockeln ist nicht notwendig. Bei abfallendem Gelände können die 4 Ständer eines Pfeilers auch verschieden hoch gelagert werden. Die meisten und größten Gerüstpfeilerviadukte sind in Amerika ausgeführt; bei ihnen stehen die Pfeiler ziemlich ![]() Abb. 77. Viadukt bei Mutters (Stubaitalbahn, Tirol). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="195"/> Höhe an dem unteren Ende nicht in fester Einspannung mit dem Sockel verbunden sein, da sie sonst durch die nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte zu ungünstig beansprucht würden. Sie werden daher gelenkförmig gelagert, u. zw. entweder auf ein zylindrisches Kipplager, dessen Achse senkrecht zur Brückenachse steht, oder auf ein Kugellager. Auch die Auflagerung der Träger auf den Pfeilern ist in ähnlicher Weise mittels Kipplager durchzuführen. 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Höhe an dem unteren Ende nicht in fester Einspannung mit dem Sockel verbunden sein, da sie sonst durch die nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte zu ungünstig beansprucht würden. Sie werden daher gelenkförmig gelagert, u. zw. entweder auf ein zylindrisches Kipplager, dessen Achse senkrecht zur Brückenachse steht, oder auf ein Kugellager. Auch die Auflagerung der Träger auf den Pfeilern ist in ähnlicher Weise mittels Kipplager durchzuführen. Bei Anwendung von Pendelpfeilern ergibt sich infolge der geringeren Pfeilerkosten die günstigste Spannweite für den Überbau des V. kleiner als bei Turmpfeilern.
So zeigt der 1901/02 erbaute, 180 m lange V. der Ofotenbahn über Norddalsenden bei Narvik in Norwegen Pendelpfeiler von bis 30 m Höhe in bloß 18 m Abstand mit einem aus Blechbalken bestehenden Überbau und ähnlich sind auch 1906/07 von der Unternehmung Harkort die V. in Atjeh auf Sumatra ausgeführt worden. Hier handelte es sich zudem um möglichste Vereinfachung der Aufstellungsarbeiten, die, wie Abb. 74 zeigt, ohne jede Einrüstung mit Hilfe eines auf den Trägern fahrbaren, auskragenden Krangerüstes bewerkstelligt werden konnten. Diese V. haben mit Blechbalken überspannte, 16 m weite Öffnungen und bis 25 m hohe Pendelpfeiler. Zu den größeren V. mit Pendelpfeilern zählen in Deutschland der V. über das Oschützbachtal auf der Linie Mehltheuer-Weida in Sachsen mit 3 Öffnungen von 32·5, 36·0 und 32·5 m und 20 m hohen Pendelpfeilern, ferner der V. über den Argentobel im Allgäu mit 84 m größter Öffnungsweite und 30 m hohen Pendelpfeilern (Abb. 75), die Hochbrücken über den Kaiser-Wilhelm-Kanal zu Holtenau und zu Rendsburg, der Talübergang bei Westerburg im Eisenbahndirektionsbezirk Frankfurt u. a. Ferner bestehen auf den norwegischen Staatsbahnen mehrere derartige Bauwerke, so der V. über das Solbergtal bei Thomter mit Fachwerksträgern von 20 m Spannweite und 30 m hohen Pendelpfeilern, der Lysetal-, der Barug- und Haabölviadukt. Auch in Sachsen sind mehrere V. mit Pendelpfeilern auf den neueren Staatsbahnlinien zur Ausführung gekommen.
Werden 2 nebeneinander stehende Wandpfeiler in den Ebenen der Pfosten durch Ausfachung verbunden, so entsteht ein Gerüstpfeiler, der sich von einem obeliskartigen Turmpfeiler dadurch unterscheidet, daß er in der Richtung der Brückenlängsachse keine Verjüngung nach oben und überhaupt größere Breite hat, so daß er selbst einer überspannenden Tragkonstruktion bedarf. Gerüstpfeiler werden bei den neueren Ausführungen den Turmpfeilern vorgezogen, da sie eine Verringerung der Stützweiten des Tragwerks ergeben und sich zur Aufnahme der nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte gut eignen. Eine gelenkige Lagerung auf den hier meist getrennt angeordneten Ständersockeln ist nicht notwendig. Bei abfallendem Gelände können die 4 Ständer eines Pfeilers auch verschieden hoch gelagert werden. Die meisten und größten Gerüstpfeilerviadukte sind in Amerika ausgeführt; bei ihnen stehen die Pfeiler ziemlich
[Abbildung Abb. 77. Viadukt bei Mutters (Stubaitalbahn, Tirol).
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nahe, so daß für den Überbau in der Regel noch Blechträger verwendet werden können. So hat eines der bedeutendsten Bauwerke dieser Art, der Peccos River-Viadukt auf der Southern Pacific-Eisenbahn 48 Felder von 11–20 m Spannweite, nur ein Feld mit 56 m Weite und Gerüstpfeiler bis zu 100 m Höhe. Der V. über den Loafluß in der schmalspurigen Antofagasta-Eisenbahn (Bolivia) hat Gerüstpfeiler von 9·75 m Breite und 102 m größter Höhe mit Zwischenfeldern von 24·4 m. In Deutschland sind Gerüstpfeilerviadukte schon vor Jahren auf mehreren sächsischen Staatsbahnlinien ausgeführt worden, so in
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Zitationshilfe: | Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/210>, abgerufen am 16.07.2024. |