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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.

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Italien, Niederlande, Belgien, Großbritannien und Vereinigte Staaten von Amerika. IV. Quellen und Literatur.

W. nennt man einen gesellschaftlichen Vorgang, an dem mehrere beteiligt sind, die alle ihre Kräfte anstrengen, um ein gemeinsames Ziel so schnell und so vollkommen als möglich zu erreichen. Der W. spielt im gesamten politischen und Wirtschaftsleben eine entscheidende Rolle, seine Wirkungen sind teils nützlich, teils schädlich. Auch die Entwicklung der Verkehrsmittel ist durch den W. stark beeinflußt worden und die Ansichten über seine Wirkungen im Gebiete des Eisenbahnwesens gehen weit auseinander.

Als die ersten Eisenbahnen in England eröffnet wurden, war dort die Freihandelslehre die ausschließlich herrschende, die die Anschauung vertritt, daß die besten wirtschaftlichen Erfolge durch W. erreicht werden. Diese Ansicht wurde auch auf die Eisenbahnen übertragen. Man hoffte, daß durch den W. die meisten Eisenbahnen gebaut und die billigsten Beförderungsbedingungen erzielt werden würden. Diese Anschauung übertrug sich auf Amerika und auf das festländische Europa, sie war auch in Deutschland und Österreich, wenn nicht die allein-, so doch die vorherrschende bis in die Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Die Vertreter der Freihandelsschule, Männer wie Otto Michaelis, Faucher, Prince-Smith, vertraten die Ansicht, daß nur unter der Herrschaft eines möglichst freien, uneingeschränkten W. eine gesunde Entwicklung des Eisenbahnwesens gewährleistet sei. Diese Ansicht fand schon damals Widerspruch, sie kann heute auf Grund der Erfahrungen in allen Ländern als aufgegeben gelten.

I. Die Wettbewerbstheorien1.

Über die Art und Weise, wie der W. im Eisenbahnwesen möglich ist, besonders bei den Tarif- und Beförderungsbedingungen, hat die ältere Volkswirtschaftslehre Theorien aufgestellt.

1. Die sog. innere W.-Theorie, wobei der W. sich darin äußern soll, daß die Eisenbahnen an sich, um das von ihnen angelegte große Kapital möglichst nutzbar zu machen, das Bestreben haben müßten, ihre Beförderungspreise möglichst niedrig zu gestalten, da sie auf diese Weise den meisten Verkehr auf ihre Linien zögen. Diese Theorie krankt schon an dem Widerspruch, daß man nicht mit sich selbst in W. treten kann, daß zu einem W. verschiedene, mindestens zwei Unternehmungen gehören. Diese Erscheinung, wo sie vorkommt, ist also auf andere Ursachen zurückzuführen.

2. Der W. durch Differentialtarife (vgl. Bd. III, S. 371) soll sich darin zeigen, daß die Eisenbahnen das natürliche Bestreben haben, durch Aufstellung ermäßigter Tarife auf weite Entfernungen in das Wirtschaftsgebiet anderer Eisenbahnen oder anderer Verkehrsmittel einzudringen, um aus diesen neue Transporte auf ihre Linien zu ziehen. Ein derartiger W., der zu einer Ermäßigung der Preise führen soll, kann jedoch nur stattfinden und von Einfluß sein, wenn mehrere Verkehrsunternehmungen in das gleiche Gebiet hineinreichen. Wäre das nicht der Fall, würde nichts anderes als der innere W. (zu 1) vorliegen.

3. Der W. um den Markt, im Gegensatz zu dem W. auf dem Markt (competition for the field im Gegensatz zu battle in the field). Diese Theorie beruht auf dem Gedanken, daß, wenn es sich um den Bau neuer Bahnen handelt, verschiedene Bewerber um die Konzession auftreten, die schließlich dem erteilt wird, der die günstigsten Bedingungen, besonders auch für die Handhabung des Verkehrs und die Aufstellung der Tarife, bietet. Nun kommt es ganz außerordentlich selten vor, daß sich mehrere Unternehmer um eine Konzession bewerben, und wo es vorkommt, da handelt es sich ausschließlich um Bahnen, von denen reiche Erträge erwartet werden. Die Bedingungen der Erteilung der Konzession liegen aber auf anderem Gebiet als dem der Gewährung von Verkehrserleichterungen. Dieser W. spielt also hier gar keine Rolle.

4. Der W. in den Knotenpunkten, d. h. W. zweier oder mehrerer Eisenbahnen, die dieselben Knotenpunkte verbinden. Hier wird jede Linie bestrebt sein, mit Hilfe von Beförderungserleichterungen möglichst viele Transporte auf ihre Strecken zu ziehen und der anderen Linie abzunehmen. Je mehr derartige Knotenpunkte vorhanden sind, desto weiter kann sich der W. ausdehnen. Gleichwohl würde eine Reihe von Plätzen übrig bleiben, die nur mit einer Eisenbahn verbunden sind, auf deren Verkehr also ein solcher W. keinen Einfluß hat und deren Tarife höher bleiben würden als die der W.-Stationen; dies würde zu großen Tarifdisparitäten führen, die aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen unerwünscht sind. Ein weiteres Bedenken besteht darin, daß zwischen zwei Orten zwei Bahnen angelegt würden, wo eine Bahn für den Verkehr genügt. Das in der zweiten Bahn angelegte Kapital würde damit anderen nützlichen Zwecken entzogen und das Anlagekapital der

1 Vgl. hierüber besonders Sax, Verkehrsmittel 1. Aufl., Bd. II, S. 84 ff. - Die Eisenbahnen als Objekt der Gemeinwirtschaft 2. Aufl. (im Druck).

Italien, Niederlande, Belgien, Großbritannien und Vereinigte Staaten von Amerika. IV. Quellen und Literatur.

W. nennt man einen gesellschaftlichen Vorgang, an dem mehrere beteiligt sind, die alle ihre Kräfte anstrengen, um ein gemeinsames Ziel so schnell und so vollkommen als möglich zu erreichen. Der W. spielt im gesamten politischen und Wirtschaftsleben eine entscheidende Rolle, seine Wirkungen sind teils nützlich, teils schädlich. Auch die Entwicklung der Verkehrsmittel ist durch den W. stark beeinflußt worden und die Ansichten über seine Wirkungen im Gebiete des Eisenbahnwesens gehen weit auseinander.

Als die ersten Eisenbahnen in England eröffnet wurden, war dort die Freihandelslehre die ausschließlich herrschende, die die Anschauung vertritt, daß die besten wirtschaftlichen Erfolge durch W. erreicht werden. Diese Ansicht wurde auch auf die Eisenbahnen übertragen. Man hoffte, daß durch den W. die meisten Eisenbahnen gebaut und die billigsten Beförderungsbedingungen erzielt werden würden. Diese Anschauung übertrug sich auf Amerika und auf das festländische Europa, sie war auch in Deutschland und Österreich, wenn nicht die allein-, so doch die vorherrschende bis in die Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Die Vertreter der Freihandelsschule, Männer wie Otto Michaelis, Faucher, Prince-Smith, vertraten die Ansicht, daß nur unter der Herrschaft eines möglichst freien, uneingeschränkten W. eine gesunde Entwicklung des Eisenbahnwesens gewährleistet sei. Diese Ansicht fand schon damals Widerspruch, sie kann heute auf Grund der Erfahrungen in allen Ländern als aufgegeben gelten.

I. Die Wettbewerbstheorien1.

Über die Art und Weise, wie der W. im Eisenbahnwesen möglich ist, besonders bei den Tarif- und Beförderungsbedingungen, hat die ältere Volkswirtschaftslehre Theorien aufgestellt.

1. Die sog. innere W.-Theorie, wobei der W. sich darin äußern soll, daß die Eisenbahnen an sich, um das von ihnen angelegte große Kapital möglichst nutzbar zu machen, das Bestreben haben müßten, ihre Beförderungspreise möglichst niedrig zu gestalten, da sie auf diese Weise den meisten Verkehr auf ihre Linien zögen. Diese Theorie krankt schon an dem Widerspruch, daß man nicht mit sich selbst in W. treten kann, daß zu einem W. verschiedene, mindestens zwei Unternehmungen gehören. Diese Erscheinung, wo sie vorkommt, ist also auf andere Ursachen zurückzuführen.

2. Der W. durch Differentialtarife (vgl. Bd. III, S. 371) soll sich darin zeigen, daß die Eisenbahnen das natürliche Bestreben haben, durch Aufstellung ermäßigter Tarife auf weite Entfernungen in das Wirtschaftsgebiet anderer Eisenbahnen oder anderer Verkehrsmittel einzudringen, um aus diesen neue Transporte auf ihre Linien zu ziehen. Ein derartiger W., der zu einer Ermäßigung der Preise führen soll, kann jedoch nur stattfinden und von Einfluß sein, wenn mehrere Verkehrsunternehmungen in das gleiche Gebiet hineinreichen. Wäre das nicht der Fall, würde nichts anderes als der innere W. (zu 1) vorliegen.

3. Der W. um den Markt, im Gegensatz zu dem W. auf dem Markt (competition for the field im Gegensatz zu battle in the field). Diese Theorie beruht auf dem Gedanken, daß, wenn es sich um den Bau neuer Bahnen handelt, verschiedene Bewerber um die Konzession auftreten, die schließlich dem erteilt wird, der die günstigsten Bedingungen, besonders auch für die Handhabung des Verkehrs und die Aufstellung der Tarife, bietet. Nun kommt es ganz außerordentlich selten vor, daß sich mehrere Unternehmer um eine Konzession bewerben, und wo es vorkommt, da handelt es sich ausschließlich um Bahnen, von denen reiche Erträge erwartet werden. Die Bedingungen der Erteilung der Konzession liegen aber auf anderem Gebiet als dem der Gewährung von Verkehrserleichterungen. Dieser W. spielt also hier gar keine Rolle.

4. Der W. in den Knotenpunkten, d. h. W. zweier oder mehrerer Eisenbahnen, die dieselben Knotenpunkte verbinden. Hier wird jede Linie bestrebt sein, mit Hilfe von Beförderungserleichterungen möglichst viele Transporte auf ihre Strecken zu ziehen und der anderen Linie abzunehmen. Je mehr derartige Knotenpunkte vorhanden sind, desto weiter kann sich der W. ausdehnen. Gleichwohl würde eine Reihe von Plätzen übrig bleiben, die nur mit einer Eisenbahn verbunden sind, auf deren Verkehr also ein solcher W. keinen Einfluß hat und deren Tarife höher bleiben würden als die der W.-Stationen; dies würde zu großen Tarifdisparitäten führen, die aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen unerwünscht sind. Ein weiteres Bedenken besteht darin, daß zwischen zwei Orten zwei Bahnen angelegt würden, wo eine Bahn für den Verkehr genügt. Das in der zweiten Bahn angelegte Kapital würde damit anderen nützlichen Zwecken entzogen und das Anlagekapital der

1 Vgl. hierüber besonders Sax, Verkehrsmittel 1. Aufl., Bd. II, S. 84 ff. – Die Eisenbahnen als Objekt der Gemeinwirtschaft 2. Aufl. (im Druck).
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[372/0402] Italien, Niederlande, Belgien, Großbritannien und Vereinigte Staaten von Amerika. IV. Quellen und Literatur. W. nennt man einen gesellschaftlichen Vorgang, an dem mehrere beteiligt sind, die alle ihre Kräfte anstrengen, um ein gemeinsames Ziel so schnell und so vollkommen als möglich zu erreichen. Der W. spielt im gesamten politischen und Wirtschaftsleben eine entscheidende Rolle, seine Wirkungen sind teils nützlich, teils schädlich. Auch die Entwicklung der Verkehrsmittel ist durch den W. stark beeinflußt worden und die Ansichten über seine Wirkungen im Gebiete des Eisenbahnwesens gehen weit auseinander. Als die ersten Eisenbahnen in England eröffnet wurden, war dort die Freihandelslehre die ausschließlich herrschende, die die Anschauung vertritt, daß die besten wirtschaftlichen Erfolge durch W. erreicht werden. Diese Ansicht wurde auch auf die Eisenbahnen übertragen. Man hoffte, daß durch den W. die meisten Eisenbahnen gebaut und die billigsten Beförderungsbedingungen erzielt werden würden. Diese Anschauung übertrug sich auf Amerika und auf das festländische Europa, sie war auch in Deutschland und Österreich, wenn nicht die allein-, so doch die vorherrschende bis in die Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Die Vertreter der Freihandelsschule, Männer wie Otto Michaelis, Faucher, Prince-Smith, vertraten die Ansicht, daß nur unter der Herrschaft eines möglichst freien, uneingeschränkten W. eine gesunde Entwicklung des Eisenbahnwesens gewährleistet sei. Diese Ansicht fand schon damals Widerspruch, sie kann heute auf Grund der Erfahrungen in allen Ländern als aufgegeben gelten. I. Die Wettbewerbstheorien 1. Über die Art und Weise, wie der W. im Eisenbahnwesen möglich ist, besonders bei den Tarif- und Beförderungsbedingungen, hat die ältere Volkswirtschaftslehre Theorien aufgestellt. 1. Die sog. innere W.-Theorie, wobei der W. sich darin äußern soll, daß die Eisenbahnen an sich, um das von ihnen angelegte große Kapital möglichst nutzbar zu machen, das Bestreben haben müßten, ihre Beförderungspreise möglichst niedrig zu gestalten, da sie auf diese Weise den meisten Verkehr auf ihre Linien zögen. Diese Theorie krankt schon an dem Widerspruch, daß man nicht mit sich selbst in W. treten kann, daß zu einem W. verschiedene, mindestens zwei Unternehmungen gehören. Diese Erscheinung, wo sie vorkommt, ist also auf andere Ursachen zurückzuführen. 2. Der W. durch Differentialtarife (vgl. Bd. III, S. 371) soll sich darin zeigen, daß die Eisenbahnen das natürliche Bestreben haben, durch Aufstellung ermäßigter Tarife auf weite Entfernungen in das Wirtschaftsgebiet anderer Eisenbahnen oder anderer Verkehrsmittel einzudringen, um aus diesen neue Transporte auf ihre Linien zu ziehen. Ein derartiger W., der zu einer Ermäßigung der Preise führen soll, kann jedoch nur stattfinden und von Einfluß sein, wenn mehrere Verkehrsunternehmungen in das gleiche Gebiet hineinreichen. Wäre das nicht der Fall, würde nichts anderes als der innere W. (zu 1) vorliegen. 3. Der W. um den Markt, im Gegensatz zu dem W. auf dem Markt (competition for the field im Gegensatz zu battle in the field). Diese Theorie beruht auf dem Gedanken, daß, wenn es sich um den Bau neuer Bahnen handelt, verschiedene Bewerber um die Konzession auftreten, die schließlich dem erteilt wird, der die günstigsten Bedingungen, besonders auch für die Handhabung des Verkehrs und die Aufstellung der Tarife, bietet. Nun kommt es ganz außerordentlich selten vor, daß sich mehrere Unternehmer um eine Konzession bewerben, und wo es vorkommt, da handelt es sich ausschließlich um Bahnen, von denen reiche Erträge erwartet werden. Die Bedingungen der Erteilung der Konzession liegen aber auf anderem Gebiet als dem der Gewährung von Verkehrserleichterungen. Dieser W. spielt also hier gar keine Rolle. 4. Der W. in den Knotenpunkten, d. h. W. zweier oder mehrerer Eisenbahnen, die dieselben Knotenpunkte verbinden. Hier wird jede Linie bestrebt sein, mit Hilfe von Beförderungserleichterungen möglichst viele Transporte auf ihre Strecken zu ziehen und der anderen Linie abzunehmen. Je mehr derartige Knotenpunkte vorhanden sind, desto weiter kann sich der W. ausdehnen. Gleichwohl würde eine Reihe von Plätzen übrig bleiben, die nur mit einer Eisenbahn verbunden sind, auf deren Verkehr also ein solcher W. keinen Einfluß hat und deren Tarife höher bleiben würden als die der W.-Stationen; dies würde zu großen Tarifdisparitäten führen, die aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen unerwünscht sind. Ein weiteres Bedenken besteht darin, daß zwischen zwei Orten zwei Bahnen angelegt würden, wo eine Bahn für den Verkehr genügt. Das in der zweiten Bahn angelegte Kapital würde damit anderen nützlichen Zwecken entzogen und das Anlagekapital der 1 Vgl. hierüber besonders Sax, Verkehrsmittel 1. Aufl., Bd. II, S. 84 ff. – Die Eisenbahnen als Objekt der Gemeinwirtschaft 2. Aufl. (im Druck).

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/402>, abgerufen am 22.11.2024.