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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.

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gebunden. Die Anwendung der zweifachen Dampfdehnung bei Kesseldrucken von weniger als 13 Atm. Überdruck erscheint unzweckmäßig. Da an raschfahrenden Lokomotiven des guten Massenausgleichs wegen oft vierzylindrige Bauarten gewählt werden, so ist es naheliegend, für solche Lokomotiven auch die Verbundwirkung zu verwenden. Auch wird oft wegen der erwünschten Verringerung der Abmessungen eine Vermehrung der Zylinderzahl vorgenommen.

Neben den Sondereinrichtungen für die Anfahrvorrichtung sind an V. auch noch gewöhnlich besondere Eigenheiten an den Steuerungen notwendig. An zweizylindrigen V. mit kleinem Zylinderraumverhältnis sind die Steuerungen oft beiderseits gleich ausgeführt, so daß sich auch gleiche Füllungen in beiden Dampfzylindern einstellen. Bei größerem Zylinderraumverhältnis sind die Steuerungen gewöhnlich derart ausgebildet, daß die Niederdruckzylinder größere Füllung erhalten als die Hochdruckzylinder. Man trachtet, dies durch gewisse Änderungen einzelner Teile in den Steuerungsgestängen zu erreichen, während beide Steuerungen sonst möglichst gleichartig ausgeführt werden. Die Umsteuerung wird für beide Triebwerke gemeinsam besorgt. An den vierzylindrigen V. der Bauart De Glehn besitzen die Hoch- und die Niederdruckzylinder vollständig getrennte Steuerungen, die vom Lokomotivführer mit besonderen Umsteuerungen nach Belieben getrennt eingestellt werden können. Diese Bauart besitzt den Vorteil, daß es möglich ist, jeweils die vorteilhaftesten Füllungen in beiden Zylindergruppen anzuwenden, die vom Grad der Beanspruchung und von der Fahrgeschwindigkeit abhängig sind. Es setzt dies jedoch eine ganz besondere Vertrautheit des Lokomotivführers mit den Eigenheiten der V. voraus und nimmt auch seine Aufmerksamkeit in höherem Grad in Anspruch. Man hat daher bei anderen vierzylindrigen Bauarten die Steuerungen beider Zylindergruppen wieder in eine feste Abhängigkeit gebracht, wobei jedoch die zusammengehörigen, zweckmäßigsten Füllungen möglichst angestrebt werden. Um die ohnehin große Vielteiligkeit vierzylindriger V. einzuschränken, hat man vielfach versucht, die Steuerung je eines Hoch- und Niederdruckzylinders derart zusammenzulegen, daß mit einem Steuerungsgestänge das Auslangen gefunden wird, so daß an vierzylindrigen V. nur 2 äußere Steuerungen vorhanden sind. Gölsdorf hat für einige seiner vierzylindrigen V. diese Anordnungen noch weiter vervollkommnet, indem auch die Schieber eines Hoch- und Niederdruckzylinders in einer Schieberbüchse auf eine gemeinsame Schieberstange gebracht sind. Ein sehr weitgehender Unterschied in den Füllungen beider Dampfzylinder ist dann allerdings nicht möglich. Hinsichtlich der Dampfverteilung an V. wäre noch zu bemerken, daß auf möglichst große Eröffnungen der Einströmkanäle Wert zu legen ist, da Druckabfälle schädlich wirken. In den Hochdruckzylindern muß Vorsorge getroffen werden, daß die Kompression nicht größer wird als erwünscht, da diese besonders bei großem Aufnehmerdruck vor dem Hubende bis über den Einströmdruck hinaus ansteigen kann. Die Kompression im Niederdruckzylinder ist von Wichtigkeit, da sie für die Bestimmung des Aufnehmerdrucks mit von Einfluß ist. Das Voreinströmen muß in den Niederdruckzylindern viel reichlicher gewählt werden als in den Hochdruckzylindern. Wird die Höchstfüllung in allen Zylindern nicht unter 90% gewählt, so vollzieht sich das Anfahren auch bei minder vollkommenen Anfahrvorrichtungen meist klaglos. Sonderbarerweise machen von diesem wirksamen Mittel nur wenige Bauarten Gebrauch. Es gibt V. mit nur 75% Höchstfüllung. Bei vielen Anfahrvorrichtungen, z. B. der von Gölsdorf, Lindner u. s. w. ist diese mit der Steuerung zwangläufig vereinigt, so daß beim Überschreiten gewisser Füllungen Frischdampf in den Aufnehmer tritt. Werden diese Füllungen bei starker Anstrengung der Lokomotiven dauernd verwendet, so tritt allerdings ein unnötiger Dampfverlust ein.

Eine besondere Art von V. sind die Drehgestell-Lokomotiven der Bauart Mallet. Zur Verbesserung des Bogenlaufs bestehen diese Lokomotiven aus 2 Gestellen. Das führende Gestell ist deichselartig an ein Hauptgestell gekuppelt. Letzteres trägt auch den Kessel, der vorne beweglich auf dem Drehgestell ruht. Das Hauptgestell und das Drehgestell hat gewöhnlich die gleiche Zahl von gekuppelten Achsen. (An den stärksten nordamerikanischen Lokomotiven werden bereits bis zu 5 gekuppelte Achsen in einem Gestell verwendet.) Das Hauptgestell wird von den Hochdruck-, das vordere Drehgestell von den Niederdruckzylindern angetrieben. Da der Kessel mit dem Hauptgestell fest verbunden ist, so entfallen hier bewegliche Dampfrohre. Das Aufnehmerrohr zwischen den Hoch- und den Niederdruckzylindern erhält eine große Länge, so daß es für den nicht sehr großen Ausschlagwinkel leicht genügend beweglich hergestellt werden kann, wobei noch der niedrige Druck des Aufnehmerdampfes etwa nötige Dichtungen erleichtert. Der Abdampf der Niederdruckzylinder wird durch bewegliche Rohre zum Blasrohr geführt. Die Steuerungen beider Gestelle werden gleichzeitig verlegt. Nachdem

gebunden. Die Anwendung der zweifachen Dampfdehnung bei Kesseldrucken von weniger als 13 Atm. Überdruck erscheint unzweckmäßig. Da an raschfahrenden Lokomotiven des guten Massenausgleichs wegen oft vierzylindrige Bauarten gewählt werden, so ist es naheliegend, für solche Lokomotiven auch die Verbundwirkung zu verwenden. Auch wird oft wegen der erwünschten Verringerung der Abmessungen eine Vermehrung der Zylinderzahl vorgenommen.

Neben den Sondereinrichtungen für die Anfahrvorrichtung sind an V. auch noch gewöhnlich besondere Eigenheiten an den Steuerungen notwendig. An zweizylindrigen V. mit kleinem Zylinderraumverhältnis sind die Steuerungen oft beiderseits gleich ausgeführt, so daß sich auch gleiche Füllungen in beiden Dampfzylindern einstellen. Bei größerem Zylinderraumverhältnis sind die Steuerungen gewöhnlich derart ausgebildet, daß die Niederdruckzylinder größere Füllung erhalten als die Hochdruckzylinder. Man trachtet, dies durch gewisse Änderungen einzelner Teile in den Steuerungsgestängen zu erreichen, während beide Steuerungen sonst möglichst gleichartig ausgeführt werden. Die Umsteuerung wird für beide Triebwerke gemeinsam besorgt. An den vierzylindrigen V. der Bauart De Glehn besitzen die Hoch- und die Niederdruckzylinder vollständig getrennte Steuerungen, die vom Lokomotivführer mit besonderen Umsteuerungen nach Belieben getrennt eingestellt werden können. Diese Bauart besitzt den Vorteil, daß es möglich ist, jeweils die vorteilhaftesten Füllungen in beiden Zylindergruppen anzuwenden, die vom Grad der Beanspruchung und von der Fahrgeschwindigkeit abhängig sind. Es setzt dies jedoch eine ganz besondere Vertrautheit des Lokomotivführers mit den Eigenheiten der V. voraus und nimmt auch seine Aufmerksamkeit in höherem Grad in Anspruch. Man hat daher bei anderen vierzylindrigen Bauarten die Steuerungen beider Zylindergruppen wieder in eine feste Abhängigkeit gebracht, wobei jedoch die zusammengehörigen, zweckmäßigsten Füllungen möglichst angestrebt werden. Um die ohnehin große Vielteiligkeit vierzylindriger V. einzuschränken, hat man vielfach versucht, die Steuerung je eines Hoch- und Niederdruckzylinders derart zusammenzulegen, daß mit einem Steuerungsgestänge das Auslangen gefunden wird, so daß an vierzylindrigen V. nur 2 äußere Steuerungen vorhanden sind. Gölsdorf hat für einige seiner vierzylindrigen V. diese Anordnungen noch weiter vervollkommnet, indem auch die Schieber eines Hoch- und Niederdruckzylinders in einer Schieberbüchse auf eine gemeinsame Schieberstange gebracht sind. Ein sehr weitgehender Unterschied in den Füllungen beider Dampfzylinder ist dann allerdings nicht möglich. Hinsichtlich der Dampfverteilung an V. wäre noch zu bemerken, daß auf möglichst große Eröffnungen der Einströmkanäle Wert zu legen ist, da Druckabfälle schädlich wirken. In den Hochdruckzylindern muß Vorsorge getroffen werden, daß die Kompression nicht größer wird als erwünscht, da diese besonders bei großem Aufnehmerdruck vor dem Hubende bis über den Einströmdruck hinaus ansteigen kann. Die Kompression im Niederdruckzylinder ist von Wichtigkeit, da sie für die Bestimmung des Aufnehmerdrucks mit von Einfluß ist. Das Voreinströmen muß in den Niederdruckzylindern viel reichlicher gewählt werden als in den Hochdruckzylindern. Wird die Höchstfüllung in allen Zylindern nicht unter 90% gewählt, so vollzieht sich das Anfahren auch bei minder vollkommenen Anfahrvorrichtungen meist klaglos. Sonderbarerweise machen von diesem wirksamen Mittel nur wenige Bauarten Gebrauch. Es gibt V. mit nur 75% Höchstfüllung. Bei vielen Anfahrvorrichtungen, z. B. der von Gölsdorf, Lindner u. s. w. ist diese mit der Steuerung zwangläufig vereinigt, so daß beim Überschreiten gewisser Füllungen Frischdampf in den Aufnehmer tritt. Werden diese Füllungen bei starker Anstrengung der Lokomotiven dauernd verwendet, so tritt allerdings ein unnötiger Dampfverlust ein.

Eine besondere Art von V. sind die Drehgestell-Lokomotiven der Bauart Mallet. Zur Verbesserung des Bogenlaufs bestehen diese Lokomotiven aus 2 Gestellen. Das führende Gestell ist deichselartig an ein Hauptgestell gekuppelt. Letzteres trägt auch den Kessel, der vorne beweglich auf dem Drehgestell ruht. Das Hauptgestell und das Drehgestell hat gewöhnlich die gleiche Zahl von gekuppelten Achsen. (An den stärksten nordamerikanischen Lokomotiven werden bereits bis zu 5 gekuppelte Achsen in einem Gestell verwendet.) Das Hauptgestell wird von den Hochdruck-, das vordere Drehgestell von den Niederdruckzylindern angetrieben. Da der Kessel mit dem Hauptgestell fest verbunden ist, so entfallen hier bewegliche Dampfrohre. Das Aufnehmerrohr zwischen den Hoch- und den Niederdruckzylindern erhält eine große Länge, so daß es für den nicht sehr großen Ausschlagwinkel leicht genügend beweglich hergestellt werden kann, wobei noch der niedrige Druck des Aufnehmerdampfes etwa nötige Dichtungen erleichtert. Der Abdampf der Niederdruckzylinder wird durch bewegliche Rohre zum Blasrohr geführt. Die Steuerungen beider Gestelle werden gleichzeitig verlegt. Nachdem

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[85/0098] gebunden. Die Anwendung der zweifachen Dampfdehnung bei Kesseldrucken von weniger als 13 Atm. Überdruck erscheint unzweckmäßig. Da an raschfahrenden Lokomotiven des guten Massenausgleichs wegen oft vierzylindrige Bauarten gewählt werden, so ist es naheliegend, für solche Lokomotiven auch die Verbundwirkung zu verwenden. Auch wird oft wegen der erwünschten Verringerung der Abmessungen eine Vermehrung der Zylinderzahl vorgenommen. Neben den Sondereinrichtungen für die Anfahrvorrichtung sind an V. auch noch gewöhnlich besondere Eigenheiten an den Steuerungen notwendig. An zweizylindrigen V. mit kleinem Zylinderraumverhältnis sind die Steuerungen oft beiderseits gleich ausgeführt, so daß sich auch gleiche Füllungen in beiden Dampfzylindern einstellen. Bei größerem Zylinderraumverhältnis sind die Steuerungen gewöhnlich derart ausgebildet, daß die Niederdruckzylinder größere Füllung erhalten als die Hochdruckzylinder. Man trachtet, dies durch gewisse Änderungen einzelner Teile in den Steuerungsgestängen zu erreichen, während beide Steuerungen sonst möglichst gleichartig ausgeführt werden. Die Umsteuerung wird für beide Triebwerke gemeinsam besorgt. An den vierzylindrigen V. der Bauart De Glehn besitzen die Hoch- und die Niederdruckzylinder vollständig getrennte Steuerungen, die vom Lokomotivführer mit besonderen Umsteuerungen nach Belieben getrennt eingestellt werden können. Diese Bauart besitzt den Vorteil, daß es möglich ist, jeweils die vorteilhaftesten Füllungen in beiden Zylindergruppen anzuwenden, die vom Grad der Beanspruchung und von der Fahrgeschwindigkeit abhängig sind. Es setzt dies jedoch eine ganz besondere Vertrautheit des Lokomotivführers mit den Eigenheiten der V. voraus und nimmt auch seine Aufmerksamkeit in höherem Grad in Anspruch. Man hat daher bei anderen vierzylindrigen Bauarten die Steuerungen beider Zylindergruppen wieder in eine feste Abhängigkeit gebracht, wobei jedoch die zusammengehörigen, zweckmäßigsten Füllungen möglichst angestrebt werden. Um die ohnehin große Vielteiligkeit vierzylindriger V. einzuschränken, hat man vielfach versucht, die Steuerung je eines Hoch- und Niederdruckzylinders derart zusammenzulegen, daß mit einem Steuerungsgestänge das Auslangen gefunden wird, so daß an vierzylindrigen V. nur 2 äußere Steuerungen vorhanden sind. Gölsdorf hat für einige seiner vierzylindrigen V. diese Anordnungen noch weiter vervollkommnet, indem auch die Schieber eines Hoch- und Niederdruckzylinders in einer Schieberbüchse auf eine gemeinsame Schieberstange gebracht sind. Ein sehr weitgehender Unterschied in den Füllungen beider Dampfzylinder ist dann allerdings nicht möglich. Hinsichtlich der Dampfverteilung an V. wäre noch zu bemerken, daß auf möglichst große Eröffnungen der Einströmkanäle Wert zu legen ist, da Druckabfälle schädlich wirken. In den Hochdruckzylindern muß Vorsorge getroffen werden, daß die Kompression nicht größer wird als erwünscht, da diese besonders bei großem Aufnehmerdruck vor dem Hubende bis über den Einströmdruck hinaus ansteigen kann. Die Kompression im Niederdruckzylinder ist von Wichtigkeit, da sie für die Bestimmung des Aufnehmerdrucks mit von Einfluß ist. Das Voreinströmen muß in den Niederdruckzylindern viel reichlicher gewählt werden als in den Hochdruckzylindern. Wird die Höchstfüllung in allen Zylindern nicht unter 90% gewählt, so vollzieht sich das Anfahren auch bei minder vollkommenen Anfahrvorrichtungen meist klaglos. Sonderbarerweise machen von diesem wirksamen Mittel nur wenige Bauarten Gebrauch. Es gibt V. mit nur 75% Höchstfüllung. Bei vielen Anfahrvorrichtungen, z. B. der von Gölsdorf, Lindner u. s. w. ist diese mit der Steuerung zwangläufig vereinigt, so daß beim Überschreiten gewisser Füllungen Frischdampf in den Aufnehmer tritt. Werden diese Füllungen bei starker Anstrengung der Lokomotiven dauernd verwendet, so tritt allerdings ein unnötiger Dampfverlust ein. Eine besondere Art von V. sind die Drehgestell-Lokomotiven der Bauart Mallet. Zur Verbesserung des Bogenlaufs bestehen diese Lokomotiven aus 2 Gestellen. Das führende Gestell ist deichselartig an ein Hauptgestell gekuppelt. Letzteres trägt auch den Kessel, der vorne beweglich auf dem Drehgestell ruht. Das Hauptgestell und das Drehgestell hat gewöhnlich die gleiche Zahl von gekuppelten Achsen. (An den stärksten nordamerikanischen Lokomotiven werden bereits bis zu 5 gekuppelte Achsen in einem Gestell verwendet.) Das Hauptgestell wird von den Hochdruck-, das vordere Drehgestell von den Niederdruckzylindern angetrieben. Da der Kessel mit dem Hauptgestell fest verbunden ist, so entfallen hier bewegliche Dampfrohre. Das Aufnehmerrohr zwischen den Hoch- und den Niederdruckzylindern erhält eine große Länge, so daß es für den nicht sehr großen Ausschlagwinkel leicht genügend beweglich hergestellt werden kann, wobei noch der niedrige Druck des Aufnehmerdampfes etwa nötige Dichtungen erleichtert. Der Abdampf der Niederdruckzylinder wird durch bewegliche Rohre zum Blasrohr geführt. Die Steuerungen beider Gestelle werden gleichzeitig verlegt. Nachdem

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/98>, abgerufen am 22.06.2024.