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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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rations-Acte erinnerte, erklärten sie, daß nach dem unfruchtbaren
Ausgange aller Reichstage das Vaterland einer anderen "Hilfe"
bedürfe; nicht der König trage die Schuld an allen den Übeln,
an welchen es leide, er habe vielmehr der Nation das Glück
und den Genuß eines langen Friedens verschafft und die Pacta
conventa
in allen Punkten redlich gehalten; der Grund aller
Übel läge in der Unfruchtbarkeit der Reichstage. "So er-
klären wir demnach vor Gott und den Menschen, daß wir stets
gewünscht haben, die Zeit einer so milden Regierung benutzen
zu können, um dem Vaterlande zu Hilfe zu kommen. Wir
verlangen nichts anderes, als daß der Reichstag Bestand habe,
damit er den Gesetzen die Kraft, die sie verloren, wiedergeben
und ihre Beobachtung in allen Punkten sichern könne; nichts
anderes, als daß das Vaterland unter der Gunst des Friedens,
dessen wir so lange genießen, seinen alten Glanz wiedergewinne,
daß die Pflege der Gerechtigkeit, welche unter zahlreichen Miß-
bräuchen leidet, durch eine neue Constitution wieder hergestellt,
der Schild aller Unterdrückten sein könne. Auch wünschen wir
derart zu handeln, daß alle andern dem öffentlichen Wohl
nützlichen Vorschläge zur Ausführung gebracht würden. -- --
Wir versichern im Angesicht des Vaterlandes, daß unser ein-
ziger Zweck die Erhaltung des Friedens und der Autorität der
Krone, der heiligen Kirche und des römisch-katholischen Glau-
bens, unsrer Gesetze und Freiheiten ist, für welche wir zu leben
und zu sterben bereit sind." 1)

Dieses vom 17. Oct. datirte Manifest unterschrieben der
Primas Komorowski, die Bischöfe Zaluski von Krakau, Dem-
bowski von Kujavien, Sierakowski von Przemysl, Lestki von
Kulm, die beiden Kanzler der Krone und Lithauens, Mala-
chowski und Czartoryski, der Großgeneral Lithauens, Radzivil,
Podoski Palatin von Plock und eine Reihe von Landboten,
unter welchen sich auch der junge Stanislaw Poniatowski be-
findet. Am 25. Oct., am Tage nach der Zerreißung des
Reichstages, brachte man dasselbe dem Krongroßfeldherrn Bra-

1) Das Manifest nach der französischen Übersetzung, welche Maltzahn
eingesandt, im Anhange.

rations-Acte erinnerte, erklärten ſie, daß nach dem unfruchtbaren
Ausgange aller Reichstage das Vaterland einer anderen „Hilfe“
bedürfe; nicht der König trage die Schuld an allen den Übeln,
an welchen es leide, er habe vielmehr der Nation das Glück
und den Genuß eines langen Friedens verſchafft und die Pacta
conventa
in allen Punkten redlich gehalten; der Grund aller
Übel läge in der Unfruchtbarkeit der Reichstage. „So er-
klären wir demnach vor Gott und den Menſchen, daß wir ſtets
gewünſcht haben, die Zeit einer ſo milden Regierung benutzen
zu können, um dem Vaterlande zu Hilfe zu kommen. Wir
verlangen nichts anderes, als daß der Reichstag Beſtand habe,
damit er den Geſetzen die Kraft, die ſie verloren, wiedergeben
und ihre Beobachtung in allen Punkten ſichern könne; nichts
anderes, als daß das Vaterland unter der Gunſt des Friedens,
deſſen wir ſo lange genießen, ſeinen alten Glanz wiedergewinne,
daß die Pflege der Gerechtigkeit, welche unter zahlreichen Miß-
bräuchen leidet, durch eine neue Conſtitution wieder hergeſtellt,
der Schild aller Unterdrückten ſein könne. Auch wünſchen wir
derart zu handeln, daß alle andern dem öffentlichen Wohl
nützlichen Vorſchläge zur Ausführung gebracht würden. — —
Wir verſichern im Angeſicht des Vaterlandes, daß unſer ein-
ziger Zweck die Erhaltung des Friedens und der Autorität der
Krone, der heiligen Kirche und des römiſch-katholiſchen Glau-
bens, unſrer Geſetze und Freiheiten iſt, für welche wir zu leben
und zu ſterben bereit ſind.“ 1)

Dieſes vom 17. Oct. datirte Manifeſt unterſchrieben der
Primas Komorowski, die Biſchöfe Zaluski von Krakau, Dem-
bowski von Kujavien, Sierakowski von Przemysl, Leſtki von
Kulm, die beiden Kanzler der Krone und Lithauens, Mala-
chowski und Czartoryski, der Großgeneral Lithauens, Radzivil,
Podoski Palatin von Plock und eine Reihe von Landboten,
unter welchen ſich auch der junge Stanislaw Poniatowski be-
findet. Am 25. Oct., am Tage nach der Zerreißung des
Reichstages, brachte man daſſelbe dem Krongroßfeldherrn Bra-

1) Das Manifeſt nach der franzöſiſchen Überſetzung, welche Maltzahn
eingeſandt, im Anhange.
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[94/0108] rations-Acte erinnerte, erklärten ſie, daß nach dem unfruchtbaren Ausgange aller Reichstage das Vaterland einer anderen „Hilfe“ bedürfe; nicht der König trage die Schuld an allen den Übeln, an welchen es leide, er habe vielmehr der Nation das Glück und den Genuß eines langen Friedens verſchafft und die Pacta conventa in allen Punkten redlich gehalten; der Grund aller Übel läge in der Unfruchtbarkeit der Reichstage. „So er- klären wir demnach vor Gott und den Menſchen, daß wir ſtets gewünſcht haben, die Zeit einer ſo milden Regierung benutzen zu können, um dem Vaterlande zu Hilfe zu kommen. Wir verlangen nichts anderes, als daß der Reichstag Beſtand habe, damit er den Geſetzen die Kraft, die ſie verloren, wiedergeben und ihre Beobachtung in allen Punkten ſichern könne; nichts anderes, als daß das Vaterland unter der Gunſt des Friedens, deſſen wir ſo lange genießen, ſeinen alten Glanz wiedergewinne, daß die Pflege der Gerechtigkeit, welche unter zahlreichen Miß- bräuchen leidet, durch eine neue Conſtitution wieder hergeſtellt, der Schild aller Unterdrückten ſein könne. Auch wünſchen wir derart zu handeln, daß alle andern dem öffentlichen Wohl nützlichen Vorſchläge zur Ausführung gebracht würden. — — Wir verſichern im Angeſicht des Vaterlandes, daß unſer ein- ziger Zweck die Erhaltung des Friedens und der Autorität der Krone, der heiligen Kirche und des römiſch-katholiſchen Glau- bens, unſrer Geſetze und Freiheiten iſt, für welche wir zu leben und zu ſterben bereit ſind.“ 1) Dieſes vom 17. Oct. datirte Manifeſt unterſchrieben der Primas Komorowski, die Biſchöfe Zaluski von Krakau, Dem- bowski von Kujavien, Sierakowski von Przemysl, Leſtki von Kulm, die beiden Kanzler der Krone und Lithauens, Mala- chowski und Czartoryski, der Großgeneral Lithauens, Radzivil, Podoski Palatin von Plock und eine Reihe von Landboten, unter welchen ſich auch der junge Stanislaw Poniatowski be- findet. Am 25. Oct., am Tage nach der Zerreißung des Reichstages, brachte man daſſelbe dem Krongroßfeldherrn Bra- 1) Das Manifeſt nach der franzöſiſchen Überſetzung, welche Maltzahn eingeſandt, im Anhange.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/108>, abgerufen am 21.11.2024.