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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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mit Sanguszko einen Vertrag (7. Juli 1721), nach welchem
dieser vorläufig bis zu der Entscheidung des nächsten Reichs-
tages in Besitz bleiben sollte. Man sagte, Poniatowski habe
von ihm hiefür 30,000, Tarlo 70,000 fl. erhalten. Auf dem
nächsten Reichstag (5. October 1722) protestirten jedoch von
Sanguszko, wie man sagt, bestochne Landboten gegen die Com-
petenz des Reichstagsgerichts in dieser Sache, wie gegen den
Orden von Malta, und der Stolnik von Volhynien, Czacki, ein
Nachbar Sanguszko's, hemmte die Activität des Reichstags, der
schließlich (16. November) gänzlich zerrissen ward. Die San-
guszko blieben ungeachtet mehrerer Gegenbestrebungen seitdem
über dreißig Jahre im Besitz und Genuß des Ordinats 1).

Wie reich aber auch dessen Einkünfte waren, sie reichten
für das Leben, welches der Fürst Janusz, lithauischer Hof-
marschall, führte, nicht aus. Er gehörte zu den berühmtesten
Säufern seiner Zeit 2), jeder Art von Lüderlichkeit und Aus-
schweifung ergeben. Die Folge waren ungeheure persönliche
Schulden, da das Majorat nicht belastet werden durfte. Zuletzt
wußte er sich vor dem Drängen der Gläubiger nicht anders
zu retten, als daß er von Dubno nach Kolbuszow im Sando-
mirschen entfloh. Kinderlos, wie er war, verfiel er dann auf
den Gedanken, das Ordinat an mehrere Familien, welche zum
Theil Ansprüche auf dasselbe zu haben glaubten, in einzelnen
Parcellen zu verkaufen. Mit dem Erlös hoffte er sich von
seinen Schulden befreien und außerdem nach seiner Art weiter
leben zu können. Zwar war es mindestens zweifelhaft, ob er

1) Szujski IV, 271. Die Arbeit von Powidaja über das Ordinat,
im Dziennick literacki 1863, n. 39 sq., auf welche Szujski sich beruft,
habe ich leider nicht einsehen können. Eine zweite neuere Arbeit über
diesen Gegenstand findet sich in der Biblioteka Warzawska 1873, t. II,
p. 95 sq.
So lange nicht das Ordinatsstatut von 1618 in extenso ge-
druckt ist, kann man die Frage, ob nicht schon bei dem Aussterben der
Zaslawski der Orden zur Succession berechtigt war, nicht entscheiden.
Der Übergang von den Lubomirski auf die Sanguszko entsprach aller-
dings vollkommen dem von den Zaslawski's auf die Lubomirski.
2) Kitowicz, Opis obyczajow etc. wyd. Raczynskiego. Poznau.
III,
188.

mit Sanguszko einen Vertrag (7. Juli 1721), nach welchem
dieſer vorläufig bis zu der Entſcheidung des nächſten Reichs-
tages in Beſitz bleiben ſollte. Man ſagte, Poniatowski habe
von ihm hiefür 30,000, Tarlo 70,000 fl. erhalten. Auf dem
nächſten Reichstag (5. October 1722) proteſtirten jedoch von
Sanguszko, wie man ſagt, beſtochne Landboten gegen die Com-
petenz des Reichstagsgerichts in dieſer Sache, wie gegen den
Orden von Malta, und der Stolnik von Volhynien, Czacki, ein
Nachbar Sanguszko’s, hemmte die Activität des Reichstags, der
ſchließlich (16. November) gänzlich zerriſſen ward. Die San-
guszko blieben ungeachtet mehrerer Gegenbeſtrebungen ſeitdem
über dreißig Jahre im Beſitz und Genuß des Ordinats 1).

Wie reich aber auch deſſen Einkünfte waren, ſie reichten
für das Leben, welches der Fürſt Janusz, lithauiſcher Hof-
marſchall, führte, nicht aus. Er gehörte zu den berühmteſten
Säufern ſeiner Zeit 2), jeder Art von Lüderlichkeit und Aus-
ſchweifung ergeben. Die Folge waren ungeheure perſönliche
Schulden, da das Majorat nicht belaſtet werden durfte. Zuletzt
wußte er ſich vor dem Drängen der Gläubiger nicht anders
zu retten, als daß er von Dubno nach Kolbuszow im Sando-
mirſchen entfloh. Kinderlos, wie er war, verfiel er dann auf
den Gedanken, das Ordinat an mehrere Familien, welche zum
Theil Anſprüche auf daſſelbe zu haben glaubten, in einzelnen
Parcellen zu verkaufen. Mit dem Erlös hoffte er ſich von
ſeinen Schulden befreien und außerdem nach ſeiner Art weiter
leben zu können. Zwar war es mindeſtens zweifelhaft, ob er

1) Szujski IV, 271. Die Arbeit von Powidaja über das Ordinat,
im Dziennick literacki 1863, n. 39 sq., auf welche Szujski ſich beruft,
habe ich leider nicht einſehen können. Eine zweite neuere Arbeit über
dieſen Gegenſtand findet ſich in der Biblioteka Warzawska 1873, t. II,
p. 95 sq.
So lange nicht das Ordinatsſtatut von 1618 in extenso ge-
druckt iſt, kann man die Frage, ob nicht ſchon bei dem Ausſterben der
Zaslawski der Orden zur Succeſſion berechtigt war, nicht entſcheiden.
Der Übergang von den Lubomirski auf die Sanguszko entſprach aller-
dings vollkommen dem von den Zaslawski’s auf die Lubomirski.
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III,
188.
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[100/0114] mit Sanguszko einen Vertrag (7. Juli 1721), nach welchem dieſer vorläufig bis zu der Entſcheidung des nächſten Reichs- tages in Beſitz bleiben ſollte. Man ſagte, Poniatowski habe von ihm hiefür 30,000, Tarlo 70,000 fl. erhalten. Auf dem nächſten Reichstag (5. October 1722) proteſtirten jedoch von Sanguszko, wie man ſagt, beſtochne Landboten gegen die Com- petenz des Reichstagsgerichts in dieſer Sache, wie gegen den Orden von Malta, und der Stolnik von Volhynien, Czacki, ein Nachbar Sanguszko’s, hemmte die Activität des Reichstags, der ſchließlich (16. November) gänzlich zerriſſen ward. Die San- guszko blieben ungeachtet mehrerer Gegenbeſtrebungen ſeitdem über dreißig Jahre im Beſitz und Genuß des Ordinats 1). Wie reich aber auch deſſen Einkünfte waren, ſie reichten für das Leben, welches der Fürſt Janusz, lithauiſcher Hof- marſchall, führte, nicht aus. Er gehörte zu den berühmteſten Säufern ſeiner Zeit 2), jeder Art von Lüderlichkeit und Aus- ſchweifung ergeben. Die Folge waren ungeheure perſönliche Schulden, da das Majorat nicht belaſtet werden durfte. Zuletzt wußte er ſich vor dem Drängen der Gläubiger nicht anders zu retten, als daß er von Dubno nach Kolbuszow im Sando- mirſchen entfloh. Kinderlos, wie er war, verfiel er dann auf den Gedanken, das Ordinat an mehrere Familien, welche zum Theil Anſprüche auf daſſelbe zu haben glaubten, in einzelnen Parcellen zu verkaufen. Mit dem Erlös hoffte er ſich von ſeinen Schulden befreien und außerdem nach ſeiner Art weiter leben zu können. Zwar war es mindeſtens zweifelhaft, ob er 1) Szujski IV, 271. Die Arbeit von Powidaja über das Ordinat, im Dziennick literacki 1863, n. 39 sq., auf welche Szujski ſich beruft, habe ich leider nicht einſehen können. Eine zweite neuere Arbeit über dieſen Gegenſtand findet ſich in der Biblioteka Warzawska 1873, t. II, p. 95 sq. So lange nicht das Ordinatsſtatut von 1618 in extenso ge- druckt iſt, kann man die Frage, ob nicht ſchon bei dem Ausſterben der Zaslawski der Orden zur Succeſſion berechtigt war, nicht entſcheiden. Der Übergang von den Lubomirski auf die Sanguszko entſprach aller- dings vollkommen dem von den Zaslawski’s auf die Lubomirski. 2) Kitowicz, Opis obyczajow etc. wyd. Raczynskiego. Poznau. III, 188.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/114>, abgerufen am 21.11.2024.