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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Inzwischen hatte Frankreich bei seinen gleichzeitigen Unter-
handlungen mit Friedrich II. auch diesem die Mittheilung ge-
macht, daß es, um Preußen gegen einen etwaigen Angriff von
Rußland sicher zu stellen, eine Conföderation in Polen ins
Leben rufen wolle, um den Durchzug der Russen mit gewaff-
neter Hand zu verhindern 1). Allein Friedrich lehnte schließlich
alle französischen Anträge ab und schloß am 18. Januar 1756
seinen Vertrag mit England. Er veränderte die gesamte po-
litische Situation und brachte die Entwickelung derselben in
raschern Fluß.

Auch in Polen ward seine Wirkung fast augenblicklich be-
merkbar. Der Krongroßfeldherr stellte die Ausrüstung der
Armee, so wie die Vorbereitungen zu einer Conföderation ein,
und rief seine Agenten von Constantinopel zurück 2). Ver-
gebens bemühte sich Broglie durch Mokranowski, seine Frau
und seine Schwester, die Fürstin Lubomirski, auf ihn zu wirken;
"der Alte zog seine Segel ein, um abzuwarten, welcher Wind
sich erheben würde".

Während Broglie solchergestalt das ganze Jahr 1755 hin-
durch, ohne alle Kenntniß der Verhandlungen, welche zwischen
Östreich und Frankreich gleichzeitig in der Stille spielten, seine
antirussische Politik betrieb, unterhandelte England gleichfalls
noch in der Richtung seines bisherigen politischen Systems
eifrigst in St. Petersburg, um sich durch einen neuen Sub-
sidienvertrag die Hilfe Rußlands für den Ausbruch des Krieges
mit Frankreich, namentlich gegen einen Angriff Preußens auf
Hannover, zu sichern. Die Unterhandlung führte Sir Wil-
liams, der zu diesem Zweck von Dresden nach Petersburg ver-
setzt war, woselbst er am 16. Juni 1755 ankam.

Von Warschau her mit den Czartoryskis enge befreundet,
von welchen er den Woiwoden von Rußland besonders hoch
schätzte 3), forderte Williams dessen Neffen, den jungen Sta-

1) Schäfer a. a. O. I, 110.
2) Bericht Durand', des französischen Residenten in Warschau, an
Broglie vom 4. März 1756. Revue l. c., p. 782.
3) Stanisl. Aug., Pam., p. 169.

Inzwiſchen hatte Frankreich bei ſeinen gleichzeitigen Unter-
handlungen mit Friedrich II. auch dieſem die Mittheilung ge-
macht, daß es, um Preußen gegen einen etwaigen Angriff von
Rußland ſicher zu ſtellen, eine Conföderation in Polen ins
Leben rufen wolle, um den Durchzug der Ruſſen mit gewaff-
neter Hand zu verhindern 1). Allein Friedrich lehnte ſchließlich
alle franzöſiſchen Anträge ab und ſchloß am 18. Januar 1756
ſeinen Vertrag mit England. Er veränderte die geſamte po-
litiſche Situation und brachte die Entwickelung derſelben in
raſchern Fluß.

Auch in Polen ward ſeine Wirkung faſt augenblicklich be-
merkbar. Der Krongroßfeldherr ſtellte die Ausrüſtung der
Armee, ſo wie die Vorbereitungen zu einer Conföderation ein,
und rief ſeine Agenten von Conſtantinopel zurück 2). Ver-
gebens bemühte ſich Broglie durch Mokranowski, ſeine Frau
und ſeine Schweſter, die Fürſtin Lubomirski, auf ihn zu wirken;
„der Alte zog ſeine Segel ein, um abzuwarten, welcher Wind
ſich erheben würde“.

Während Broglie ſolchergeſtalt das ganze Jahr 1755 hin-
durch, ohne alle Kenntniß der Verhandlungen, welche zwiſchen
Öſtreich und Frankreich gleichzeitig in der Stille ſpielten, ſeine
antiruſſiſche Politik betrieb, unterhandelte England gleichfalls
noch in der Richtung ſeines bisherigen politiſchen Syſtems
eifrigſt in St. Petersburg, um ſich durch einen neuen Sub-
ſidienvertrag die Hilfe Rußlands für den Ausbruch des Krieges
mit Frankreich, namentlich gegen einen Angriff Preußens auf
Hannover, zu ſichern. Die Unterhandlung führte Sir Wil-
liams, der zu dieſem Zweck von Dresden nach Petersburg ver-
ſetzt war, woſelbſt er am 16. Juni 1755 ankam.

Von Warſchau her mit den Czartoryskis enge befreundet,
von welchen er den Woiwoden von Rußland beſonders hoch
ſchätzte 3), forderte Williams deſſen Neffen, den jungen Sta-

1) Schäfer a. a. O. I, 110.
2) Bericht Durand’, des franzöſiſchen Reſidenten in Warſchau, an
Broglie vom 4. März 1756. Revue l. c., p. 782.
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[111/0125] Inzwiſchen hatte Frankreich bei ſeinen gleichzeitigen Unter- handlungen mit Friedrich II. auch dieſem die Mittheilung ge- macht, daß es, um Preußen gegen einen etwaigen Angriff von Rußland ſicher zu ſtellen, eine Conföderation in Polen ins Leben rufen wolle, um den Durchzug der Ruſſen mit gewaff- neter Hand zu verhindern 1). Allein Friedrich lehnte ſchließlich alle franzöſiſchen Anträge ab und ſchloß am 18. Januar 1756 ſeinen Vertrag mit England. Er veränderte die geſamte po- litiſche Situation und brachte die Entwickelung derſelben in raſchern Fluß. Auch in Polen ward ſeine Wirkung faſt augenblicklich be- merkbar. Der Krongroßfeldherr ſtellte die Ausrüſtung der Armee, ſo wie die Vorbereitungen zu einer Conföderation ein, und rief ſeine Agenten von Conſtantinopel zurück 2). Ver- gebens bemühte ſich Broglie durch Mokranowski, ſeine Frau und ſeine Schweſter, die Fürſtin Lubomirski, auf ihn zu wirken; „der Alte zog ſeine Segel ein, um abzuwarten, welcher Wind ſich erheben würde“. Während Broglie ſolchergeſtalt das ganze Jahr 1755 hin- durch, ohne alle Kenntniß der Verhandlungen, welche zwiſchen Öſtreich und Frankreich gleichzeitig in der Stille ſpielten, ſeine antiruſſiſche Politik betrieb, unterhandelte England gleichfalls noch in der Richtung ſeines bisherigen politiſchen Syſtems eifrigſt in St. Petersburg, um ſich durch einen neuen Sub- ſidienvertrag die Hilfe Rußlands für den Ausbruch des Krieges mit Frankreich, namentlich gegen einen Angriff Preußens auf Hannover, zu ſichern. Die Unterhandlung führte Sir Wil- liams, der zu dieſem Zweck von Dresden nach Petersburg ver- ſetzt war, woſelbſt er am 16. Juni 1755 ankam. Von Warſchau her mit den Czartoryskis enge befreundet, von welchen er den Woiwoden von Rußland beſonders hoch ſchätzte 3), forderte Williams deſſen Neffen, den jungen Sta- 1) Schäfer a. a. O. I, 110. 2) Bericht Durand’, des franzöſiſchen Reſidenten in Warſchau, an Broglie vom 4. März 1756. Revue l. c., p. 782. 3) Stanisl. Aug., Pam., p. 169.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/125>, abgerufen am 21.11.2024.