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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Opposition hatten sich hiezu vereinigt. Selbst der Palatin
von Kiew wollte von Brühl nichts mehr wissen 1).

Inzwischen ward der Druck, den die russischen Truppen
im Lande übten, je länger, je ärger. Vergebens brachte
der großpolnische Adel, welcher sich, wie Kitowicz sagt, "den
Russen gar nicht für ihre Kriegführung obligirt hielt", seine
Klagen bei dem Hofe in Warschau vor. "Graf Brühl,
der Hofmarschall Mniszek und Soltyk, der Bischof von
Krakau, die drei Meteore des Hofes, dämpften so viel ihnen
möglich die Klagen, indem sie mit verschiednen Mitteln den
Klagenden den Mund stopften." Sie nannten auch wohl
diese Klagen "eine Indiscretion gegen den Monarchen, der
seiner eignen Herrschaft beraubt sei". Bewarben sich zwei um
ein erledigtes Amt, von welchen der eine die "Exorbitancien
der Russen, die ihm auf der eignen Haut gebrannt hatten", zur
Sprache brachte, der andre aber als "Schlaukopf" versicherte,
daß das Land durch die Russen gar nicht litte, sondern vielmehr
"profitire", so erhielt sicher der erstere "als ein Mensch von
nichtswürdiger Gesinnung und Gegner des Hofes -- nichts" 2).
Allein auf die Länge reichten diese Mittel nicht aus.

Der König sandte (1760) den Starosten von Obornik,
Rogalinski, nach Petersburg, um dort Ersatz für die Verluste
und Schäden seiner Unterthanen zu fordern. Der Starost
brachte allerdings "rosige" Versprechungen des Kanzler Wo-
ronzow zurück. Eine Liquidationscommission, aus einem rus-
sischen Oberst Putzkow und dem Starost von Czerwenigrod,
Wychowski, ward in Thorn eingesetzt (18. Mai 1761). Der
Russe entschied aber alles allein nach Gunst und Willkühr, und
die ganze Liquidation ward von Rußland absichtlich Jahre lang
hingezogen, um die Polen durch die Furcht am Ende gar nichts
zu bekommen, in Abhängigkeit von sich zu erhalten 3). Um

1) Benoit, Bericht vom 4. November.
2) Kitowicz, Pam., p. 36.
3) Szujski IV, 350. Von dem Verfahren der Kommission giebt
Kitowicz, Pam., p. 45--46 in seiner Art eine höchst drastische Schil-
derung. Vgl. auch Rulhiere I, 260.

Oppoſition hatten ſich hiezu vereinigt. Selbſt der Palatin
von Kiew wollte von Brühl nichts mehr wiſſen 1).

Inzwiſchen ward der Druck, den die ruſſiſchen Truppen
im Lande übten, je länger, je ärger. Vergebens brachte
der großpolniſche Adel, welcher ſich, wie Kitowicz ſagt, „den
Ruſſen gar nicht für ihre Kriegführung obligirt hielt“, ſeine
Klagen bei dem Hofe in Warſchau vor. „Graf Brühl,
der Hofmarſchall Mniszek und Soltyk, der Biſchof von
Krakau, die drei Meteore des Hofes, dämpften ſo viel ihnen
möglich die Klagen, indem ſie mit verſchiednen Mitteln den
Klagenden den Mund ſtopften.“ Sie nannten auch wohl
dieſe Klagen „eine Indiscretion gegen den Monarchen, der
ſeiner eignen Herrſchaft beraubt ſei“. Bewarben ſich zwei um
ein erledigtes Amt, von welchen der eine die „Exorbitancien
der Ruſſen, die ihm auf der eignen Haut gebrannt hatten“, zur
Sprache brachte, der andre aber als „Schlaukopf“ verſicherte,
daß das Land durch die Ruſſen gar nicht litte, ſondern vielmehr
„profitire“, ſo erhielt ſicher der erſtere „als ein Menſch von
nichtswürdiger Geſinnung und Gegner des Hofes — nichts“ 2).
Allein auf die Länge reichten dieſe Mittel nicht aus.

Der König ſandte (1760) den Staroſten von Obornik,
Rogalinski, nach Petersburg, um dort Erſatz für die Verluſte
und Schäden ſeiner Unterthanen zu fordern. Der Staroſt
brachte allerdings „roſige“ Verſprechungen des Kanzler Wo-
ronzow zurück. Eine Liquidationscommiſſion, aus einem ruſ-
ſiſchen Oberſt Putzkow und dem Staroſt von Czerwenigrod,
Wychowski, ward in Thorn eingeſetzt (18. Mai 1761). Der
Ruſſe entſchied aber alles allein nach Gunſt und Willkühr, und
die ganze Liquidation ward von Rußland abſichtlich Jahre lang
hingezogen, um die Polen durch die Furcht am Ende gar nichts
zu bekommen, in Abhängigkeit von ſich zu erhalten 3). Um

1) Benoit, Bericht vom 4. November.
2) Kitowicz, Pam., p. 36.
3) Szujski IV, 350. Von dem Verfahren der Kommiſſion giebt
Kitowicz, Pam., p. 45—46 in ſeiner Art eine höchſt draſtiſche Schil-
derung. Vgl. auch Rulhiere I, 260.
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[141/0155] Oppoſition hatten ſich hiezu vereinigt. Selbſt der Palatin von Kiew wollte von Brühl nichts mehr wiſſen 1). Inzwiſchen ward der Druck, den die ruſſiſchen Truppen im Lande übten, je länger, je ärger. Vergebens brachte der großpolniſche Adel, welcher ſich, wie Kitowicz ſagt, „den Ruſſen gar nicht für ihre Kriegführung obligirt hielt“, ſeine Klagen bei dem Hofe in Warſchau vor. „Graf Brühl, der Hofmarſchall Mniszek und Soltyk, der Biſchof von Krakau, die drei Meteore des Hofes, dämpften ſo viel ihnen möglich die Klagen, indem ſie mit verſchiednen Mitteln den Klagenden den Mund ſtopften.“ Sie nannten auch wohl dieſe Klagen „eine Indiscretion gegen den Monarchen, der ſeiner eignen Herrſchaft beraubt ſei“. Bewarben ſich zwei um ein erledigtes Amt, von welchen der eine die „Exorbitancien der Ruſſen, die ihm auf der eignen Haut gebrannt hatten“, zur Sprache brachte, der andre aber als „Schlaukopf“ verſicherte, daß das Land durch die Ruſſen gar nicht litte, ſondern vielmehr „profitire“, ſo erhielt ſicher der erſtere „als ein Menſch von nichtswürdiger Geſinnung und Gegner des Hofes — nichts“ 2). Allein auf die Länge reichten dieſe Mittel nicht aus. Der König ſandte (1760) den Staroſten von Obornik, Rogalinski, nach Petersburg, um dort Erſatz für die Verluſte und Schäden ſeiner Unterthanen zu fordern. Der Staroſt brachte allerdings „roſige“ Verſprechungen des Kanzler Wo- ronzow zurück. Eine Liquidationscommiſſion, aus einem ruſ- ſiſchen Oberſt Putzkow und dem Staroſt von Czerwenigrod, Wychowski, ward in Thorn eingeſetzt (18. Mai 1761). Der Ruſſe entſchied aber alles allein nach Gunſt und Willkühr, und die ganze Liquidation ward von Rußland abſichtlich Jahre lang hingezogen, um die Polen durch die Furcht am Ende gar nichts zu bekommen, in Abhängigkeit von ſich zu erhalten 3). Um 1) Benoit, Bericht vom 4. November. 2) Kitowicz, Pam., p. 36. 3) Szujski IV, 350. Von dem Verfahren der Kommiſſion giebt Kitowicz, Pam., p. 45—46 in ſeiner Art eine höchſt draſtiſche Schil- derung. Vgl. auch Rulhiere I, 260.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/155>, abgerufen am 21.05.2024.