Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.und wurden daher zu allen Zeiten von dem Adel eifrig ge- 1) Die großen, einflußreichen Familien versorgten ihre Söhne, bis-
weilen noch im Knabenalter mit solchen Gütern, die ursprünglich, wie man sich auszudrücken pflegte, panis bene merentium sein sollten. Wie viel sie eintrugen, davon nur ein, und zwar ein geringes, Beispiel. Der Vater des Königs Stanislaw August Poniatowski hatte für seinen ältesten Sohn Casimir so gut gesorgt, daß derselbe im Jahre 1759 allein aus den Starosteien Czehryn, Sokal und Stryi jährlich etwa 220,000 P. G. bezog; außer diesen hatte er noch die Starosteien Ryk und Tyszowice inne, so daß man sein jährliches Einkommen auf sicher 300000 P. G. (50000 Rthlr.) anschlagen konnte. Vgl. Bartoszewicz, Znakomici mezowie polscy w 18. wieku (Petersburg 1856) III, 207. (Die angesehenen Männer in Polen im 18. Jahrhundert.) Man kann in der That sagen, die großen Familien lebten zum Theil wesentlich auf Kosten der Republik. und wurden daher zu allen Zeiten von dem Adel eifrig ge- 1) Die großen, einflußreichen Familien verſorgten ihre Söhne, bis-
weilen noch im Knabenalter mit ſolchen Gütern, die urſprünglich, wie man ſich auszudrücken pflegte, panis bene merentium ſein ſollten. Wie viel ſie eintrugen, davon nur ein, und zwar ein geringes, Beiſpiel. Der Vater des Königs Stanislaw Auguſt Poniatowski hatte für ſeinen älteſten Sohn Caſimir ſo gut geſorgt, daß derſelbe im Jahre 1759 allein aus den Staroſteien Czehryn, Sokal und Stryi jährlich etwa 220,000 P. G. bezog; außer dieſen hatte er noch die Staroſteien Ryk und Tyszowice inne, ſo daß man ſein jährliches Einkommen auf ſicher 300000 P. G. (50000 Rthlr.) anſchlagen konnte. Vgl. Bartoszewicz, Znakomici męźowie polscy w 18. wieku (Petersburg 1856) III, 207. (Die angeſehenen Männer in Polen im 18. Jahrhundert.) Man kann in der That ſagen, die großen Familien lebten zum Theil weſentlich auf Koſten der Republik. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="4"/> und wurden daher zu allen Zeiten von dem Adel eifrig ge-<lb/> ſucht, ſo daß das Recht der Krone ſie alle zu verleihen ihr einen<lb/> großen Einfluß ſichern zu müſſen ſchien. Allein wie vollkommen<lb/> frei auch der König nach dem Wortlaut der Geſetze dieſe ſeine<lb/> Prärogative ausüben durfte, thatſächlich mußte er dabei die<lb/> mannichfaltigſten Rückſichten nehmen. Zunächſt durfte er kein<lb/> weltliches und kein kirchliches Amt einem andern verleihen als<lb/> ſolchem, der von Geburt ein polniſcher Edelmann war. Grade<lb/> aber je größer das Einkommen, der Einfluß und die Macht<lb/> waren, welche die Ämter gewährten, um ſo heftiger und<lb/> leidenſchaftlicher war von Seiten des Adels das Ringen um<lb/> ſie. Bei jeder Erledigung ſtanden ſich die rivaliſirenden großen<lb/> Familien des Landes, für welche es nicht ſelten nicht nur eine<lb/> politiſche, ſondern ſelbſt eine wirthſchaftliche Lebensfrage war<lb/> ſich in ihrem Genuß zu erhalten, gegenüber, und ſuchten mit<lb/> allen Mitteln, Kabalen, Intriguen, Beſtechungen u. ſ. w. ſich<lb/> gegenſeitig den Rang abzulaufen <note place="foot" n="1)">Die großen, einflußreichen Familien verſorgten ihre Söhne, bis-<lb/> weilen noch im Knabenalter mit ſolchen Gütern, die urſprünglich, wie<lb/> man ſich auszudrücken pflegte, <hi rendition="#aq">panis bene merentium</hi> ſein ſollten. Wie<lb/> viel ſie eintrugen, davon nur ein, und zwar ein geringes, Beiſpiel.<lb/> Der Vater des Königs Stanislaw Auguſt Poniatowski hatte für ſeinen<lb/> älteſten Sohn Caſimir ſo gut geſorgt, daß derſelbe im Jahre 1759 allein<lb/> aus den Staroſteien Czehryn, Sokal und Stryi jährlich etwa 220,000<lb/> P. G. bezog; außer dieſen hatte er noch die Staroſteien Ryk und<lb/> Tyszowice inne, ſo daß man ſein jährliches Einkommen auf ſicher<lb/> 300000 P. G. (50000 Rthlr.) anſchlagen konnte. Vgl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Bartoszewicz</hi>,<lb/> Znakomici męźowie polscy w 18. wieku (Petersburg 1856) III,</hi> 207.<lb/> (Die angeſehenen Männer in Polen im 18. Jahrhundert.) Man kann<lb/> in der That ſagen, die großen Familien lebten zum Theil weſentlich auf<lb/> Koſten der Republik.</note>. Es erſcheint daher ſehr<lb/> fraglich, ob die Krone, welche mitten in dieſes von Generation<lb/> zu Generation ſich vererbende, in jedem Augenblick ſich er-<lb/> neuernde Partheitreiben hineingeſtellt war, mehr Vortheil oder<lb/> mehr Nachtheil von dieſer Prärogative hatte. Denn was ſie<lb/> bei den einen durch die Gewährung gewann, verlor ſie bei den<lb/> andern durch die Verſagung, und wer einmal das Amt davon-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0018]
und wurden daher zu allen Zeiten von dem Adel eifrig ge-
ſucht, ſo daß das Recht der Krone ſie alle zu verleihen ihr einen
großen Einfluß ſichern zu müſſen ſchien. Allein wie vollkommen
frei auch der König nach dem Wortlaut der Geſetze dieſe ſeine
Prärogative ausüben durfte, thatſächlich mußte er dabei die
mannichfaltigſten Rückſichten nehmen. Zunächſt durfte er kein
weltliches und kein kirchliches Amt einem andern verleihen als
ſolchem, der von Geburt ein polniſcher Edelmann war. Grade
aber je größer das Einkommen, der Einfluß und die Macht
waren, welche die Ämter gewährten, um ſo heftiger und
leidenſchaftlicher war von Seiten des Adels das Ringen um
ſie. Bei jeder Erledigung ſtanden ſich die rivaliſirenden großen
Familien des Landes, für welche es nicht ſelten nicht nur eine
politiſche, ſondern ſelbſt eine wirthſchaftliche Lebensfrage war
ſich in ihrem Genuß zu erhalten, gegenüber, und ſuchten mit
allen Mitteln, Kabalen, Intriguen, Beſtechungen u. ſ. w. ſich
gegenſeitig den Rang abzulaufen 1). Es erſcheint daher ſehr
fraglich, ob die Krone, welche mitten in dieſes von Generation
zu Generation ſich vererbende, in jedem Augenblick ſich er-
neuernde Partheitreiben hineingeſtellt war, mehr Vortheil oder
mehr Nachtheil von dieſer Prärogative hatte. Denn was ſie
bei den einen durch die Gewährung gewann, verlor ſie bei den
andern durch die Verſagung, und wer einmal das Amt davon-
1) Die großen, einflußreichen Familien verſorgten ihre Söhne, bis-
weilen noch im Knabenalter mit ſolchen Gütern, die urſprünglich, wie
man ſich auszudrücken pflegte, panis bene merentium ſein ſollten. Wie
viel ſie eintrugen, davon nur ein, und zwar ein geringes, Beiſpiel.
Der Vater des Königs Stanislaw Auguſt Poniatowski hatte für ſeinen
älteſten Sohn Caſimir ſo gut geſorgt, daß derſelbe im Jahre 1759 allein
aus den Staroſteien Czehryn, Sokal und Stryi jährlich etwa 220,000
P. G. bezog; außer dieſen hatte er noch die Staroſteien Ryk und
Tyszowice inne, ſo daß man ſein jährliches Einkommen auf ſicher
300000 P. G. (50000 Rthlr.) anſchlagen konnte. Vgl. Bartoszewicz,
Znakomici męźowie polscy w 18. wieku (Petersburg 1856) III, 207.
(Die angeſehenen Männer in Polen im 18. Jahrhundert.) Man kann
in der That ſagen, die großen Familien lebten zum Theil weſentlich auf
Koſten der Republik.
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