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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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jedem Gerücht von Unruhen in Rußland unverhohlen seine
Freude, und übergab Keyserling eine Note, in welcher nicht nur
höchst energisch gegen Rußlands Vorgehen in Kurland protestirt,
sondern auch ziemlich unverhüllt die Rechtmäßigkeit von Katha-
rinens Regierung in Zweifel gezogen ward (10. Januar). Die
Note war von dem Unterkanzler Wodzicki, dem Unterschatz-
meister Wessel, dem Hofmarschall Mniszek und Bielinski, den
Partheigängern Brühls, allein unterzeichnet: der Kanzler Czar-
toryski hatte die Zeichnung verweigert 1). Katharina antwor-
tete auf sie nicht nur mit der Forderung einer eclatanten
Satisfaction für diese Beleidigung, sondern ließ zugleich durch
Simolin, ihren Residenten in Mitau, sämtliche herzogliche Ein-
künfte mit Beschlag belegen 2). Am 21. Januar zog Herzog
Biron unter dem Schutz russischer Truppen in Mitau ein;
Herzog Karl aber antwortete auf die Aufforderung, das Land
zu verlassen, als Vasall und Sohn habe er den Befehlen
seines Vaters zu folgen, und blieb in seinem Palais. Dagegen
erklärten die kurländischen Stände, welche Biron zusammen-
berufen hatte, am 21. Februar Karls Herrschaft für aufgedrun-
gen und ungesetzlich 3), und erkannten die von Warschau gesandten
Commissare nicht an 4). So gespannt war dort bereits die
Lage, als in Warschau das Senatsconsilium, welches der
König auf den 28. Februar berufen, seiner Krankheit wegen
aber aufgeschoben hatte, am 7. März eröffnet ward. August
war noch so angegriffen und schwach, daß er sich in einem
Lehnsessel in die Sitzung tragen ließ, in welcher es zu den
heftigsten Debatten kam. Die Berathungen dauerten bis zum

1) Stolterfoth a. a. O., 844.
2) Simolins Declaration vom 20. Januar 1763 bei Stolter-
foth
a. a. O., S. 845.
3) Kruse, Kurland II, 78.
4) Stolterfoth, S. 847 nennt als solche Lipski, Kastellan von
Leczycz und Graf Plater, Woiwoden von Mcislaw: statt des erstern
hat Szujski IV, 355 Jozef Waleski, welcher indeß nach Stolterfoth
S. 826 bereits am 5. Januar 1763 gestorben war, worauf am 7. Januar
Lipski die Kastellanei Leczycz erhalten hatte.

jedem Gerücht von Unruhen in Rußland unverhohlen ſeine
Freude, und übergab Keyſerling eine Note, in welcher nicht nur
höchſt energiſch gegen Rußlands Vorgehen in Kurland proteſtirt,
ſondern auch ziemlich unverhüllt die Rechtmäßigkeit von Katha-
rinens Regierung in Zweifel gezogen ward (10. Januar). Die
Note war von dem Unterkanzler Wodzicki, dem Unterſchatz-
meiſter Weſſel, dem Hofmarſchall Mniszek und Bielinski, den
Partheigängern Brühls, allein unterzeichnet: der Kanzler Czar-
toryski hatte die Zeichnung verweigert 1). Katharina antwor-
tete auf ſie nicht nur mit der Forderung einer eclatanten
Satisfaction für dieſe Beleidigung, ſondern ließ zugleich durch
Simolin, ihren Reſidenten in Mitau, ſämtliche herzogliche Ein-
künfte mit Beſchlag belegen 2). Am 21. Januar zog Herzog
Biron unter dem Schutz ruſſiſcher Truppen in Mitau ein;
Herzog Karl aber antwortete auf die Aufforderung, das Land
zu verlaſſen, als Vaſall und Sohn habe er den Befehlen
ſeines Vaters zu folgen, und blieb in ſeinem Palais. Dagegen
erklärten die kurländiſchen Stände, welche Biron zuſammen-
berufen hatte, am 21. Februar Karls Herrſchaft für aufgedrun-
gen und ungeſetzlich 3), und erkannten die von Warſchau geſandten
Commiſſare nicht an 4). So geſpannt war dort bereits die
Lage, als in Warſchau das Senatsconſilium, welches der
König auf den 28. Februar berufen, ſeiner Krankheit wegen
aber aufgeſchoben hatte, am 7. März eröffnet ward. Auguſt
war noch ſo angegriffen und ſchwach, daß er ſich in einem
Lehnſeſſel in die Sitzung tragen ließ, in welcher es zu den
heftigſten Debatten kam. Die Berathungen dauerten bis zum

1) Stolterfoth a. a. O., 844.
2) Simolins Declaration vom 20. Januar 1763 bei Stolter-
foth
a. a. O., S. 845.
3) Kruſe, Kurland II, 78.
4) Stolterfoth, S. 847 nennt als ſolche Lipski, Kaſtellan von
Lęczycz und Graf Plater, Woiwoden von Mcislaw: ſtatt des erſtern
hat Szujski IV, 355 Jozef Waleski, welcher indeß nach Stolterfoth
S. 826 bereits am 5. Januar 1763 geſtorben war, worauf am 7. Januar
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[173/0187] jedem Gerücht von Unruhen in Rußland unverhohlen ſeine Freude, und übergab Keyſerling eine Note, in welcher nicht nur höchſt energiſch gegen Rußlands Vorgehen in Kurland proteſtirt, ſondern auch ziemlich unverhüllt die Rechtmäßigkeit von Katha- rinens Regierung in Zweifel gezogen ward (10. Januar). Die Note war von dem Unterkanzler Wodzicki, dem Unterſchatz- meiſter Weſſel, dem Hofmarſchall Mniszek und Bielinski, den Partheigängern Brühls, allein unterzeichnet: der Kanzler Czar- toryski hatte die Zeichnung verweigert 1). Katharina antwor- tete auf ſie nicht nur mit der Forderung einer eclatanten Satisfaction für dieſe Beleidigung, ſondern ließ zugleich durch Simolin, ihren Reſidenten in Mitau, ſämtliche herzogliche Ein- künfte mit Beſchlag belegen 2). Am 21. Januar zog Herzog Biron unter dem Schutz ruſſiſcher Truppen in Mitau ein; Herzog Karl aber antwortete auf die Aufforderung, das Land zu verlaſſen, als Vaſall und Sohn habe er den Befehlen ſeines Vaters zu folgen, und blieb in ſeinem Palais. Dagegen erklärten die kurländiſchen Stände, welche Biron zuſammen- berufen hatte, am 21. Februar Karls Herrſchaft für aufgedrun- gen und ungeſetzlich 3), und erkannten die von Warſchau geſandten Commiſſare nicht an 4). So geſpannt war dort bereits die Lage, als in Warſchau das Senatsconſilium, welches der König auf den 28. Februar berufen, ſeiner Krankheit wegen aber aufgeſchoben hatte, am 7. März eröffnet ward. Auguſt war noch ſo angegriffen und ſchwach, daß er ſich in einem Lehnſeſſel in die Sitzung tragen ließ, in welcher es zu den heftigſten Debatten kam. Die Berathungen dauerten bis zum 1) Stolterfoth a. a. O., 844. 2) Simolins Declaration vom 20. Januar 1763 bei Stolter- foth a. a. O., S. 845. 3) Kruſe, Kurland II, 78. 4) Stolterfoth, S. 847 nennt als ſolche Lipski, Kaſtellan von Lęczycz und Graf Plater, Woiwoden von Mcislaw: ſtatt des erſtern hat Szujski IV, 355 Jozef Waleski, welcher indeß nach Stolterfoth S. 826 bereits am 5. Januar 1763 geſtorben war, worauf am 7. Januar Lipski die Kaſtellanei Lęczycz erhalten hatte.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/187>, abgerufen am 18.05.2024.