Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.menkünfte des Adels endeten aber oft mit Schlägereien der zum Präsidenten des Tribunals', rief der Herr Granowski. Der Mar- schall, gewarnt, hob rasch die Sitzung auf; der Troß aber zog beim Rathhause vorbei zu dem Hause, welches der Präsident bewohnte, schlug die ver- schlossenen Thüren der Zimmer ein, zog den Präsidenten aus dem Bette (in das er sich geflüchtet), um ihn mitzunehmen. Kaum bat er sich los wegen seiner Krankheit. Erst am Abend kehrte der Troß zum Hause des Granowski zurück. Ich habe das mit eignen Augen gesehen, dessen Staszic in der Schrift über Zamoyski vom Hörensagen gedenkt." Derselbe Kozmian erzählt S. 57: "Als Stanislaw August dem Bischof Lenczewski von Abdera, bei welchem der König lesen und schreiben gelernt hatte, den Stanislaw-Orden verlieh, gab der Bischof ein großes Diner in Lublin, welches bis zum Dunkelwerden dauerte und bei welchem natürlich stark getrunken wurde. Da rief einer aus: ,Ziehen wir mit der Musik auf den Markt.' Der Bischof, bereits angetrunken, rief: ,Auch ich bin ein Kavalier und werde mit Euch gehen.' Es wird ein Korb Wein mitge- nommen, die Musik spielt auf und die ganze Gesellschaft, der Bischof an ihrer Spitze, setzt sich in Bewegung; alle tanzen und springen um ihn herum, er aber singt mit halber Stimme ein etwas freies Liedchen: ,Laß mich bei dir schlafen, denn der Regen durchnäßt mich.' So singend tritt er mit den Füßen den Takt, hüpft auf dem Markt herum, ruft wiederholend: ,Auch ich bin ein Kavalier' und trinkt mit den Genossen auf die Gesundheit des Königs." -- "Solchergestalt", setzt Kozmian hinzu, "führte das Übermaß im Trinken die würdigsten Leute in Folge der Sitten und Fehler jener Zeit dazu, sich selbst und ihren Beruf zu entwürdigen. Denn Lenczewski war sonst ein musterhafter, eifriger Priester, von reinen Sitten, wenn auch von geringer Fähigkeit." 1) Kozmian (Pam. I, 10) nennt als solche Familie die Tczcinski
im Lublinschen. Er selbst hat noch 3 Brüder derselben gekannt, alle drei von herkulischem Wuchs, die an der Seite Säbel so breit wie eines Hen- kers Schwerdt führten und von deren Gebahren er einzelne Geschichten erzählt. menkünfte des Adels endeten aber oft mit Schlägereien der zum Präſidenten des Tribunals‘, rief der Herr Granowski. Der Mar- ſchall, gewarnt, hob raſch die Sitzung auf; der Troß aber zog beim Rathhauſe vorbei zu dem Hauſe, welches der Präſident bewohnte, ſchlug die ver- ſchloſſenen Thüren der Zimmer ein, zog den Präſidenten aus dem Bette (in das er ſich geflüchtet), um ihn mitzunehmen. Kaum bat er ſich los wegen ſeiner Krankheit. Erſt am Abend kehrte der Troß zum Hauſe des Granowski zurück. Ich habe das mit eignen Augen geſehen, deſſen Staszić in der Schrift über Zamoyski vom Hörenſagen gedenkt.“ Derſelbe Koz̀mian erzählt S. 57: „Als Stanislaw Auguſt dem Biſchof Lenczewski von Abdera, bei welchem der König leſen und ſchreiben gelernt hatte, den Stanislaw-Orden verlieh, gab der Biſchof ein großes Diner in Lublin, welches bis zum Dunkelwerden dauerte und bei welchem natürlich ſtark getrunken wurde. Da rief einer aus: ‚Ziehen wir mit der Muſik auf den Markt.‘ Der Biſchof, bereits angetrunken, rief: ‚Auch ich bin ein Kavalier und werde mit Euch gehen.‘ Es wird ein Korb Wein mitge- nommen, die Muſik ſpielt auf und die ganze Geſellſchaft, der Biſchof an ihrer Spitze, ſetzt ſich in Bewegung; alle tanzen und ſpringen um ihn herum, er aber ſingt mit halber Stimme ein etwas freies Liedchen: ‚Laß mich bei dir ſchlafen, denn der Regen durchnäßt mich.‘ So ſingend tritt er mit den Füßen den Takt, hüpft auf dem Markt herum, ruft wiederholend: ‚Auch ich bin ein Kavalier‘ und trinkt mit den Genoſſen auf die Geſundheit des Königs.“ — „Solchergeſtalt“, ſetzt Koz̀mian hinzu, „führte das Übermaß im Trinken die würdigſten Leute in Folge der Sitten und Fehler jener Zeit dazu, ſich ſelbſt und ihren Beruf zu entwürdigen. Denn Lenczewski war ſonſt ein muſterhafter, eifriger Prieſter, von reinen Sitten, wenn auch von geringer Fähigkeit.“ 1) Koz̀mian (Pam. I, 10) nennt als ſolche Familie die Tczcinski
im Lublinſchen. Er ſelbſt hat noch 3 Brüder derſelben gekannt, alle drei von herkuliſchem Wuchs, die an der Seite Säbel ſo breit wie eines Hen- kers Schwerdt führten und von deren Gebahren er einzelne Geſchichten erzählt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0030" n="16"/> menkünfte des Adels endeten aber oft mit Schlägereien der<lb/> ſchlimmſten Art, ſo daß die Tiſchtücher häufig eben ſo ſehr<lb/> mit Blut wie mit Wein getränkt waren. Seit dem Jahre<lb/> 1717, als das Heer in Folge des Warſchauer Tractats we-<lb/> ſentlich verringert wurde, vermehrte ſich zuſehends die Zahl<lb/> der Raufbolde vom Handwerk, die jede Gelegenheit zu blutigen<lb/> Händeln aufſuchten. Es gab ganze Familien, welche den Ruhm<lb/> der Junakerei (<hi rendition="#aq">Junak</hi> = Raufbold) wie eine beſondere Aus-<lb/> zeichnung pflegten; wo ſie erſchienen, ging es ohne Gemetzel<lb/> nicht ab<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Koz̀mian</hi> (<hi rendition="#aq">Pam. I,</hi> 10) nennt als ſolche Familie die Tczcinski<lb/> im Lublinſchen. Er ſelbſt hat noch 3 Brüder derſelben gekannt, alle drei<lb/> von herkuliſchem Wuchs, die an der Seite Säbel ſo breit wie eines Hen-<lb/> kers Schwerdt führten und von deren Gebahren er einzelne Geſchichten erzählt.</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_3_2" prev="#seg2pn_3_1" place="foot" n="1)">zum Präſidenten des Tribunals‘, rief der Herr Granowski. Der Mar-<lb/> ſchall, gewarnt, hob raſch die Sitzung auf; der Troß aber zog beim Rathhauſe<lb/> vorbei zu dem Hauſe, welches der Präſident bewohnte, ſchlug die ver-<lb/> ſchloſſenen Thüren der Zimmer ein, zog den Präſidenten aus dem Bette<lb/> (in das er ſich geflüchtet), um ihn mitzunehmen. Kaum bat er ſich los<lb/> wegen ſeiner Krankheit. Erſt am Abend kehrte der Troß zum Hauſe<lb/> des Granowski zurück. Ich habe das mit eignen Augen geſehen, deſſen<lb/> Staszić in der Schrift über Zamoyski vom Hörenſagen gedenkt.“<lb/> Derſelbe Koz̀mian erzählt S. 57: „Als Stanislaw Auguſt dem Biſchof<lb/> Lenczewski von Abdera, bei welchem der König leſen und ſchreiben gelernt<lb/> hatte, den Stanislaw-Orden verlieh, gab der Biſchof ein großes Diner in<lb/> Lublin, welches bis zum Dunkelwerden dauerte und bei welchem natürlich<lb/> ſtark getrunken wurde. Da rief einer aus: ‚Ziehen wir mit der Muſik<lb/> auf den Markt.‘ Der Biſchof, bereits angetrunken, rief: ‚Auch ich bin ein<lb/> Kavalier und werde mit Euch gehen.‘ Es wird ein Korb Wein mitge-<lb/> nommen, die Muſik ſpielt auf und die ganze Geſellſchaft, der Biſchof an<lb/> ihrer Spitze, ſetzt ſich in Bewegung; alle tanzen und ſpringen um ihn<lb/> herum, er aber ſingt mit halber Stimme ein etwas freies Liedchen:<lb/> ‚Laß mich bei dir ſchlafen, denn der Regen durchnäßt mich.‘ So<lb/> ſingend tritt er mit den Füßen den Takt, hüpft auf dem Markt herum,<lb/> ruft wiederholend: ‚Auch ich bin ein Kavalier‘ und trinkt mit den Genoſſen<lb/> auf die Geſundheit des Königs.“ — „Solchergeſtalt“, ſetzt Koz̀mian hinzu,<lb/> „führte das Übermaß im Trinken die würdigſten Leute in Folge der<lb/> Sitten und Fehler jener Zeit dazu, ſich ſelbſt und ihren Beruf zu entwürdigen.<lb/> Denn Lenczewski war ſonſt ein muſterhafter, eifriger Prieſter, von reinen<lb/> Sitten, wenn auch von geringer Fähigkeit.“</note> </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [16/0030]
menkünfte des Adels endeten aber oft mit Schlägereien der
ſchlimmſten Art, ſo daß die Tiſchtücher häufig eben ſo ſehr
mit Blut wie mit Wein getränkt waren. Seit dem Jahre
1717, als das Heer in Folge des Warſchauer Tractats we-
ſentlich verringert wurde, vermehrte ſich zuſehends die Zahl
der Raufbolde vom Handwerk, die jede Gelegenheit zu blutigen
Händeln aufſuchten. Es gab ganze Familien, welche den Ruhm
der Junakerei (Junak = Raufbold) wie eine beſondere Aus-
zeichnung pflegten; wo ſie erſchienen, ging es ohne Gemetzel
nicht ab 1).
1)
1) Koz̀mian (Pam. I, 10) nennt als ſolche Familie die Tczcinski
im Lublinſchen. Er ſelbſt hat noch 3 Brüder derſelben gekannt, alle drei
von herkuliſchem Wuchs, die an der Seite Säbel ſo breit wie eines Hen-
kers Schwerdt führten und von deren Gebahren er einzelne Geſchichten erzählt.
1) zum Präſidenten des Tribunals‘, rief der Herr Granowski. Der Mar-
ſchall, gewarnt, hob raſch die Sitzung auf; der Troß aber zog beim Rathhauſe
vorbei zu dem Hauſe, welches der Präſident bewohnte, ſchlug die ver-
ſchloſſenen Thüren der Zimmer ein, zog den Präſidenten aus dem Bette
(in das er ſich geflüchtet), um ihn mitzunehmen. Kaum bat er ſich los
wegen ſeiner Krankheit. Erſt am Abend kehrte der Troß zum Hauſe
des Granowski zurück. Ich habe das mit eignen Augen geſehen, deſſen
Staszić in der Schrift über Zamoyski vom Hörenſagen gedenkt.“
Derſelbe Koz̀mian erzählt S. 57: „Als Stanislaw Auguſt dem Biſchof
Lenczewski von Abdera, bei welchem der König leſen und ſchreiben gelernt
hatte, den Stanislaw-Orden verlieh, gab der Biſchof ein großes Diner in
Lublin, welches bis zum Dunkelwerden dauerte und bei welchem natürlich
ſtark getrunken wurde. Da rief einer aus: ‚Ziehen wir mit der Muſik
auf den Markt.‘ Der Biſchof, bereits angetrunken, rief: ‚Auch ich bin ein
Kavalier und werde mit Euch gehen.‘ Es wird ein Korb Wein mitge-
nommen, die Muſik ſpielt auf und die ganze Geſellſchaft, der Biſchof an
ihrer Spitze, ſetzt ſich in Bewegung; alle tanzen und ſpringen um ihn
herum, er aber ſingt mit halber Stimme ein etwas freies Liedchen:
‚Laß mich bei dir ſchlafen, denn der Regen durchnäßt mich.‘ So
ſingend tritt er mit den Füßen den Takt, hüpft auf dem Markt herum,
ruft wiederholend: ‚Auch ich bin ein Kavalier‘ und trinkt mit den Genoſſen
auf die Geſundheit des Königs.“ — „Solchergeſtalt“, ſetzt Koz̀mian hinzu,
„führte das Übermaß im Trinken die würdigſten Leute in Folge der
Sitten und Fehler jener Zeit dazu, ſich ſelbſt und ihren Beruf zu entwürdigen.
Denn Lenczewski war ſonſt ein muſterhafter, eifriger Prieſter, von reinen
Sitten, wenn auch von geringer Fähigkeit.“
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