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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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(1720) verdankte, oder umgekehrt seinerseits die Czartoryski
förderte, mag dahingestellt bleiben. Thatsache ist, daß er, so
lange er lebte (er starb 1762, 29. August) 1), mit den Ältern
und den Brüdern der Frau im engsten Vertrauen stand und
mit ihnen Hand in Hand in den öffentlichen Geschäften wirkte.
Demgemäß hat er wahrscheinlich auch dem Schwager Michael,
als dieser als ein junger Mann von etwa 20 Jahren aus
dem Auslande in die Heimath zurückkehrte, eben so zur Seite
gestanden, als er die Heirath des jüngeren August mit der
Wittwe Dehnhof durch seine geschickten und stetigen Bemühungen
förderte 2). Michael aber erwarb sich rasch die besondere Gunst
des Feldmarschall Flemming, der als der erste und vertrauteste
Minister August II. auch in den polnischen Geschäften der
damals einflußreichste Mann war 3). Bereits mit 28 Jahren
ward er Unterkanzler von Lithauen (1724) und erfreute sich
des. Wohlwollens des Königs, der seinerseits wesentlich auch
dazu beigetragen haben soll, daß die Wittwe Dehnhof vor allen
anderen Freiern August Czartoryski vorzog. Wenige Tage

und Paris 1847. II, S. 125. Karpinski theilt dagegen in seinen
Pamietniki p. 31 mit, daß ein italienischer Edelmann Torelli, der am
Ende des 16. Jahrhunderts nach Polen gekommen sei, sich mit einer
Poniatowska, der letzten ihres Geschlechtes, verheirathet und ihren Namen
angenommen habe, nicht ohne diesem den eignen Torelli in polnischer
Übersetzung Cioleck (ein junger Stier) hinzuzufügen. Dieser Italiener sei
der Urgroßvater des Generals gewesen, dessen Vater erst in seinem Ver-
mögen heruntergekommen sei. Diese Sage, welche ihren Ausgangspunkt
vielleicht in dem Wappen der Poniatowski, einem jungen Stier, hat, ist
selbst in die berühmte "L'art de verifier les dates" übergegangen; in
Polen fand man sie, nach Lelewel, lächerlich.
1) In der Encyclop. powsz. s. v. ist als Todestag der 23. Sep-
tember, in der Nouvelle Biographie generale. Paris 1862. vol. XL,
p.
748 der 3. August, in den Rodowody ksiazat i Krolow polskich etc.
Petersb.
1861 (Genealogie der Fürsten und Könige Polens) der 30. August
angegeben. Ich habe den Bericht seines Beichtvaters, der ihm die letzte
Ölung gab, vorgezogen. Er ist als Anhang zu den Denkwürdigkeiten
des Sohnes (S. 460 ff.) gedruckt.
2) Letzteres aus des Sohnes Denkwürdigkeiten, S. 64.
3) Denkwürdigkeiten Stanisl. Augusts, S. 16.

(1720) verdankte, oder umgekehrt ſeinerſeits die Czartoryski
förderte, mag dahingeſtellt bleiben. Thatſache iſt, daß er, ſo
lange er lebte (er ſtarb 1762, 29. Auguſt) 1), mit den Ältern
und den Brüdern der Frau im engſten Vertrauen ſtand und
mit ihnen Hand in Hand in den öffentlichen Geſchäften wirkte.
Demgemäß hat er wahrſcheinlich auch dem Schwager Michael,
als dieſer als ein junger Mann von etwa 20 Jahren aus
dem Auslande in die Heimath zurückkehrte, eben ſo zur Seite
geſtanden, als er die Heirath des jüngeren Auguſt mit der
Wittwe Dehnhof durch ſeine geſchickten und ſtetigen Bemühungen
förderte 2). Michael aber erwarb ſich raſch die beſondere Gunſt
des Feldmarſchall Flemming, der als der erſte und vertrauteſte
Miniſter Auguſt II. auch in den polniſchen Geſchäften der
damals einflußreichſte Mann war 3). Bereits mit 28 Jahren
ward er Unterkanzler von Lithauen (1724) und erfreute ſich
des. Wohlwollens des Königs, der ſeinerſeits weſentlich auch
dazu beigetragen haben ſoll, daß die Wittwe Dehnhof vor allen
anderen Freiern Auguſt Czartoryski vorzog. Wenige Tage

und Paris 1847. II, S. 125. Karpinski theilt dagegen in ſeinen
Pamiętniki p. 31 mit, daß ein italieniſcher Edelmann Torelli, der am
Ende des 16. Jahrhunderts nach Polen gekommen ſei, ſich mit einer
Poniatowska, der letzten ihres Geſchlechtes, verheirathet und ihren Namen
angenommen habe, nicht ohne dieſem den eignen Torelli in polniſcher
Überſetzung Cioleck (ein junger Stier) hinzuzufügen. Dieſer Italiener ſei
der Urgroßvater des Generals geweſen, deſſen Vater erſt in ſeinem Ver-
mögen heruntergekommen ſei. Dieſe Sage, welche ihren Ausgangspunkt
vielleicht in dem Wappen der Poniatowski, einem jungen Stier, hat, iſt
ſelbſt in die berühmte „L’art de verifier les dates“ übergegangen; in
Polen fand man ſie, nach Lelewel, lächerlich.
1) In der Encyclop. powsz. s. v. iſt als Todestag der 23. Sep-
tember, in der Nouvelle Biographie generale. Paris 1862. vol. XL,
p.
748 der 3. Auguſt, in den Rodowody ksiąz̀at i Krolow polskich etc.
Petersb.
1861 (Genealogie der Fürſten und Könige Polens) der 30. Auguſt
angegeben. Ich habe den Bericht ſeines Beichtvaters, der ihm die letzte
Ölung gab, vorgezogen. Er iſt als Anhang zu den Denkwürdigkeiten
des Sohnes (S. 460 ff.) gedruckt.
2) Letzteres aus des Sohnes Denkwürdigkeiten, S. 64.
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[36/0050] (1720) verdankte, oder umgekehrt ſeinerſeits die Czartoryski förderte, mag dahingeſtellt bleiben. Thatſache iſt, daß er, ſo lange er lebte (er ſtarb 1762, 29. Auguſt) 1), mit den Ältern und den Brüdern der Frau im engſten Vertrauen ſtand und mit ihnen Hand in Hand in den öffentlichen Geſchäften wirkte. Demgemäß hat er wahrſcheinlich auch dem Schwager Michael, als dieſer als ein junger Mann von etwa 20 Jahren aus dem Auslande in die Heimath zurückkehrte, eben ſo zur Seite geſtanden, als er die Heirath des jüngeren Auguſt mit der Wittwe Dehnhof durch ſeine geſchickten und ſtetigen Bemühungen förderte 2). Michael aber erwarb ſich raſch die beſondere Gunſt des Feldmarſchall Flemming, der als der erſte und vertrauteſte Miniſter Auguſt II. auch in den polniſchen Geſchäften der damals einflußreichſte Mann war 3). Bereits mit 28 Jahren ward er Unterkanzler von Lithauen (1724) und erfreute ſich des. Wohlwollens des Königs, der ſeinerſeits weſentlich auch dazu beigetragen haben ſoll, daß die Wittwe Dehnhof vor allen anderen Freiern Auguſt Czartoryski vorzog. Wenige Tage 2) 1) In der Encyclop. powsz. s. v. iſt als Todestag der 23. Sep- tember, in der Nouvelle Biographie generale. Paris 1862. vol. XL, p. 748 der 3. Auguſt, in den Rodowody ksiąz̀at i Krolow polskich etc. Petersb. 1861 (Genealogie der Fürſten und Könige Polens) der 30. Auguſt angegeben. Ich habe den Bericht ſeines Beichtvaters, der ihm die letzte Ölung gab, vorgezogen. Er iſt als Anhang zu den Denkwürdigkeiten des Sohnes (S. 460 ff.) gedruckt. 2) Letzteres aus des Sohnes Denkwürdigkeiten, S. 64. 3) Denkwürdigkeiten Stanisl. Auguſts, S. 16. 2) und Paris 1847. II, S. 125. Karpinski theilt dagegen in ſeinen Pamiętniki p. 31 mit, daß ein italieniſcher Edelmann Torelli, der am Ende des 16. Jahrhunderts nach Polen gekommen ſei, ſich mit einer Poniatowska, der letzten ihres Geſchlechtes, verheirathet und ihren Namen angenommen habe, nicht ohne dieſem den eignen Torelli in polniſcher Überſetzung Cioleck (ein junger Stier) hinzuzufügen. Dieſer Italiener ſei der Urgroßvater des Generals geweſen, deſſen Vater erſt in ſeinem Ver- mögen heruntergekommen ſei. Dieſe Sage, welche ihren Ausgangspunkt vielleicht in dem Wappen der Poniatowski, einem jungen Stier, hat, iſt ſelbſt in die berühmte „L’art de verifier les dates“ übergegangen; in Polen fand man ſie, nach Lelewel, lächerlich.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/50>, abgerufen am 23.11.2024.