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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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vielmehr als das der Republik stets im Auge gehabt, und noch
dazu die Freiheit der Nation bedroht hatte. Die große Mehr-
zahl der Landtage, welche herkömmlich dem Convocationsreichs-
tage vorangingen, erklärte sich für einen "Piasten". Der
Kurprinz hatte anfangs für sich so gut wie keine Parthei.
Denn auch den einflußreichen Familien, welche wie die Wisno-
wiecki, Radzivil, Lubomirski u. a. gegen die Wahl Leszczynski's
waren, war die Ausschließung jedes fremden Thronkandidaten
ganz genehm, weil Theodor Lubomirski, der Woiwode von
Krakau, sowohl wie die beiden Wisnowiecki, Michael, der Groß-
kanzler und Regimentarius von Lithauen und Jan, Kastellan
von Krakau, selbst sich mit dem Wunsche trugen, auf den
Thron zu gelangen.

Mit der solchergestalt in Polen beginnenden Wahlbewegung
kam gleichzeitig natürlich auch die Diplomatie von ganz Europa
in die lebhafteste Thätigkeit. Noch immer beherrschte der Gegen-
satz der Häuser Bourbon und Habsburg, in welchen damals
bereits die östreichische Erbfolgefrage hineinspielte, die poli-
tische Welt. Für keine der großen Mächte konnte es gleich-
gültig sein, wer auf den Thron gelangte, am wenigsten für die
drei, Polen zunächst benachbarten, Rußland, Preußen und Öst-
reich. Sollten sie es in Ruhe mit ansehen, daß durch die
Wahl Leszczynski's Frankreich von neuem Polen in sein poli-
tisches System hinüberzog? Schon lange vor dem Tode
August II. hatten sie hierüber untereinander verhandelt und
waren bei jeder dieser Verhandlungen (1726, 1730, 1732)
darüber einig geworden, daß weder Leszczynski noch der Kur-
prinz zum Throne gelangen dürfe. Ihr Sinn war, daß "der
polnische Thron mit einem Successor besetzt werden möge, der
so wenig der polnischen Libertät als der Nachbarschaft gefähr-
lich sei".

In Paris dagegen war man trotz der früheren Bemühungen
für Leszczynski, in den ersten Momenten nach dem Tode
August II. doch zweifelhaft, ob Frankreich sich seiner ernst an-
nehmen solle. Kardinal Fleury hätte gern den Krieg ver-
mieden, der die nothwendige Folge davon sein mußte. Allein

vielmehr als das der Republik ſtets im Auge gehabt, und noch
dazu die Freiheit der Nation bedroht hatte. Die große Mehr-
zahl der Landtage, welche herkömmlich dem Convocationsreichs-
tage vorangingen, erklärte ſich für einen „Piaſten“. Der
Kurprinz hatte anfangs für ſich ſo gut wie keine Parthei.
Denn auch den einflußreichen Familien, welche wie die Wisno-
wiecki, Radzivil, Lubomirski u. a. gegen die Wahl Leszczynski’s
waren, war die Ausſchließung jedes fremden Thronkandidaten
ganz genehm, weil Theodor Lubomirski, der Woiwode von
Krakau, ſowohl wie die beiden Wisnowiecki, Michael, der Groß-
kanzler und Regimentarius von Lithauen und Jan, Kaſtellan
von Krakau, ſelbſt ſich mit dem Wunſche trugen, auf den
Thron zu gelangen.

Mit der ſolchergeſtalt in Polen beginnenden Wahlbewegung
kam gleichzeitig natürlich auch die Diplomatie von ganz Europa
in die lebhafteſte Thätigkeit. Noch immer beherrſchte der Gegen-
ſatz der Häuſer Bourbon und Habsburg, in welchen damals
bereits die öſtreichiſche Erbfolgefrage hineinſpielte, die poli-
tiſche Welt. Für keine der großen Mächte konnte es gleich-
gültig ſein, wer auf den Thron gelangte, am wenigſten für die
drei, Polen zunächſt benachbarten, Rußland, Preußen und Öſt-
reich. Sollten ſie es in Ruhe mit anſehen, daß durch die
Wahl Leszczynski’s Frankreich von neuem Polen in ſein poli-
tiſches Syſtem hinüberzog? Schon lange vor dem Tode
Auguſt II. hatten ſie hierüber untereinander verhandelt und
waren bei jeder dieſer Verhandlungen (1726, 1730, 1732)
darüber einig geworden, daß weder Leszczynski noch der Kur-
prinz zum Throne gelangen dürfe. Ihr Sinn war, daß „der
polniſche Thron mit einem Succeſſor beſetzt werden möge, der
ſo wenig der polniſchen Libertät als der Nachbarſchaft gefähr-
lich ſei“.

In Paris dagegen war man trotz der früheren Bemühungen
für Leszczynski, in den erſten Momenten nach dem Tode
Auguſt II. doch zweifelhaft, ob Frankreich ſich ſeiner ernſt an-
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[40/0054] vielmehr als das der Republik ſtets im Auge gehabt, und noch dazu die Freiheit der Nation bedroht hatte. Die große Mehr- zahl der Landtage, welche herkömmlich dem Convocationsreichs- tage vorangingen, erklärte ſich für einen „Piaſten“. Der Kurprinz hatte anfangs für ſich ſo gut wie keine Parthei. Denn auch den einflußreichen Familien, welche wie die Wisno- wiecki, Radzivil, Lubomirski u. a. gegen die Wahl Leszczynski’s waren, war die Ausſchließung jedes fremden Thronkandidaten ganz genehm, weil Theodor Lubomirski, der Woiwode von Krakau, ſowohl wie die beiden Wisnowiecki, Michael, der Groß- kanzler und Regimentarius von Lithauen und Jan, Kaſtellan von Krakau, ſelbſt ſich mit dem Wunſche trugen, auf den Thron zu gelangen. Mit der ſolchergeſtalt in Polen beginnenden Wahlbewegung kam gleichzeitig natürlich auch die Diplomatie von ganz Europa in die lebhafteſte Thätigkeit. Noch immer beherrſchte der Gegen- ſatz der Häuſer Bourbon und Habsburg, in welchen damals bereits die öſtreichiſche Erbfolgefrage hineinſpielte, die poli- tiſche Welt. Für keine der großen Mächte konnte es gleich- gültig ſein, wer auf den Thron gelangte, am wenigſten für die drei, Polen zunächſt benachbarten, Rußland, Preußen und Öſt- reich. Sollten ſie es in Ruhe mit anſehen, daß durch die Wahl Leszczynski’s Frankreich von neuem Polen in ſein poli- tiſches Syſtem hinüberzog? Schon lange vor dem Tode Auguſt II. hatten ſie hierüber untereinander verhandelt und waren bei jeder dieſer Verhandlungen (1726, 1730, 1732) darüber einig geworden, daß weder Leszczynski noch der Kur- prinz zum Throne gelangen dürfe. Ihr Sinn war, daß „der polniſche Thron mit einem Succeſſor beſetzt werden möge, der ſo wenig der polniſchen Libertät als der Nachbarſchaft gefähr- lich ſei“. In Paris dagegen war man trotz der früheren Bemühungen für Leszczynski, in den erſten Momenten nach dem Tode Auguſt II. doch zweifelhaft, ob Frankreich ſich ſeiner ernſt an- nehmen ſolle. Kardinal Fleury hätte gern den Krieg ver- mieden, der die nothwendige Folge davon ſein mußte. Allein

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/54>, abgerufen am 27.11.2024.