Herr Hirschfeld schildert den Ge- schmack der ältern Zeiten und vorzüglich des siebenzehnten Jahrhunderts in den Anmerkun- gen über die Landhäuser und Gartenkunst al- so: "Ein regelmäßiges Viereck, eine ganze gerade Ebene, oft durch mühsame Wegschaf- fung der natürlichen Erhöhungen erzwungen, ein breiter Hauptweg in der Mitte, zu den Sei- ten eine gerade Hecke oder Allee, zuweilen in poßierliche Figuren geschoren, an allen vier Ecken ein rothangestrichenes Lusthäuschen, Fluren mit bunten Steinchen und Glas belegt, dann ein mit Buchsbaum oder mit Porcellain- stücken gezogenes Wappen des hochadlichen Besitzers, überall eine ganze Völkerschaft von Puppen, vom blitzschleudernden Zevs bis auf den bockfüßigen Satyr; dieß war ohn- gefähr der niedliche Geschmack in einer langen Reihe der neuern Zeiten, der die Natur gera- de da verdrang, wo sie vorzüglich ihren rei- zenden Wohnsitz haben sollte, und der durch die unerträglichste Art von Gleichheit, Regel- mäßigkeit und alberner Künsteley ermüdete. Die meisten Gärten konnten nicht leicht eine Ueberschrift am Eingange finden, die für ih- ren Charakter treffender gewesen wäre, als diese:
f)
Der
f) S. S. 56.
Herr Hirſchfeld ſchildert den Ge- ſchmack der aͤltern Zeiten und vorzuͤglich des ſiebenzehnten Jahrhunderts in den Anmerkun- gen uͤber die Landhaͤuſer und Gartenkunſt al- ſo: „Ein regelmaͤßiges Viereck, eine ganze gerade Ebene, oft durch muͤhſame Wegſchaf- fung der natuͤrlichen Erhoͤhungen erzwungen, ein breiter Hauptweg in der Mitte, zu den Sei- ten eine gerade Hecke oder Allee, zuweilen in poßierliche Figuren geſchoren, an allen vier Ecken ein rothangeſtrichenes Luſthaͤuschen, Fluren mit bunten Steinchen und Glas belegt, dann ein mit Buchsbaum oder mit Porcellain- ſtuͤcken gezogenes Wappen des hochadlichen Beſitzers, uͤberall eine ganze Voͤlkerſchaft von Puppen, vom blitzſchleudernden Zevs bis auf den bockfuͤßigen Satyr; dieß war ohn- gefaͤhr der niedliche Geſchmack in einer langen Reihe der neuern Zeiten, der die Natur gera- de da verdrang, wo ſie vorzuͤglich ihren rei- zenden Wohnſitz haben ſollte, und der durch die unertraͤglichſte Art von Gleichheit, Regel- maͤßigkeit und alberner Kuͤnſteley ermuͤdete. Die meiſten Gaͤrten konnten nicht leicht eine Ueberſchrift am Eingange finden, die fuͤr ih- ren Charakter treffender geweſen waͤre, als dieſe:
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Der
f) S. S. 56.
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Herr Hirſchfeld ſchildert den Ge-
ſchmack der aͤltern Zeiten und vorzuͤglich des
ſiebenzehnten Jahrhunderts in den Anmerkun-
gen uͤber die Landhaͤuſer und Gartenkunſt al-
ſo: „Ein regelmaͤßiges Viereck, eine ganze
gerade Ebene, oft durch muͤhſame Wegſchaf-
fung der natuͤrlichen Erhoͤhungen erzwungen,
ein breiter Hauptweg in der Mitte, zu den Sei-
ten eine gerade Hecke oder Allee, zuweilen in
poßierliche Figuren geſchoren, an allen vier
Ecken ein rothangeſtrichenes Luſthaͤuschen,
Fluren mit bunten Steinchen und Glas belegt,
dann ein mit Buchsbaum oder mit Porcellain-
ſtuͤcken gezogenes Wappen des hochadlichen
Beſitzers, uͤberall eine ganze Voͤlkerſchaft von
Puppen, vom blitzſchleudernden Zevs bis
auf den bockfuͤßigen Satyr; dieß war ohn-
gefaͤhr der niedliche Geſchmack in einer langen
Reihe der neuern Zeiten, der die Natur gera-
de da verdrang, wo ſie vorzuͤglich ihren rei-
zenden Wohnſitz haben ſollte, und der durch
die unertraͤglichſte Art von Gleichheit, Regel-
maͤßigkeit und alberner Kuͤnſteley ermuͤdete.
Die meiſten Gaͤrten konnten nicht leicht eine
Ueberſchrift am Eingange finden, die fuͤr ih-
ren Charakter treffender geweſen waͤre, als
dieſe:
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f) S. S. 56.
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 2,1. Leipzig, 1782, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie02_1782/69>, abgerufen am 27.11.2024.
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