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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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eine urkundliche Bestätigung dessen, was aus Homers Gedichten
mühsam zu erschliessen war. Hier begegnet uns noch lebendig
der Glaube an die Erhebung abgeschiedener Seelen zu höherem
Leben. Es sind -- und das ist genau zu beachten -- die
Seelen längst dahingeschiedener Geschlechter der Menschen,
von denen dies geglaubt wird; schon lange also wird der Glaube
an deren göttliches Weiterleben bestehen, und noch besteht
eine Verehrung dieser als mächtig Wirkenden gedachten. Denn
wenn von den Seelen des zweiten Geschlechts gesagt wird:
"Verehrung 1) folgt auch ihnen" (v. 142), so liegt ja hierin
ausgesprochen, dass den Dämonen des ersten, goldenen Ge-
schlechts erst recht Verehrung zu Theil werde.

Die Menschen des silbernen Geschlechts, wegen Unehr-
erbietigkeit gegen die Olympier von Zeus in der Erde "ge-
borgen", werden nun genannt "unterirdische sterbliche Selige,
die zweiten im Range, doch folgt auch ihnen Verehrung" (v. 141.
142). Der Dichter weiss also von Seelen Verstorbener einer eben-
falls längst entschwundenen Zeit, die im Inneren der Erde hausen,
verehrt und also ohne Zweifel ebenfalls als mächtig gedacht
werden. Die Art ihrer Einwirkung auf die Oberwelt hat der
Dichter nicht genauer bezeichnet. Zwar nennt er die Geister
dieses zweiten Geschlechts nicht ausdrücklich "trefflich", wie
die des ersten (v. 122), er leitet sie ja auch her aus dem weniger
vollkommenen silbernen Zeitalter und scheint ihnen einen ge-
ringeren Rang anzuweisen. Daraus folgt noch nicht, dass er,
viel späterer Speculation vorgreifend, sich die Geister des
zweiten Geschlechts als eine Classe böser und ihrer Natur
nach Schlimmes wirkender Dämonen gedacht habe 2). Nur zu

1) time kai toisin opedei 142. time im Sinne nicht einer einfachen
Werthschätzung, sondern als thätige Verehrung, wie bei Homer so oft,
z. B. in Wendungen wie: time kai kudos opedei, P 251, times aponemenos
o 30; timen de lelogkhasin isa theoisin l 304; ekhei timen l 495 u. s. w.
Ebenso ja v. 138: ouneka timas ouk edidoun makaressi theois.
2) Lichte und finstere, d. i. gute und böse Dämonen findet in den
hesiodischen Dämonen aus dem goldenen und silbernen Geschlechte unter-
schieden Roth, Myth. v. d. Weltaltern (1860) S. 16. 17. Eine solche

eine urkundliche Bestätigung dessen, was aus Homers Gedichten
mühsam zu erschliessen war. Hier begegnet uns noch lebendig
der Glaube an die Erhebung abgeschiedener Seelen zu höherem
Leben. Es sind — und das ist genau zu beachten — die
Seelen längst dahingeschiedener Geschlechter der Menschen,
von denen dies geglaubt wird; schon lange also wird der Glaube
an deren göttliches Weiterleben bestehen, und noch besteht
eine Verehrung dieser als mächtig Wirkenden gedachten. Denn
wenn von den Seelen des zweiten Geschlechts gesagt wird:
„Verehrung 1) folgt auch ihnen“ (v. 142), so liegt ja hierin
ausgesprochen, dass den Dämonen des ersten, goldenen Ge-
schlechts erst recht Verehrung zu Theil werde.

Die Menschen des silbernen Geschlechts, wegen Unehr-
erbietigkeit gegen die Olympier von Zeus in der Erde „ge-
borgen“, werden nun genannt „unterirdische sterbliche Selige,
die zweiten im Range, doch folgt auch ihnen Verehrung“ (v. 141.
142). Der Dichter weiss also von Seelen Verstorbener einer eben-
falls längst entschwundenen Zeit, die im Inneren der Erde hausen,
verehrt und also ohne Zweifel ebenfalls als mächtig gedacht
werden. Die Art ihrer Einwirkung auf die Oberwelt hat der
Dichter nicht genauer bezeichnet. Zwar nennt er die Geister
dieses zweiten Geschlechts nicht ausdrücklich „trefflich“, wie
die des ersten (v. 122), er leitet sie ja auch her aus dem weniger
vollkommenen silbernen Zeitalter und scheint ihnen einen ge-
ringeren Rang anzuweisen. Daraus folgt noch nicht, dass er,
viel späterer Speculation vorgreifend, sich die Geister des
zweiten Geschlechts als eine Classe böser und ihrer Natur
nach Schlimmes wirkender Dämonen gedacht habe 2). Nur zu

1) τιμὴ καὶ τοῖσιν ὀπηδεῖ 142. τιμή im Sinne nicht einer einfachen
Werthschätzung, sondern als thätige Verehrung, wie bei Homer so oft,
z. B. in Wendungen wie: τιμὴ καὶ κῦδος ὀπηδεῖ, P 251, τιμῆς ἀπονήμενος
ω 30; τιμὴν δὲ λελόγχασιν ἶσα ϑεοῖσιν λ 304; ἔχει τιμήν λ 495 u. s. w.
Ebenso ja v. 138: οὕνεκα τιμὰς οὐκ ἐδίδουν μακάρεσσι ϑεοῖς.
2) Lichte und finstere, d. i. gute und böse Dämonen findet in den
hesiodischen Dämonen aus dem goldenen und silbernen Geschlechte unter-
schieden Roth, Myth. v. d. Weltaltern (1860) S. 16. 17. Eine solche
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[93/0109] eine urkundliche Bestätigung dessen, was aus Homers Gedichten mühsam zu erschliessen war. Hier begegnet uns noch lebendig der Glaube an die Erhebung abgeschiedener Seelen zu höherem Leben. Es sind — und das ist genau zu beachten — die Seelen längst dahingeschiedener Geschlechter der Menschen, von denen dies geglaubt wird; schon lange also wird der Glaube an deren göttliches Weiterleben bestehen, und noch besteht eine Verehrung dieser als mächtig Wirkenden gedachten. Denn wenn von den Seelen des zweiten Geschlechts gesagt wird: „Verehrung 1) folgt auch ihnen“ (v. 142), so liegt ja hierin ausgesprochen, dass den Dämonen des ersten, goldenen Ge- schlechts erst recht Verehrung zu Theil werde. Die Menschen des silbernen Geschlechts, wegen Unehr- erbietigkeit gegen die Olympier von Zeus in der Erde „ge- borgen“, werden nun genannt „unterirdische sterbliche Selige, die zweiten im Range, doch folgt auch ihnen Verehrung“ (v. 141. 142). Der Dichter weiss also von Seelen Verstorbener einer eben- falls längst entschwundenen Zeit, die im Inneren der Erde hausen, verehrt und also ohne Zweifel ebenfalls als mächtig gedacht werden. Die Art ihrer Einwirkung auf die Oberwelt hat der Dichter nicht genauer bezeichnet. Zwar nennt er die Geister dieses zweiten Geschlechts nicht ausdrücklich „trefflich“, wie die des ersten (v. 122), er leitet sie ja auch her aus dem weniger vollkommenen silbernen Zeitalter und scheint ihnen einen ge- ringeren Rang anzuweisen. Daraus folgt noch nicht, dass er, viel späterer Speculation vorgreifend, sich die Geister des zweiten Geschlechts als eine Classe böser und ihrer Natur nach Schlimmes wirkender Dämonen gedacht habe 2). Nur zu 1) τιμὴ καὶ τοῖσιν ὀπηδεῖ 142. τιμή im Sinne nicht einer einfachen Werthschätzung, sondern als thätige Verehrung, wie bei Homer so oft, z. B. in Wendungen wie: τιμὴ καὶ κῦδος ὀπηδεῖ, P 251, τιμῆς ἀπονήμενος ω 30; τιμὴν δὲ λελόγχασιν ἶσα ϑεοῖσιν λ 304; ἔχει τιμήν λ 495 u. s. w. Ebenso ja v. 138: οὕνεκα τιμὰς οὐκ ἐδίδουν μακάρεσσι ϑεοῖς. 2) Lichte und finstere, d. i. gute und böse Dämonen findet in den hesiodischen Dämonen aus dem goldenen und silbernen Geschlechte unter- schieden Roth, Myth. v. d. Weltaltern (1860) S. 16. 17. Eine solche

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/109>, abgerufen am 21.11.2024.