Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Stellen, ein Tiefstes und Bestes gab, das unserer Erkenntniss
sich entzieht. Aber das aufklärende Wort, niemals aufgezeich-
net, ist uns verloren. Besser als in modernen Schlagworten ein
Surrogat zu suchen, ist die schichte Hinstellung der uns be-
kannten äusseren Erscheinungen griechischer Frömmigkeit in der
scheinbaren Kälte ihrer Thatsächlichkeit. Es wird hierbei an
Anregung zu eigenen Gedanken und Vermuthungen, die nicht
immer sich hervorzudrängen brauchen, nicht fehlen. Die That-
sachen des griechischen Seelencultes und des, auch nur theilweise
seinen innersten Impulsen nach unserem nachempfindenden Ver-
ständniss zugänglichen Unsterblichkeitsglaubens deutlich heraus-
zustellen, nach Ursprung und Entwicklung, Wandlung und Ver-
schwisterung mit verwandten Gedankenrichtungen zu bestimmter
Anschauung zu bringen, war die eigentliche Aufgabe. Die ein-
zelnen Fäden sehr verschiedener Gedankenläufe aus der wirren
Verhedderung, in der sie in mancher Vorstellung (und Darstel-
lung) sich ineinander verwickeln, herauszulösen und reinlich
nebeneinander laufen zu lassen, schien besonders erforderlich.
Warum diesen Aufgaben nicht überall mit gleichen Mitteln, bald
in knapperer Zusammenfassung des Wesentlichen, bald in aus-
führlicher Darlegung und weiter ausgedehnter, bisweilen scheinbar
selbst fernhin abschweifender Verfolgung aller Zusammenhänge
nachgegangen worden ist, wird Kennern des Gegenstandes leicht
verständlich sein. Wo einmal tiefer in die überfliessende Fülle
der Einzelthatsachen eingegangen worden war, bot sich in den
"Nachträgen" (S. 692 ff.) Gelegenheit, die (freilich immer nur
relative) Vollständigkeit der Darstellung zu ergänzen. Hierzu
gab die lange Frist, die zwischen der Veröffentlichung der zwei
Abtheilungen dieses Buches lag, die Möglichkeit. Die erste
Hälfte (bis S. 294) ist schon im Frühjahr 1890 ausgegeben
worden, die Vollendung des Uebrigen hat sich, unter ungünstigen
Umständen, bis heute hinausgezogen. Die beiden Theile liessen
sich, so wie geschehen, gesondert halten: ihre Themen gehen in
der Hauptsache nach den zwei, im Titel des Buches bezeich-
neten Seiten des "Seelencultes" und des "Unsterblichkeits-

Stellen, ein Tiefstes und Bestes gab, das unserer Erkenntniss
sich entzieht. Aber das aufklärende Wort, niemals aufgezeich-
net, ist uns verloren. Besser als in modernen Schlagworten ein
Surrogat zu suchen, ist die schichte Hinstellung der uns be-
kannten äusseren Erscheinungen griechischer Frömmigkeit in der
scheinbaren Kälte ihrer Thatsächlichkeit. Es wird hierbei an
Anregung zu eigenen Gedanken und Vermuthungen, die nicht
immer sich hervorzudrängen brauchen, nicht fehlen. Die That-
sachen des griechischen Seelencultes und des, auch nur theilweise
seinen innersten Impulsen nach unserem nachempfindenden Ver-
ständniss zugänglichen Unsterblichkeitsglaubens deutlich heraus-
zustellen, nach Ursprung und Entwicklung, Wandlung und Ver-
schwisterung mit verwandten Gedankenrichtungen zu bestimmter
Anschauung zu bringen, war die eigentliche Aufgabe. Die ein-
zelnen Fäden sehr verschiedener Gedankenläufe aus der wirren
Verhedderung, in der sie in mancher Vorstellung (und Darstel-
lung) sich ineinander verwickeln, herauszulösen und reinlich
nebeneinander laufen zu lassen, schien besonders erforderlich.
Warum diesen Aufgaben nicht überall mit gleichen Mitteln, bald
in knapperer Zusammenfassung des Wesentlichen, bald in aus-
führlicher Darlegung und weiter ausgedehnter, bisweilen scheinbar
selbst fernhin abschweifender Verfolgung aller Zusammenhänge
nachgegangen worden ist, wird Kennern des Gegenstandes leicht
verständlich sein. Wo einmal tiefer in die überfliessende Fülle
der Einzelthatsachen eingegangen worden war, bot sich in den
„Nachträgen“ (S. 692 ff.) Gelegenheit, die (freilich immer nur
relative) Vollständigkeit der Darstellung zu ergänzen. Hierzu
gab die lange Frist, die zwischen der Veröffentlichung der zwei
Abtheilungen dieses Buches lag, die Möglichkeit. Die erste
Hälfte (bis S. 294) ist schon im Frühjahr 1890 ausgegeben
worden, die Vollendung des Uebrigen hat sich, unter ungünstigen
Umständen, bis heute hinausgezogen. Die beiden Theile liessen
sich, so wie geschehen, gesondert halten: ihre Themen gehen in
der Hauptsache nach den zwei, im Titel des Buches bezeich-
neten Seiten des „Seelencultes“ und des „Unsterblichkeits-

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="V"/>
Stellen, ein Tiefstes und Bestes gab, das unserer Erkenntniss<lb/>
sich entzieht. Aber das aufklärende Wort, niemals aufgezeich-<lb/>
net, ist uns verloren. Besser als in modernen Schlagworten ein<lb/>
Surrogat zu suchen, ist die schichte Hinstellung der uns be-<lb/>
kannten äusseren Erscheinungen griechischer Frömmigkeit in der<lb/>
scheinbaren Kälte ihrer Thatsächlichkeit. Es wird hierbei an<lb/>
Anregung zu eigenen Gedanken und Vermuthungen, die nicht<lb/>
immer sich hervorzudrängen brauchen, nicht fehlen. Die That-<lb/>
sachen des griechischen Seelencultes und des, auch nur theilweise<lb/>
seinen innersten Impulsen nach unserem nachempfindenden Ver-<lb/>
ständniss zugänglichen Unsterblichkeitsglaubens deutlich heraus-<lb/>
zustellen, nach Ursprung und Entwicklung, Wandlung und Ver-<lb/>
schwisterung mit verwandten Gedankenrichtungen zu bestimmter<lb/>
Anschauung zu bringen, war die eigentliche Aufgabe. Die ein-<lb/>
zelnen Fäden sehr verschiedener Gedankenläufe aus der wirren<lb/>
Verhedderung, in der sie in mancher Vorstellung (und Darstel-<lb/>
lung) sich ineinander verwickeln, herauszulösen und reinlich<lb/>
nebeneinander laufen zu lassen, schien besonders erforderlich.<lb/>
Warum diesen Aufgaben nicht überall mit gleichen Mitteln, bald<lb/>
in knapperer Zusammenfassung des Wesentlichen, bald in aus-<lb/>
führlicher Darlegung und weiter ausgedehnter, bisweilen scheinbar<lb/>
selbst fernhin abschweifender Verfolgung aller Zusammenhänge<lb/>
nachgegangen worden ist, wird Kennern des Gegenstandes leicht<lb/>
verständlich sein. Wo einmal tiefer in die überfliessende Fülle<lb/>
der Einzelthatsachen eingegangen worden war, bot sich in den<lb/>
&#x201E;Nachträgen&#x201C; (S. 692 ff.) Gelegenheit, die (freilich immer nur<lb/>
relative) Vollständigkeit der Darstellung zu ergänzen. Hierzu<lb/>
gab die lange Frist, die zwischen der Veröffentlichung der zwei<lb/>
Abtheilungen dieses Buches lag, die Möglichkeit. Die erste<lb/>
Hälfte (bis S. 294) ist schon im Frühjahr 1890 ausgegeben<lb/>
worden, die Vollendung des Uebrigen hat sich, unter ungünstigen<lb/>
Umständen, bis heute hinausgezogen. Die beiden Theile liessen<lb/>
sich, so wie geschehen, gesondert halten: ihre Themen gehen in<lb/>
der Hauptsache nach den zwei, im Titel des Buches bezeich-<lb/>
neten Seiten des &#x201E;Seelencultes&#x201C; und des &#x201E;Unsterblichkeits-<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[V/0013] Stellen, ein Tiefstes und Bestes gab, das unserer Erkenntniss sich entzieht. Aber das aufklärende Wort, niemals aufgezeich- net, ist uns verloren. Besser als in modernen Schlagworten ein Surrogat zu suchen, ist die schichte Hinstellung der uns be- kannten äusseren Erscheinungen griechischer Frömmigkeit in der scheinbaren Kälte ihrer Thatsächlichkeit. Es wird hierbei an Anregung zu eigenen Gedanken und Vermuthungen, die nicht immer sich hervorzudrängen brauchen, nicht fehlen. Die That- sachen des griechischen Seelencultes und des, auch nur theilweise seinen innersten Impulsen nach unserem nachempfindenden Ver- ständniss zugänglichen Unsterblichkeitsglaubens deutlich heraus- zustellen, nach Ursprung und Entwicklung, Wandlung und Ver- schwisterung mit verwandten Gedankenrichtungen zu bestimmter Anschauung zu bringen, war die eigentliche Aufgabe. Die ein- zelnen Fäden sehr verschiedener Gedankenläufe aus der wirren Verhedderung, in der sie in mancher Vorstellung (und Darstel- lung) sich ineinander verwickeln, herauszulösen und reinlich nebeneinander laufen zu lassen, schien besonders erforderlich. Warum diesen Aufgaben nicht überall mit gleichen Mitteln, bald in knapperer Zusammenfassung des Wesentlichen, bald in aus- führlicher Darlegung und weiter ausgedehnter, bisweilen scheinbar selbst fernhin abschweifender Verfolgung aller Zusammenhänge nachgegangen worden ist, wird Kennern des Gegenstandes leicht verständlich sein. Wo einmal tiefer in die überfliessende Fülle der Einzelthatsachen eingegangen worden war, bot sich in den „Nachträgen“ (S. 692 ff.) Gelegenheit, die (freilich immer nur relative) Vollständigkeit der Darstellung zu ergänzen. Hierzu gab die lange Frist, die zwischen der Veröffentlichung der zwei Abtheilungen dieses Buches lag, die Möglichkeit. Die erste Hälfte (bis S. 294) ist schon im Frühjahr 1890 ausgegeben worden, die Vollendung des Uebrigen hat sich, unter ungünstigen Umständen, bis heute hinausgezogen. Die beiden Theile liessen sich, so wie geschehen, gesondert halten: ihre Themen gehen in der Hauptsache nach den zwei, im Titel des Buches bezeich- neten Seiten des „Seelencultes“ und des „Unsterblichkeits-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/13
Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/13>, abgerufen am 21.11.2024.