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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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nirgends sonst seine Erscheinung erwartet werden. Und ur-
sprünglich sind es ausschliesslich Bewohner der Erdtiefe, welche
Solchen, die sich über der Stelle ihres unterirdischen Wohn-
platzes zum Tempelschlafe niederlegen, im Traume sichtbar
werden können. Homer weiss nichts von Göttern oder Dä-
monen, die unter bestimmten Stellen der bewohnten Erde
dauernd hausen, nahe den Menschen; eben darum verräth er
auch keine Kenntniss von Incubationsorakeln 1). Es giebt Gründe
für die Meinung, dass diese Art, mit der Geisterwelt, der die
prophetische Kraft innewohnt, sich in Verbindung zu setzen,
zu den ältesten Weisen griechischer Orakelkunst gehört, jeden-
falls nicht jünger ist als die apollinische Inspirationsmantik.
Und gerade die Sage von Amphiaraos, wie wir sie schon in
der cyklischen Thebais erzählt glauben dürfen, beweist, dass
bereits zur Zeit des noch blühenden Epos homerischen Styls

Plutarch. def. or. 5 p. 412 A. In den zu Epidauros aufgefundenen Hei-
lungsmirakelberichten kommt stets zu dem im aduton Schlafenden der
Gott selbst (auch wohl als Schlange, Ephem. arkhaiol. 1883. Z. 113--119),
bisweilen von seinen uperetai (den Asklepiaden) begleitet (z. B. Ephem.
arkh. 1885 p. 17 ff. Z. 38 ff. 111 f.). In dem alten, schon von Hippys
von Rhegion (woran zu zweifeln gar kein Grund ist) aufgezeichneten
Mirakel der Aristagora aus Troezen (Ephem. 1885 p. 15 f. Z. 10 ff.)
erscheinen der Kranken in Troezen zuerst nur "die Söhne des Gottes"
ouk epidamountos autou all en Epidauro eontos. Erst in der nächsten
Nacht erscheint ihr Asklepios selbst ikon ex Epidaurou. Ueberall ist
Grundvoraussetzung, dass Traumheilung nur stattfinde durch persönliches
Eingreifen des Gottes (vgl. Aristoph. Plut.), später wenigstens durch Heil-
weisungen des persönlich erscheinenden Gottes (s. Zacher, Hermes 21,
472 f.) und diese Voraussetzung erklärt sich daraus, dass ursprünglich
Incubation nur an dem Orte stattfand, an dem ein Gott (oder Heros)
seinen dauernden Aufenthalt hatte.
1) Die upophetai des dodonäischen Zeus, die Selloi, aniptopodes khamai-
eunai Il. 16, 234 f. dachten schon im Alterthum Einige sich als Priester
eines Incubationsorakels (Eustath. Il. p. 1057, 64 ff.), mit ihnen Welcker,
Kl. Schr. 3, 90 f. Diese Auslegung ist ausschliesslich begründet auf das
Beiwort khamaieunai, aber dieses ist von dem aniptopodes nicht zu trennen,
und da aniptopodes keinen Bezug auf Incubation haben kann, so hat solchen
auch khamaieunai nicht; beide Epitheta bezeichnen offenbar eine eigenthüm-
liche Rauheit und Schmucklosigkeit der Lebensweise der Selloi, deren
(ritualen) Grund wir freilich nicht kennen und nicht errathen können.

nirgends sonst seine Erscheinung erwartet werden. Und ur-
sprünglich sind es ausschliesslich Bewohner der Erdtiefe, welche
Solchen, die sich über der Stelle ihres unterirdischen Wohn-
platzes zum Tempelschlafe niederlegen, im Traume sichtbar
werden können. Homer weiss nichts von Göttern oder Dä-
monen, die unter bestimmten Stellen der bewohnten Erde
dauernd hausen, nahe den Menschen; eben darum verräth er
auch keine Kenntniss von Incubationsorakeln 1). Es giebt Gründe
für die Meinung, dass diese Art, mit der Geisterwelt, der die
prophetische Kraft innewohnt, sich in Verbindung zu setzen,
zu den ältesten Weisen griechischer Orakelkunst gehört, jeden-
falls nicht jünger ist als die apollinische Inspirationsmantik.
Und gerade die Sage von Amphiaraos, wie wir sie schon in
der cyklischen Thebaïs erzählt glauben dürfen, beweist, dass
bereits zur Zeit des noch blühenden Epos homerischen Styls

Plutarch. def. or. 5 p. 412 A. In den zu Epidauros aufgefundenen Hei-
lungsmirakelberichten kommt stets zu dem im ἄδυτον Schlafenden der
Gott selbst (auch wohl als Schlange, Ἐφημ. ἀρχαιολ. 1883. Z. 113—119),
bisweilen von seinen ὑπηρέται (den Asklepiaden) begleitet (z. B. Ἐφημ.
ἀρχ. 1885 p. 17 ff. Z. 38 ff. 111 f.). In dem alten, schon von Hippys
von Rhegion (woran zu zweifeln gar kein Grund ist) aufgezeichneten
Mirakel der Aristagora aus Troezen (Ἐφημ. 1885 p. 15 f. Z. 10 ff.)
erscheinen der Kranken in Troezen zuerst nur „die Söhne des Gottes“
οὐκ ἐπιδαμοῦντος αὐτοῦ ἀλλ̕ ἐν Ἐπιδαύρῳ ἐόντος. Erst in der nächsten
Nacht erscheint ihr Asklepios selbst ἱκὼν ἐξ Ἐπιδαύρου. Ueberall ist
Grundvoraussetzung, dass Traumheilung nur stattfinde durch persönliches
Eingreifen des Gottes (vgl. Aristoph. Plut.), später wenigstens durch Heil-
weisungen des persönlich erscheinenden Gottes (s. Zacher, Hermes 21,
472 f.) und diese Voraussetzung erklärt sich daraus, dass ursprünglich
Incubation nur an dem Orte stattfand, an dem ein Gott (oder Heros)
seinen dauernden Aufenthalt hatte.
1) Die ὑποφῆται des dodonäischen Zeus, die Σελλοί, ἀνιπτόποδες χαμαι-
εῦναι Il. 16, 234 f. dachten schon im Alterthum Einige sich als Priester
eines Incubationsorakels (Eustath. Il. p. 1057, 64 ff.), mit ihnen Welcker,
Kl. Schr. 3, 90 f. Diese Auslegung ist ausschliesslich begründet auf das
Beiwort χαμαιεῦναι, aber dieses ist von dem ἀνιπτόποδες nicht zu trennen,
und da ἀνιπτόποδες keinen Bezug auf Incubation haben kann, so hat solchen
auch χαμαιεῦναι nicht; beide Epitheta bezeichnen offenbar eine eigenthüm-
liche Rauheit und Schmucklosigkeit der Lebensweise der Σελλοί, deren
(ritualen) Grund wir freilich nicht kennen und nicht errathen können.
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[114/0130] nirgends sonst seine Erscheinung erwartet werden. Und ur- sprünglich sind es ausschliesslich Bewohner der Erdtiefe, welche Solchen, die sich über der Stelle ihres unterirdischen Wohn- platzes zum Tempelschlafe niederlegen, im Traume sichtbar werden können. Homer weiss nichts von Göttern oder Dä- monen, die unter bestimmten Stellen der bewohnten Erde dauernd hausen, nahe den Menschen; eben darum verräth er auch keine Kenntniss von Incubationsorakeln 1). Es giebt Gründe für die Meinung, dass diese Art, mit der Geisterwelt, der die prophetische Kraft innewohnt, sich in Verbindung zu setzen, zu den ältesten Weisen griechischer Orakelkunst gehört, jeden- falls nicht jünger ist als die apollinische Inspirationsmantik. Und gerade die Sage von Amphiaraos, wie wir sie schon in der cyklischen Thebaïs erzählt glauben dürfen, beweist, dass bereits zur Zeit des noch blühenden Epos homerischen Styls 1) 1) Die ὑποφῆται des dodonäischen Zeus, die Σελλοί, ἀνιπτόποδες χαμαι- εῦναι Il. 16, 234 f. dachten schon im Alterthum Einige sich als Priester eines Incubationsorakels (Eustath. Il. p. 1057, 64 ff.), mit ihnen Welcker, Kl. Schr. 3, 90 f. Diese Auslegung ist ausschliesslich begründet auf das Beiwort χαμαιεῦναι, aber dieses ist von dem ἀνιπτόποδες nicht zu trennen, und da ἀνιπτόποδες keinen Bezug auf Incubation haben kann, so hat solchen auch χαμαιεῦναι nicht; beide Epitheta bezeichnen offenbar eine eigenthüm- liche Rauheit und Schmucklosigkeit der Lebensweise der Σελλοί, deren (ritualen) Grund wir freilich nicht kennen und nicht errathen können. 1) Plutarch. def. or. 5 p. 412 A. In den zu Epidauros aufgefundenen Hei- lungsmirakelberichten kommt stets zu dem im ἄδυτον Schlafenden der Gott selbst (auch wohl als Schlange, Ἐφημ. ἀρχαιολ. 1883. Z. 113—119), bisweilen von seinen ὑπηρέται (den Asklepiaden) begleitet (z. B. Ἐφημ. ἀρχ. 1885 p. 17 ff. Z. 38 ff. 111 f.). In dem alten, schon von Hippys von Rhegion (woran zu zweifeln gar kein Grund ist) aufgezeichneten Mirakel der Aristagora aus Troezen (Ἐφημ. 1885 p. 15 f. Z. 10 ff.) erscheinen der Kranken in Troezen zuerst nur „die Söhne des Gottes“ οὐκ ἐπιδαμοῦντος αὐτοῦ ἀλλ̕ ἐν Ἐπιδαύρῳ ἐόντος. Erst in der nächsten Nacht erscheint ihr Asklepios selbst ἱκὼν ἐξ Ἐπιδαύρου. Ueberall ist Grundvoraussetzung, dass Traumheilung nur stattfinde durch persönliches Eingreifen des Gottes (vgl. Aristoph. Plut.), später wenigstens durch Heil- weisungen des persönlich erscheinenden Gottes (s. Zacher, Hermes 21, 472 f.) und diese Voraussetzung erklärt sich daraus, dass ursprünglich Incubation nur an dem Orte stattfand, an dem ein Gott (oder Heros) seinen dauernden Aufenthalt hatte.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/130>, abgerufen am 21.11.2024.