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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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4.

So mag unter der Gestalt noch manches Heros, dessen
Grab man in dem Tempel eines Gottes zeigte, ein alter Local-
gott sich verbergen, dessen Wohnung im Inneren der Erde zum
"Grabe" umgedeutet wurde, seit er selbst aus einem göttlichen
Wesen höheren Ranges zum sterblichen Helden herabgesetzt
war 1). Von besonderen Umständen hing es ab, ob die Ent-
götterung eine vollständige wurde, ob etwa eine (im Localcult
erhaltene) Erinnerung an die alte Gottnatur eine nachträgliche
Wiedererhebung in's Götterreich 2), wohl gar zu den, dem alten
Erddämon ursprünglich fremden olympischen Göttern bewirkt
hat. In der auffälligsten Weise spielen die nach örtlichen und
zeitlichen Verhältnissen wechselnden Auffassungen durcheinander
in den Vorstellungen von Asklepios. Dem Homer und den
Dichtern überhaupt gilt er als sterblicher Held, der die Heil-
kunst von Chiron erlernt habe. Im Cultus wird er zumeist
den oberen Göttern gleichgestellt. In Wahrheit ist ursprüng-
lich auch er ein in der Erde hausender thessalischer Ortsdämon
gewesen, der aus der Tiefe, wie viele solche Erdgeister, Heilung
von Krankheiten, Kenntniss der Zukunft 3) (beides in alter Zeit
eng verbunden) heraufsandte. Auch er hat den Uebergang zum
Heros leicht gemacht. Den Heros Asklepios trifft des Zeus
Blitzstrahl, der hier wie in manchen anderen Sagen nicht das
Leben völlig vernichtet, sondern den Getroffenen zu erhöhetem
Dasein aus der sichtbaren Welt entrückt 4). Wir verstehen

1) Vgl. Anhang 15.
2) Wie sie auch dem Hyakinthos, nach den Darstellungen des amy-
kläischen Altars (Paus. 3, 19) zu Theil wurde. Für seine ursprüngliche
Natur folgt hieraus nichts.
3) Die mantische Thätigkeit des Askl. tritt in den gewöhnlichen Be-
richten hinter seiner Heilkraft stark zurück; von Anbeginn waren beide
Wirkungen (wie bei den Erdgeistern oft) eng verbunden. Ganz aus-
drücklich Apollodor peri theon bei Macrob. Sat. 1, 20, 4 scribit, quod
Aesculapius divinationibus et auguriis praesit.
Celsus nannte den Askle-
pios euergetounta kai ta mellonta prolegonta olais polesin anakeimenais
eauto (Origen. c. Cels. 3, 3, p. 255/6. Lomm.).
4) Man denke an Semele, welche zoei en Olumpiois apothanousa
4.

So mag unter der Gestalt noch manches Heros, dessen
Grab man in dem Tempel eines Gottes zeigte, ein alter Local-
gott sich verbergen, dessen Wohnung im Inneren der Erde zum
„Grabe“ umgedeutet wurde, seit er selbst aus einem göttlichen
Wesen höheren Ranges zum sterblichen Helden herabgesetzt
war 1). Von besonderen Umständen hing es ab, ob die Ent-
götterung eine vollständige wurde, ob etwa eine (im Localcult
erhaltene) Erinnerung an die alte Gottnatur eine nachträgliche
Wiedererhebung in’s Götterreich 2), wohl gar zu den, dem alten
Erddämon ursprünglich fremden olympischen Göttern bewirkt
hat. In der auffälligsten Weise spielen die nach örtlichen und
zeitlichen Verhältnissen wechselnden Auffassungen durcheinander
in den Vorstellungen von Asklepios. Dem Homer und den
Dichtern überhaupt gilt er als sterblicher Held, der die Heil-
kunst von Chiron erlernt habe. Im Cultus wird er zumeist
den oberen Göttern gleichgestellt. In Wahrheit ist ursprüng-
lich auch er ein in der Erde hausender thessalischer Ortsdämon
gewesen, der aus der Tiefe, wie viele solche Erdgeister, Heilung
von Krankheiten, Kenntniss der Zukunft 3) (beides in alter Zeit
eng verbunden) heraufsandte. Auch er hat den Uebergang zum
Heros leicht gemacht. Den Heros Asklepios trifft des Zeus
Blitzstrahl, der hier wie in manchen anderen Sagen nicht das
Leben völlig vernichtet, sondern den Getroffenen zu erhöhetem
Dasein aus der sichtbaren Welt entrückt 4). Wir verstehen

1) Vgl. Anhang 15.
2) Wie sie auch dem Hyakinthos, nach den Darstellungen des amy-
kläischen Altars (Paus. 3, 19) zu Theil wurde. Für seine ursprüngliche
Natur folgt hieraus nichts.
3) Die mantische Thätigkeit des Askl. tritt in den gewöhnlichen Be-
richten hinter seiner Heilkraft stark zurück; von Anbeginn waren beide
Wirkungen (wie bei den Erdgeistern oft) eng verbunden. Ganz aus-
drücklich Apollodor περὶ ϑεῶν bei Macrob. Sat. 1, 20, 4 scribit, quod
Aesculapius divinationibus et auguriis praesit.
Celsus nannte den Askle-
pios εὐεργετοῦντα καὶ τὰ μέλλοντα προλέγοντα ὅλαις πόλεσιν ἀνακειμέναις
ἑαυτῷ (Origen. c. Cels. 3, 3, p. 255/6. Lomm.).
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[132/0148] 4. So mag unter der Gestalt noch manches Heros, dessen Grab man in dem Tempel eines Gottes zeigte, ein alter Local- gott sich verbergen, dessen Wohnung im Inneren der Erde zum „Grabe“ umgedeutet wurde, seit er selbst aus einem göttlichen Wesen höheren Ranges zum sterblichen Helden herabgesetzt war 1). Von besonderen Umständen hing es ab, ob die Ent- götterung eine vollständige wurde, ob etwa eine (im Localcult erhaltene) Erinnerung an die alte Gottnatur eine nachträgliche Wiedererhebung in’s Götterreich 2), wohl gar zu den, dem alten Erddämon ursprünglich fremden olympischen Göttern bewirkt hat. In der auffälligsten Weise spielen die nach örtlichen und zeitlichen Verhältnissen wechselnden Auffassungen durcheinander in den Vorstellungen von Asklepios. Dem Homer und den Dichtern überhaupt gilt er als sterblicher Held, der die Heil- kunst von Chiron erlernt habe. Im Cultus wird er zumeist den oberen Göttern gleichgestellt. In Wahrheit ist ursprüng- lich auch er ein in der Erde hausender thessalischer Ortsdämon gewesen, der aus der Tiefe, wie viele solche Erdgeister, Heilung von Krankheiten, Kenntniss der Zukunft 3) (beides in alter Zeit eng verbunden) heraufsandte. Auch er hat den Uebergang zum Heros leicht gemacht. Den Heros Asklepios trifft des Zeus Blitzstrahl, der hier wie in manchen anderen Sagen nicht das Leben völlig vernichtet, sondern den Getroffenen zu erhöhetem Dasein aus der sichtbaren Welt entrückt 4). Wir verstehen 1) Vgl. Anhang 15. 2) Wie sie auch dem Hyakinthos, nach den Darstellungen des amy- kläischen Altars (Paus. 3, 19) zu Theil wurde. Für seine ursprüngliche Natur folgt hieraus nichts. 3) Die mantische Thätigkeit des Askl. tritt in den gewöhnlichen Be- richten hinter seiner Heilkraft stark zurück; von Anbeginn waren beide Wirkungen (wie bei den Erdgeistern oft) eng verbunden. Ganz aus- drücklich Apollodor περὶ ϑεῶν bei Macrob. Sat. 1, 20, 4 scribit, quod Aesculapius divinationibus et auguriis praesit. Celsus nannte den Askle- pios εὐεργετοῦντα καὶ τὰ μέλλοντα προλέγοντα ὅλαις πόλεσιν ἀνακειμέναις ἑαυτῷ (Origen. c. Cels. 3, 3, p. 255/6. Lomm.). 4) Man denke an Semele, welche ζώει ἐν Ὀλυμπίοις ἀποϑανοῦσα

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/148>, abgerufen am 21.11.2024.