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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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sinischen Tempel von Athenern und Bundesgenossen zu fordern,
von allen griechischen Staaten zu erbitten, konnte man sich
bereits berufen auf alte Vätersitte und einen Spruch des delphi-
schen Gottes, der diese bestätigte 1). Von der inneren Ge-
schichte der Entwicklung des eleusinischen Festes ist wenig
bekannt. Die heilige Handlung behielt ihren Schauplatz in
Eleusis; eleusinische Adelsgeschlechter blieben betheiligt 2) an
dem, übrigens vom athenischen Staate geordneten Gottesdienst;
dennoch muss vieles geneuert worden sein. Jener oben er-
wähnte Volksbeschluss lehrt uns, als damals in Eleusis verehrt,

1) kata ta patria kai ten manteian ten ek Delphon: Z. 5; 26 f.; 35
(Dittenberger, Syll. inscr. gr. 13). -- In Sicilien schon zur Zeit des
Epicharm die Eleusinien allbekannt: Epich. en Odussei automolo bei
Athen. 9, 374 D. Etym. M. 255, 2. Vgl. K. O. Müller, Kl. Schr. 2, 259.
2) Bestimmt behaupten können wir dies eigentlich nur von den Eu-
molpiden, die den Hierophanten und die Hierophantin stellten: bei allem
Schwanken des, von genealogischer Combination und Fiction arg mitge-
nommenen Stammbaumes dieses Geschlechts kann doch an seinem eleu-
sinischen
Ursprung kein Zweifel sein. Dagegen ist auffallend, dass von
den im hymn. Cer. 475. 6 neben Eumolpos als Theilnehmer an der von
der Göttin selbst gespendeten Belehrung genannten eleusinischen Fürsten:
Triptolemos, Diokles, Keleos sich keine gene ableiteten, deren Betheiligung
an der Verwaltung der eleus. Mysterien gewiss wäre. Von Triptolemos
leiteten sich zwar die Krokoniden und die Koironiden her, aber deren
Betheiligung an dem Weihefest ist dunkel und zweifelhaft (s. K. O. Müller,
Kl. Schr. 2, 255 f.). Die Keryken (in deren Geschlecht die Würden des
Daduchen, des Mysterienherolds, des Priesters epi bomo u. a. erblich
waren) bringt nur eine von dem Geschlecht selbst abgewiesene apokryphe
Genealogie mit Eumolpos in Verbindung (Paus. 1, 38, 3), sie selbst leiten
ihren Ursprung von Hermes und Herse, der Tochter des Kekrops ab
(s. Dittenberger, Hermes 20, 2), wollen also offenbar ein athenisches
Geschlecht sein. Wir wissen von der Entwicklung dieser Verhältnisse viel
zu wenig, um die Richtigkeit dieser Behauptung leugnen zu dürfen (wozu
Müller a. O. 250 f. geneigt ist). Nichts hindert zu glauben, dass bei und
nach der Vereinigung von Eleusis und seinen Götterdiensten mit Athen,
wie ersichtlich sonst Vieles, auch dies geneuert wurde, dass zu den alt-
eleusinischen Priestergeschlechtern das athenische Geschlecht der Keryken
trat und an der dresmosune ieron regelmässig betheiligt wurde. Dies
wäre dann ein Theil des Compromisses (sunthekai, Paus. 2, 14, 2)
zwischen Eleusis und Athen, auf dem ja das ganze Verhältniss beider
Staaten und ihrer Culte zu einander beruhte.

sinischen Tempel von Athenern und Bundesgenossen zu fordern,
von allen griechischen Staaten zu erbitten, konnte man sich
bereits berufen auf alte Vätersitte und einen Spruch des delphi-
schen Gottes, der diese bestätigte 1). Von der inneren Ge-
schichte der Entwicklung des eleusinischen Festes ist wenig
bekannt. Die heilige Handlung behielt ihren Schauplatz in
Eleusis; eleusinische Adelsgeschlechter blieben betheiligt 2) an
dem, übrigens vom athenischen Staate geordneten Gottesdienst;
dennoch muss vieles geneuert worden sein. Jener oben er-
wähnte Volksbeschluss lehrt uns, als damals in Eleusis verehrt,

1) κατὰ τὰ πάτρια καὶ τὴν μαντείαν τὴν ἐκ Δελφῶν: Z. 5; 26 f.; 35
(Dittenberger, Syll. inscr. gr. 13). — In Sicilien schon zur Zeit des
Epicharm die Eleusinien allbekannt: Epich. ἐν Ὀδυσσεῖ αὐτομόλῳ bei
Athen. 9, 374 D. Etym. M. 255, 2. Vgl. K. O. Müller, Kl. Schr. 2, 259.
2) Bestimmt behaupten können wir dies eigentlich nur von den Eu-
molpiden, die den Hierophanten und die Hierophantin stellten: bei allem
Schwanken des, von genealogischer Combination und Fiction arg mitge-
nommenen Stammbaumes dieses Geschlechts kann doch an seinem eleu-
sinischen
Ursprung kein Zweifel sein. Dagegen ist auffallend, dass von
den im hymn. Cer. 475. 6 neben Eumolpos als Theilnehmer an der von
der Göttin selbst gespendeten Belehrung genannten eleusinischen Fürsten:
Triptolemos, Diokles, Keleos sich keine γένη ableiteten, deren Betheiligung
an der Verwaltung der eleus. Mysterien gewiss wäre. Von Triptolemos
leiteten sich zwar die Krokoniden und die Koironiden her, aber deren
Betheiligung an dem Weihefest ist dunkel und zweifelhaft (s. K. O. Müller,
Kl. Schr. 2, 255 f.). Die Keryken (in deren Geschlecht die Würden des
Daduchen, des Mysterienherolds, des Priesters ἐπὶ βωμῷ u. a. erblich
waren) bringt nur eine von dem Geschlecht selbst abgewiesene apokryphe
Genealogie mit Eumolpos in Verbindung (Paus. 1, 38, 3), sie selbst leiten
ihren Ursprung von Hermes und Herse, der Tochter des Kekrops ab
(s. Dittenberger, Hermes 20, 2), wollen also offenbar ein athenisches
Geschlecht sein. Wir wissen von der Entwicklung dieser Verhältnisse viel
zu wenig, um die Richtigkeit dieser Behauptung leugnen zu dürfen (wozu
Müller a. O. 250 f. geneigt ist). Nichts hindert zu glauben, dass bei und
nach der Vereinigung von Eleusis und seinen Götterdiensten mit Athen,
wie ersichtlich sonst Vieles, auch dies geneuert wurde, dass zu den alt-
eleusinischen Priestergeschlechtern das athenische Geschlecht der Keryken
trat und an der δρησμοσύνη ἱερῶν regelmässig betheiligt wurde. Dies
wäre dann ein Theil des Compromisses (συνϑῆκαι, Paus. 2, 14, 2)
zwischen Eleusis und Athen, auf dem ja das ganze Verhältniss beider
Staaten und ihrer Culte zu einander beruhte.
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[260/0276] sinischen Tempel von Athenern und Bundesgenossen zu fordern, von allen griechischen Staaten zu erbitten, konnte man sich bereits berufen auf alte Vätersitte und einen Spruch des delphi- schen Gottes, der diese bestätigte 1). Von der inneren Ge- schichte der Entwicklung des eleusinischen Festes ist wenig bekannt. Die heilige Handlung behielt ihren Schauplatz in Eleusis; eleusinische Adelsgeschlechter blieben betheiligt 2) an dem, übrigens vom athenischen Staate geordneten Gottesdienst; dennoch muss vieles geneuert worden sein. Jener oben er- wähnte Volksbeschluss lehrt uns, als damals in Eleusis verehrt, 1) κατὰ τὰ πάτρια καὶ τὴν μαντείαν τὴν ἐκ Δελφῶν: Z. 5; 26 f.; 35 (Dittenberger, Syll. inscr. gr. 13). — In Sicilien schon zur Zeit des Epicharm die Eleusinien allbekannt: Epich. ἐν Ὀδυσσεῖ αὐτομόλῳ bei Athen. 9, 374 D. Etym. M. 255, 2. Vgl. K. O. Müller, Kl. Schr. 2, 259. 2) Bestimmt behaupten können wir dies eigentlich nur von den Eu- molpiden, die den Hierophanten und die Hierophantin stellten: bei allem Schwanken des, von genealogischer Combination und Fiction arg mitge- nommenen Stammbaumes dieses Geschlechts kann doch an seinem eleu- sinischen Ursprung kein Zweifel sein. Dagegen ist auffallend, dass von den im hymn. Cer. 475. 6 neben Eumolpos als Theilnehmer an der von der Göttin selbst gespendeten Belehrung genannten eleusinischen Fürsten: Triptolemos, Diokles, Keleos sich keine γένη ableiteten, deren Betheiligung an der Verwaltung der eleus. Mysterien gewiss wäre. Von Triptolemos leiteten sich zwar die Krokoniden und die Koironiden her, aber deren Betheiligung an dem Weihefest ist dunkel und zweifelhaft (s. K. O. Müller, Kl. Schr. 2, 255 f.). Die Keryken (in deren Geschlecht die Würden des Daduchen, des Mysterienherolds, des Priesters ἐπὶ βωμῷ u. a. erblich waren) bringt nur eine von dem Geschlecht selbst abgewiesene apokryphe Genealogie mit Eumolpos in Verbindung (Paus. 1, 38, 3), sie selbst leiten ihren Ursprung von Hermes und Herse, der Tochter des Kekrops ab (s. Dittenberger, Hermes 20, 2), wollen also offenbar ein athenisches Geschlecht sein. Wir wissen von der Entwicklung dieser Verhältnisse viel zu wenig, um die Richtigkeit dieser Behauptung leugnen zu dürfen (wozu Müller a. O. 250 f. geneigt ist). Nichts hindert zu glauben, dass bei und nach der Vereinigung von Eleusis und seinen Götterdiensten mit Athen, wie ersichtlich sonst Vieles, auch dies geneuert wurde, dass zu den alt- eleusinischen Priestergeschlechtern das athenische Geschlecht der Keryken trat und an der δρησμοσύνη ἱερῶν regelmässig betheiligt wurde. Dies wäre dann ein Theil des Compromisses (συνϑῆκαι, Paus. 2, 14, 2) zwischen Eleusis und Athen, auf dem ja das ganze Verhältniss beider Staaten und ihrer Culte zu einander beruhte.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/276>, abgerufen am 18.06.2024.