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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Theilen der Erde nicht an Völkern, die solche ekstatische
Ueberspannungen als den eigentlich religiösen Vorgang, den
einzigen Weg zu einem Verkehr des Menschen mit einer
Geisterwelt ansehen, und ihre religiösen Handlungen daher
vornehmlich auf solche Veranstaltungen begründen, die erfah-
rungsgemäss Ekstase und Visionen herbeizuführen geeignet
sind. Ueberall dient bei solchen Völkern der Tanz, ein heftig
erregter Tanz, zur Nachtzeit bei dem Toben lärmender In-
strumente bis zur Erschöpfung aufgeführt, der gewollten Her-
beiführung äusserster Spannung und Ueberreizung der Em-
pfindung. Bald sind es ganze Schaaren des Volkes, die sich
durch wüthenden Tanz in religiöse Begeisterung hineintreiben 1),
häufiger noch einzelne Auserwählte, die ihre von allen Wal-
lungen leichter fortgerissene Seele durch Tanz, Musik und Er-
regungsmittel aller Art zum Ausfahren in die Welt der Geister
und Götter zwingen 2). Die ganze Erde hat solche "Zauberer"

1) Beispielsweise vgl. man was berichtet wird über religiöse Tänze
der Ostiaken (Erman, Reise um die Erde [1833] I 1, 674 f.), den Haokah-
tanz der Dakotah, den "Medicintanz" bei den Winnebago in N. Am.
(Schoolcraft, Indian Tribes III 487 ff., 286 ff.), den Tanz der Negersecte
Vaudou auf Haiti (Nouv. annales des voyages, 1858, T. III p. 90 ff.). Auf-
geregte religiöse Volkstänze im alten Peru: Müller, Amerik. Urrelig. 385.
In Australien: R. Brough Smyth, The Aborigines of Victoria [1878] 1, 166 ff.
Bei den Veddhas auf Ceylon die Tänze der als Dämonen vermummten
Teufelpriester (genannt Kattadias): Tennent, Ceylon 1, 540 f.; 2, 442. --
Aus dem Alterthum haben ja die Tanzfeste zu Ehren der "syrischen
Göttin", der kappadocischen Ma, der phrygischen Bergmutter und des
Attis (diese wohl mit den thrakischen Feiern aus gleicher Wurzel ent-
sprungen, aber viel stärker als jene mit Elementen semitischer Culte
durchsetzt) nächste Verwandtschaft mit dem ekstatischen Cult in Thrakien.
Sonst mag namentlich erinnert werden an den Bericht des Posidonius bei
Strabo IV p. 198, Dionys. Perieg. 570 ff. von den nächtlichen lärmenden
Feiern, welche auf einer Insel an der Mündung der Loire die Weiber
der Namniten (Samniten, Amniten) Dionuso katekhomenai, in voller Raserei
(lutta) dem "Dionysos" widmeten.
2) Dies ist überall der Sinn und Zweck jener angestrengten Prak-
tiken der "Zauberer". Der Schamane fährt (mit seiner "Seele") aus in
die Geisterwelt (vgl. besonders die unvergleichlich anschauliche Darstel-
lung bei Radloff, Aus Sibirien [1884] II 1--67; auch Erman, Zsch. f.
Ethnologie
2, 324 ff.; Aurel Krause, Die Tlinkitindianer [1885] p. 294 ff.);

Theilen der Erde nicht an Völkern, die solche ekstatische
Ueberspannungen als den eigentlich religiösen Vorgang, den
einzigen Weg zu einem Verkehr des Menschen mit einer
Geisterwelt ansehen, und ihre religiösen Handlungen daher
vornehmlich auf solche Veranstaltungen begründen, die erfah-
rungsgemäss Ekstase und Visionen herbeizuführen geeignet
sind. Ueberall dient bei solchen Völkern der Tanz, ein heftig
erregter Tanz, zur Nachtzeit bei dem Toben lärmender In-
strumente bis zur Erschöpfung aufgeführt, der gewollten Her-
beiführung äusserster Spannung und Ueberreizung der Em-
pfindung. Bald sind es ganze Schaaren des Volkes, die sich
durch wüthenden Tanz in religiöse Begeisterung hineintreiben 1),
häufiger noch einzelne Auserwählte, die ihre von allen Wal-
lungen leichter fortgerissene Seele durch Tanz, Musik und Er-
regungsmittel aller Art zum Ausfahren in die Welt der Geister
und Götter zwingen 2). Die ganze Erde hat solche „Zauberer“

1) Beispielsweise vgl. man was berichtet wird über religiöse Tänze
der Ostiaken (Erman, Reise um die Erde [1833] I 1, 674 f.), den Haokah-
tanz der Dakotah, den „Medicintanz“ bei den Winnebago in N. Am.
(Schoolcraft, Indian Tribes III 487 ff., 286 ff.), den Tanz der Negersecte
Vaudou auf Haïti (Nouv. annales des voyages, 1858, T. III p. 90 ff.). Auf-
geregte religiöse Volkstänze im alten Peru: Müller, Amerik. Urrelig. 385.
In Australien: R. Brough Smyth, The Aborigines of Victoria [1878] 1, 166 ff.
Bei den Veddhas auf Ceylon die Tänze der als Dämonen vermummten
Teufelpriester (genannt Kattadias): Tennent, Ceylon 1, 540 f.; 2, 442. —
Aus dem Alterthum haben ja die Tanzfeste zu Ehren der „syrischen
Göttin“, der kappadocischen Ma, der phrygischen Bergmutter und des
Attis (diese wohl mit den thrakischen Feiern aus gleicher Wurzel ent-
sprungen, aber viel stärker als jene mit Elementen semitischer Culte
durchsetzt) nächste Verwandtschaft mit dem ekstatischen Cult in Thrakien.
Sonst mag namentlich erinnert werden an den Bericht des Posidonius bei
Strabo IV p. 198, Dionys. Perieg. 570 ff. von den nächtlichen lärmenden
Feiern, welche auf einer Insel an der Mündung der Loire die Weiber
der Namniten (Samniten, Amniten) Διονύσῳ κατεχόμεναι, in voller Raserei
(λύττα) dem „Dionysos“ widmeten.
2) Dies ist überall der Sinn und Zweck jener angestrengten Prak-
tiken der „Zauberer“. Der Schamane fährt (mit seiner „Seele“) aus in
die Geisterwelt (vgl. besonders die unvergleichlich anschauliche Darstel-
lung bei Radloff, Aus Sibirien [1884] II 1—67; auch Erman, Zsch. f.
Ethnologie
2, 324 ff.; Aurel Krause, Die Tlinkitindianer [1885] p. 294 ff.);
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[316/0332] Theilen der Erde nicht an Völkern, die solche ekstatische Ueberspannungen als den eigentlich religiösen Vorgang, den einzigen Weg zu einem Verkehr des Menschen mit einer Geisterwelt ansehen, und ihre religiösen Handlungen daher vornehmlich auf solche Veranstaltungen begründen, die erfah- rungsgemäss Ekstase und Visionen herbeizuführen geeignet sind. Ueberall dient bei solchen Völkern der Tanz, ein heftig erregter Tanz, zur Nachtzeit bei dem Toben lärmender In- strumente bis zur Erschöpfung aufgeführt, der gewollten Her- beiführung äusserster Spannung und Ueberreizung der Em- pfindung. Bald sind es ganze Schaaren des Volkes, die sich durch wüthenden Tanz in religiöse Begeisterung hineintreiben 1), häufiger noch einzelne Auserwählte, die ihre von allen Wal- lungen leichter fortgerissene Seele durch Tanz, Musik und Er- regungsmittel aller Art zum Ausfahren in die Welt der Geister und Götter zwingen 2). Die ganze Erde hat solche „Zauberer“ 1) Beispielsweise vgl. man was berichtet wird über religiöse Tänze der Ostiaken (Erman, Reise um die Erde [1833] I 1, 674 f.), den Haokah- tanz der Dakotah, den „Medicintanz“ bei den Winnebago in N. Am. (Schoolcraft, Indian Tribes III 487 ff., 286 ff.), den Tanz der Negersecte Vaudou auf Haïti (Nouv. annales des voyages, 1858, T. III p. 90 ff.). Auf- geregte religiöse Volkstänze im alten Peru: Müller, Amerik. Urrelig. 385. In Australien: R. Brough Smyth, The Aborigines of Victoria [1878] 1, 166 ff. Bei den Veddhas auf Ceylon die Tänze der als Dämonen vermummten Teufelpriester (genannt Kattadias): Tennent, Ceylon 1, 540 f.; 2, 442. — Aus dem Alterthum haben ja die Tanzfeste zu Ehren der „syrischen Göttin“, der kappadocischen Ma, der phrygischen Bergmutter und des Attis (diese wohl mit den thrakischen Feiern aus gleicher Wurzel ent- sprungen, aber viel stärker als jene mit Elementen semitischer Culte durchsetzt) nächste Verwandtschaft mit dem ekstatischen Cult in Thrakien. Sonst mag namentlich erinnert werden an den Bericht des Posidonius bei Strabo IV p. 198, Dionys. Perieg. 570 ff. von den nächtlichen lärmenden Feiern, welche auf einer Insel an der Mündung der Loire die Weiber der Namniten (Samniten, Amniten) Διονύσῳ κατεχόμεναι, in voller Raserei (λύττα) dem „Dionysos“ widmeten. 2) Dies ist überall der Sinn und Zweck jener angestrengten Prak- tiken der „Zauberer“. Der Schamane fährt (mit seiner „Seele“) aus in die Geisterwelt (vgl. besonders die unvergleichlich anschauliche Darstel- lung bei Radloff, Aus Sibirien [1884] II 1—67; auch Erman, Zsch. f. Ethnologie 2, 324 ff.; Aurel Krause, Die Tlinkitindianer [1885] p. 294 ff.);

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/332>, abgerufen am 22.11.2024.