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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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"durch Mord den Mord vertreibend"1), indem er das Blut eines
Thieres dem Befleckten über die Hände rinnen lässt. Hier
ist der Reinigung deutlich der Charakter eines stellvertretenden
Opfers (des Thieres statt des menschlichen Thäters) erhalten2).
Damit wird der Groll des Todten abgespült, und dieser Groll
eben ist die Befleckung, die zu tilgen ist3). Opfer, bestimmt
von dem Zorn der Unsichtbaren, und eben damit von einer
"Befleckung" eine ganze Stadtgemeinde zu befreien, waren auch
jene Sündenböcke, elende Menschen, die man, "zur Reinigung
der Stadt", am Thargelienfeste oder auch bei ausserordent-
lichen Veranlassungen in ionischen Städten, auch in Athen,
in alter Zeit schlachtete oder steinigte, und verbrannte 4). Aber

Eurip. Hel. 1347? Bei Sonnen- und Mondfinsternissen kinousi khalkon kai
sideron anthropoi pantes, os tous daimonas apelaunontes. Alex. Aphrod.
problem. 2, 46 p. 65, 28 Id. (dies der Zweck des crepitus dissonus bei
Mondfinsterniss: Plin n. h. 2, 54; Liv. 26, 5, 9; Tac. ann. 1, 28; vgl.
Tibull. 1, 8, 21 f.).
1) phono phonon ekniptein. Eurip. Iph. Taur. 1197. purgantur <cruore>
cum cruore polluuntur
--, Heraklit. (p. 335, 5 Schust.).
2) Apoll. Rhod. 4, 703 ff. katharmois khoiroktonois -- Aesch. Eum.
283. 449 (aimatos katharsiou). K. O. Müller, Aesch. Eum. p. 146. Dar-
stellung des katharmos des Orest auf bekannten Vasenbildern (Mon. dell'
inst
. 4, 48 u. s. w.).
3) Dass die "Reinigung" bei solchen und ähnlichen Blutbesudelungen
in Wahrheit in einer stellvertretenden Opferung und dadurch bewirkten
Ablösung des Grolls der Dämonen bestehe, führt im Ganzen richtig schon
der alte Meiners, Allg. Gesch. der Relig. 2, 137 aus. Das miasma, welches
an dem Mörder klebt, ist eben der Groll des Todten oder der unter-
irdischen Geister: deutlich so Antiphon Tetral. 3 a, 3 (s. oben p. 252).
Was den Sohn, der den Mord seines Vaters nicht gerächt hat, unrein
macht und von den Altären der Götter verdrängt, ist oukh oromene patros
menis (Aesch. Choeph. 293). -- Bei Mord oder Todtschlag ist nicht nur
(wie bei jeder "Befleckung") die Berührung des Unheimlichen das, was
den Menschen "unrein" macht, sondern ausserdem noch der Groll der
von ihm geschädigten Seele (und deren Schutzgeister). Darum ist hier
ausser dem katharmos auch noch ilasmos nöthig (s. oben p. 247 ff.). Man
sieht aber wohl, wie schwer beide Acte zu trennen waren und warum
sie so leicht zusammenflossen.
4) Tödtung von pharmakoi an den Thargelien ionischer Städte: Hip-
ponax fr. 37. Sonst bei ausserordentlichen Gelegenheiten, aber auch
regelmässig an den Thargelien zu Athen. Dies leugnet zwar Stengel,

„durch Mord den Mord vertreibend“1), indem er das Blut eines
Thieres dem Befleckten über die Hände rinnen lässt. Hier
ist der Reinigung deutlich der Charakter eines stellvertretenden
Opfers (des Thieres statt des menschlichen Thäters) erhalten2).
Damit wird der Groll des Todten abgespült, und dieser Groll
eben ist die Befleckung, die zu tilgen ist3). Opfer, bestimmt
von dem Zorn der Unsichtbaren, und eben damit von einer
„Befleckung“ eine ganze Stadtgemeinde zu befreien, waren auch
jene Sündenböcke, elende Menschen, die man, „zur Reinigung
der Stadt“, am Thargelienfeste oder auch bei ausserordent-
lichen Veranlassungen in ionischen Städten, auch in Athen,
in alter Zeit schlachtete oder steinigte, und verbrannte 4). Aber

Eurip. Hel. 1347? Bei Sonnen- und Mondfinsternissen κινοῦσι χαλκὸν καὶ
σίδηρον ἄνϑρωποι πάντες, ὡς τοὺς δαίμονας ἀπελαύνοντες. Alex. Aphrod.
problem. 2, 46 p. 65, 28 Id. (dies der Zweck des crepitus dissonus bei
Mondfinsterniss: Plin n. h. 2, 54; Liv. 26, 5, 9; Tac. ann. 1, 28; vgl.
Tibull. 1, 8, 21 f.).
1) φόνῳ φόνον ἐκνίπτειν. Eurip. Iph. Taur. 1197. purgantur <cruore>
cum cruore polluuntur
—, Heraklit. (p. 335, 5 Schust.).
2) Apoll. Rhod. 4, 703 ff. καϑαρμοῖς χοιροκτόνοις — Aesch. Eum.
283. 449 (αἵματος καϑαρσίου). K. O. Müller, Aesch. Eum. p. 146. Dar-
stellung des καϑαρμός des Orest auf bekannten Vasenbildern (Mon. dell’
inst
. 4, 48 u. s. w.).
3) Dass die „Reinigung“ bei solchen und ähnlichen Blutbesudelungen
in Wahrheit in einer stellvertretenden Opferung und dadurch bewirkten
Ablösung des Grolls der Dämonen bestehe, führt im Ganzen richtig schon
der alte Meiners, Allg. Gesch. der Relig. 2, 137 aus. Das μίασμα, welches
an dem Mörder klebt, ist eben der Groll des Todten oder der unter-
irdischen Geister: deutlich so Antiphon Tetral. 3 α, 3 (s. oben p. 252).
Was den Sohn, der den Mord seines Vaters nicht gerächt hat, unrein
macht und von den Altären der Götter verdrängt, ist οὐχ ὁρωμένη πατρὸς
μῆνις (Aesch. Choeph. 293). — Bei Mord oder Todtschlag ist nicht nur
(wie bei jeder „Befleckung“) die Berührung des Unheimlichen das, was
den Menschen „unrein“ macht, sondern ausserdem noch der Groll der
von ihm geschädigten Seele (und deren Schutzgeister). Darum ist hier
ausser dem καϑαρμός auch noch ἱλασμός nöthig (s. oben p. 247 ff.). Man
sieht aber wohl, wie schwer beide Acte zu trennen waren und warum
sie so leicht zusammenflossen.
4) Tödtung von φαρμακοί an den Thargelien ionischer Städte: Hip-
ponax fr. 37. Sonst bei ausserordentlichen Gelegenheiten, aber auch
regelmässig an den Thargelien zu Athen. Dies leugnet zwar Stengel,
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[366/0382] „durch Mord den Mord vertreibend“ 1), indem er das Blut eines Thieres dem Befleckten über die Hände rinnen lässt. Hier ist der Reinigung deutlich der Charakter eines stellvertretenden Opfers (des Thieres statt des menschlichen Thäters) erhalten 2). Damit wird der Groll des Todten abgespült, und dieser Groll eben ist die Befleckung, die zu tilgen ist 3). Opfer, bestimmt von dem Zorn der Unsichtbaren, und eben damit von einer „Befleckung“ eine ganze Stadtgemeinde zu befreien, waren auch jene Sündenböcke, elende Menschen, die man, „zur Reinigung der Stadt“, am Thargelienfeste oder auch bei ausserordent- lichen Veranlassungen in ionischen Städten, auch in Athen, in alter Zeit schlachtete oder steinigte, und verbrannte 4). Aber 2) 1) φόνῳ φόνον ἐκνίπτειν. Eurip. Iph. Taur. 1197. purgantur <cruore> cum cruore polluuntur —, Heraklit. (p. 335, 5 Schust.). 2) Apoll. Rhod. 4, 703 ff. καϑαρμοῖς χοιροκτόνοις — Aesch. Eum. 283. 449 (αἵματος καϑαρσίου). K. O. Müller, Aesch. Eum. p. 146. Dar- stellung des καϑαρμός des Orest auf bekannten Vasenbildern (Mon. dell’ inst. 4, 48 u. s. w.). 3) Dass die „Reinigung“ bei solchen und ähnlichen Blutbesudelungen in Wahrheit in einer stellvertretenden Opferung und dadurch bewirkten Ablösung des Grolls der Dämonen bestehe, führt im Ganzen richtig schon der alte Meiners, Allg. Gesch. der Relig. 2, 137 aus. Das μίασμα, welches an dem Mörder klebt, ist eben der Groll des Todten oder der unter- irdischen Geister: deutlich so Antiphon Tetral. 3 α, 3 (s. oben p. 252). Was den Sohn, der den Mord seines Vaters nicht gerächt hat, unrein macht und von den Altären der Götter verdrängt, ist οὐχ ὁρωμένη πατρὸς μῆνις (Aesch. Choeph. 293). — Bei Mord oder Todtschlag ist nicht nur (wie bei jeder „Befleckung“) die Berührung des Unheimlichen das, was den Menschen „unrein“ macht, sondern ausserdem noch der Groll der von ihm geschädigten Seele (und deren Schutzgeister). Darum ist hier ausser dem καϑαρμός auch noch ἱλασμός nöthig (s. oben p. 247 ff.). Man sieht aber wohl, wie schwer beide Acte zu trennen waren und warum sie so leicht zusammenflossen. 4) Tödtung von φαρμακοί an den Thargelien ionischer Städte: Hip- ponax fr. 37. Sonst bei ausserordentlichen Gelegenheiten, aber auch regelmässig an den Thargelien zu Athen. Dies leugnet zwar Stengel, 2) Eurip. Hel. 1347? Bei Sonnen- und Mondfinsternissen κινοῦσι χαλκὸν καὶ σίδηρον ἄνϑρωποι πάντες, ὡς τοὺς δαίμονας ἀπελαύνοντες. Alex. Aphrod. problem. 2, 46 p. 65, 28 Id. (dies der Zweck des crepitus dissonus bei Mondfinsterniss: Plin n. h. 2, 54; Liv. 26, 5, 9; Tac. ann. 1, 28; vgl. Tibull. 1, 8, 21 f.).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/382>, abgerufen am 22.11.2024.