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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Hekate ist eine chthonische Göttin1), in der Unterwelt ist ihre
Stelle. Aber sie findet leichter als andere Unterirdische den
Weg zu den lebenden Menschen. Wo eine Seele sich mit
dem Leibe verbindet, bei Geburt und Wochenbett ist sie nahe2);
wo eine Seele sich vom Leibe scheidet, bei Leichenbegäng-
nissen, ist sie zur Stelle; unter den Wohnplätzen der Ab-
geschiedenen, inmitten der Grabsteine und dem Graus des
Todtencultes, vor dem die Himmlischen zurückscheuen, ist ihr
wohl3). Sie ist die Herrin der noch an die Oberwelt gebun-

1) khthonia kai nerteron prutanis: Sophron bei Schol. Theocrit. 2, 12.
Herrin geradezu im Hades, neben Pluton offenbar: Soph. Antig. 1199. Oft
wird sie khthonia genannt. Admetou (d. i. des Hades: K. O. Müller Proleg.
306) kore: Hesych. (sie selbst heisst admete hymn. Hec. 3 [p. 289 Ab.])
Tochter des Eubulos, d. h. des Hades: Orph. hymn. 72, 3 (sonst hat sie
freilich einen andern Stammbaum). Als khthonia oft mit der Persephone
vermischt (und beide, weil sie in einzelnen Punkten sich berühren, mit
Artemis). -- In der Transscription einer metrischen Inschrift aus Budrum
(Cilicien) im Journal of Hell. Stud. XI 252 erscheint eine Ge Ekate.
Das wäre freilich sehr bemerkenswerth. Aber auf dem Steine selbst steht
ganz richtig ten sebomesth Ek[aten].
2) H. Göttin der Wochenstuben: Sophron. a. O. In Athen verehrt
als kourotrophos: Schol. Ar. Vesp. 804. Verehrung der Kourotrophos en te
triodo (also als Hekate) zu Samos [Herodot] v. Homeri 30. Hesiod Theog.
450: theke de min (die Hekate) Kronides kourotrophon. Genetullis, die Ge-
burtsgöttin, ist eoikuia te Ekate. Hesych. s. Gen. Die Eileithyia, der in
Argos Hunde geopfert wurden (Sokrates bei Plut. Qu. Rom. 52) ist doch
gewiss eine Hekate (wie sonst eine Artemis). uper paidos eine Weihung
an Hekate: Ins. aus Larisa, Athen. Mittheil 11, 450. So ist H. auch
Hochzeitgöttin: als solche (oti gamelios e Ekate Schol.) ruft, neben dem
Hymenaios, sie an Kassandra bei Eurip. Troad. 322. gamelios ist Hekate
eben als khthonia. So sind die khthonioi vielfach bei Ehe und Geburt be-
theiligt: s. oben p. 226 f. Gaia: s. Welcker, Götterl. 1, 327. Opfer pro
paidon kai gameliou telous an die Erinyen: Aesch. Eum. 835.
3) Hekate beim Begräbnisse anwesend (fliehend pros andras nekron
pherontas) Sophron. a. O. erkhomena ana t eria pai melan aima Theocrit.
2, 13. khairousa skulakon ulake kai aimati phoino en nekusi steikhousa kat
eria tethneoton. hymn. in Hec. bei Hippol. ref. haeres. p. 72 Mill. -- He-
kate bei allem Gräuel anwesend: s. die merkwürdigen Formeln bei Plut.
de superstit. 10 p. 170 B (Bergk, Poet. lyr.4 III p. 680). -- Hekate leichen-
fressend gedacht (wie Eurynomos u. a. s. oben p. 293, 1) aimopotis, kardio-
daite, sarkophage, aorobore redet sie der Hymnus an, v. 53. 54 (p. 294 f.
Rohde, Seelencult. 24

Hekate ist eine chthonische Göttin1), in der Unterwelt ist ihre
Stelle. Aber sie findet leichter als andere Unterirdische den
Weg zu den lebenden Menschen. Wo eine Seele sich mit
dem Leibe verbindet, bei Geburt und Wochenbett ist sie nahe2);
wo eine Seele sich vom Leibe scheidet, bei Leichenbegäng-
nissen, ist sie zur Stelle; unter den Wohnplätzen der Ab-
geschiedenen, inmitten der Grabsteine und dem Graus des
Todtencultes, vor dem die Himmlischen zurückscheuen, ist ihr
wohl3). Sie ist die Herrin der noch an die Oberwelt gebun-

1) χϑονία καὶ νερτέρων πρύτανις: Sophron bei Schol. Theocrit. 2, 12.
Herrin geradezu im Hades, neben Pluton offenbar: Soph. Antig. 1199. Oft
wird sie χϑονία genannt. Ἀδμήτου (d. i. des Hades: K. O. Müller Proleg.
306) κόρη: Hesych. (sie selbst heisst ἀδμήτη hymn. Hec. 3 [p. 289 Ab.])
Tochter des Eubulos, d. h. des Hades: Orph. hymn. 72, 3 (sonst hat sie
freilich einen andern Stammbaum). Als χϑονία oft mit der Persephone
vermischt (und beide, weil sie in einzelnen Punkten sich berühren, mit
Artemis). — In der Transscription einer metrischen Inschrift aus Budrum
(Cilicien) im Journal of Hell. Stud. XI 252 erscheint eine Γῆ Ἑκάτη.
Das wäre freilich sehr bemerkenswerth. Aber auf dem Steine selbst steht
ganz richtig τὴν σεβόμεσϑ̕ Ἑκ[άτην].
2) H. Göttin der Wochenstuben: Sophron. a. O. In Athen verehrt
als κουροτρόφος: Schol. Ar. Vesp. 804. Verehrung der Κουροτρόφος ἐν τῇ
τριόδῳ (also als Hekate) zu Samos [Herodot] v. Homeri 30. Hesiod Theog.
450: ϑῆκε δέ μιν (die Hekate) Κρονίδης κουροτρόφον. Γενετυλλίς, die Ge-
burtsgöttin, ist ἐοικυῖα τῇ Ἑκάτῃ. Hesych. s. Γεν. Die Eileithyia, der in
Argos Hunde geopfert wurden (Sokrates bei Plut. Qu. Rom. 52) ist doch
gewiss eine Hekate (wie sonst eine Artemis). ὑπὲρ παιδός eine Weihung
an Hekate: Ins. aus Larisa, Athen. Mittheil 11, 450. So ist H. auch
Hochzeitgöttin: als solche (ὅτι γαμήλιος ἡ Ἑκάτη Schol.) ruft, neben dem
Hymenaios, sie an Kassandra bei Eurip. Troad. 322. γαμήλιος ist Hekate
eben als χϑονία. So sind die χϑόνιοι vielfach bei Ehe und Geburt be-
theiligt: s. oben p. 226 f. Gaia: s. Welcker, Götterl. 1, 327. Opfer πρὸ
παίδων καὶ γαμηλίου τέλους an die Erinyen: Aesch. Eum. 835.
3) Hekate beim Begräbnisse anwesend (fliehend πρὸς ἄνδρας νεκρὸν
φέροντας) Sophron. a. O. ἐρχομένα ἀνά τ̕ ἠρία παὶ μέλαν αἷμα Theocrit.
2, 13. χαίρουσα σκυλάκων ὑλακῇ καὶ αἵματι φοινῷ ἐν νέκυσι στείχουσα κατ̕
ἠρία τεϑνηώτων. hymn. in Hec. bei Hippol. ref. haeres. p. 72 Mill. — He-
kate bei allem Gräuel anwesend: s. die merkwürdigen Formeln bei Plut.
de superstit. 10 p. 170 B (Bergk, Poet. lyr.4 III p. 680). — Hekate leichen-
fressend gedacht (wie Eurynomos u. a. s. oben p. 293, 1) αἱμοπότις, καρδιό-
δαιτε, σαρκοφάγε, ἀωροβόρε redet sie der Hymnus an, v. 53. 54 (p. 294 f.
Rohde, Seelencult. 24
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[369/0385] Hekate ist eine chthonische Göttin 1), in der Unterwelt ist ihre Stelle. Aber sie findet leichter als andere Unterirdische den Weg zu den lebenden Menschen. Wo eine Seele sich mit dem Leibe verbindet, bei Geburt und Wochenbett ist sie nahe 2); wo eine Seele sich vom Leibe scheidet, bei Leichenbegäng- nissen, ist sie zur Stelle; unter den Wohnplätzen der Ab- geschiedenen, inmitten der Grabsteine und dem Graus des Todtencultes, vor dem die Himmlischen zurückscheuen, ist ihr wohl 3). Sie ist die Herrin der noch an die Oberwelt gebun- 1) χϑονία καὶ νερτέρων πρύτανις: Sophron bei Schol. Theocrit. 2, 12. Herrin geradezu im Hades, neben Pluton offenbar: Soph. Antig. 1199. Oft wird sie χϑονία genannt. Ἀδμήτου (d. i. des Hades: K. O. Müller Proleg. 306) κόρη: Hesych. (sie selbst heisst ἀδμήτη hymn. Hec. 3 [p. 289 Ab.]) Tochter des Eubulos, d. h. des Hades: Orph. hymn. 72, 3 (sonst hat sie freilich einen andern Stammbaum). Als χϑονία oft mit der Persephone vermischt (und beide, weil sie in einzelnen Punkten sich berühren, mit Artemis). — In der Transscription einer metrischen Inschrift aus Budrum (Cilicien) im Journal of Hell. Stud. XI 252 erscheint eine Γῆ Ἑκάτη. Das wäre freilich sehr bemerkenswerth. Aber auf dem Steine selbst steht ganz richtig τὴν σεβόμεσϑ̕ Ἑκ[άτην]. 2) H. Göttin der Wochenstuben: Sophron. a. O. In Athen verehrt als κουροτρόφος: Schol. Ar. Vesp. 804. Verehrung der Κουροτρόφος ἐν τῇ τριόδῳ (also als Hekate) zu Samos [Herodot] v. Homeri 30. Hesiod Theog. 450: ϑῆκε δέ μιν (die Hekate) Κρονίδης κουροτρόφον. Γενετυλλίς, die Ge- burtsgöttin, ist ἐοικυῖα τῇ Ἑκάτῃ. Hesych. s. Γεν. Die Eileithyia, der in Argos Hunde geopfert wurden (Sokrates bei Plut. Qu. Rom. 52) ist doch gewiss eine Hekate (wie sonst eine Artemis). ὑπὲρ παιδός eine Weihung an Hekate: Ins. aus Larisa, Athen. Mittheil 11, 450. So ist H. auch Hochzeitgöttin: als solche (ὅτι γαμήλιος ἡ Ἑκάτη Schol.) ruft, neben dem Hymenaios, sie an Kassandra bei Eurip. Troad. 322. γαμήλιος ist Hekate eben als χϑονία. So sind die χϑόνιοι vielfach bei Ehe und Geburt be- theiligt: s. oben p. 226 f. Gaia: s. Welcker, Götterl. 1, 327. Opfer πρὸ παίδων καὶ γαμηλίου τέλους an die Erinyen: Aesch. Eum. 835. 3) Hekate beim Begräbnisse anwesend (fliehend πρὸς ἄνδρας νεκρὸν φέροντας) Sophron. a. O. ἐρχομένα ἀνά τ̕ ἠρία παὶ μέλαν αἷμα Theocrit. 2, 13. χαίρουσα σκυλάκων ὑλακῇ καὶ αἵματι φοινῷ ἐν νέκυσι στείχουσα κατ̕ ἠρία τεϑνηώτων. hymn. in Hec. bei Hippol. ref. haeres. p. 72 Mill. — He- kate bei allem Gräuel anwesend: s. die merkwürdigen Formeln bei Plut. de superstit. 10 p. 170 B (Bergk, Poet. lyr.4 III p. 680). — Hekate leichen- fressend gedacht (wie Eurynomos u. a. s. oben p. 293, 1) αἱμοπότις, καρδιό- δαιτε, σαρκοφάγε, ἀωροβόρε redet sie der Hymnus an, v. 53. 54 (p. 294 f. Rohde, Seelencult. 24

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/385>, abgerufen am 22.11.2024.