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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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mente und ihre Kräfte am gleichmässigsten gemischt sind.
Vielmehr, eben dieses Blut ist das Denken und die Denk-
kraft 1); der Stoff und seine vitalen Functionen fallen auch
dem Empedokles noch völlig zusammen. Unter dem Denken-
den oder dem "Geiste" ist hier ersichtlich nichts gedacht was
einer substantiell bestehenden "Seele" gliche, sondern ein die
einzelnen Sinnesthätigkeiten zusammenfassendes und einigendes
Vermögen 2), das nicht minder als die einzelnen Kräfte der
Wahrnehmung an die Elemente, die Sinne, den Körper ge-
bunden ist 3). Mit der Beschaffenheit des Körpers wechseln
auch sie 4). Beide, Wahrnehmung und Denken, sind, als Lebens-
äusserungen der in den organischen Wesen gemischten Stoffe,
in allen Organismen vorhanden, im Menschen, in den Thieren
und selbst in den Pflanzen 5).

Benennt man die Summe solcher geistigen Kräfte mit
dem Namen der "Seele" 6), der sonst einem gemeinsamen blei-

1) 372 ff.: aimatos en pelagessi -- te te noema malista kuklisketai
anthropoisin; aima gar anthropois perikardion esti noema. -- Das Blut ist
der Sitz des phronein; en touto gar malista kekrasthai ta stoikheia. Theophr.
de sens. 10. 23 f.
2) eine Art suggumnasia ton aistheseon, wie Asklepiades der Arzt
den Begriff der psukhe bestimmte (Doxogr. 387 a, 7). Aehnlich dem, was
Aristoteles das proton aistheterion nennt. -- Dies, was E. das phronein
nennt, wäre doch wohl das enopoioun der Wahrnehmungen, das Aristoteles
bei E. vermisst (de an. 409 b, 30 ff., 410 a, 1--10; b, 10).
3) to noein ist somatikon osper to aisthanesthai. Aristot. de an.
427 a, 26.
4) Aristot. metaph. 1009 b, 17 ff.
5) 298: panta gar isthi phronesin ekhein kai nomatos aisan. Das panta
muss ganz wörtlich verstanden werden; denn da die Elemente es sind,
denen die Wahrnehmungskräfte inhaeriren (ekaston ton stoikheion psukhen
einai legei schreibt dem E. als seine Meinung zu Aristot. de an. 404 b,
12), Elemente aber in allen Dingen gemischt vorhanden sind, so haben
auch Steine u. s. w. phronesis und "einen Theil von Vernunft" in sich
(wozu freilich nicht ganz stimmen will, dass erst das aima phronesin be-
wirkt: Theophr. de sens. 23). Den Pflanzen schrieb er volle Empfindung
und Wahrnehmung, selbst nous und gnosis (ohne Blut?) zu: [Aristot.] de
plant.
815 a, 16 ff.; b, 16 f. Darum sind auch sie zur Herberge eines gefallenen
Dämons geeignet.
6) Empedokles selbst braucht, in den uns erhaltenen Versen, das

mente und ihre Kräfte am gleichmässigsten gemischt sind.
Vielmehr, eben dieses Blut ist das Denken und die Denk-
kraft 1); der Stoff und seine vitalen Functionen fallen auch
dem Empedokles noch völlig zusammen. Unter dem Denken-
den oder dem „Geiste“ ist hier ersichtlich nichts gedacht was
einer substantiell bestehenden „Seele“ gliche, sondern ein die
einzelnen Sinnesthätigkeiten zusammenfassendes und einigendes
Vermögen 2), das nicht minder als die einzelnen Kräfte der
Wahrnehmung an die Elemente, die Sinne, den Körper ge-
bunden ist 3). Mit der Beschaffenheit des Körpers wechseln
auch sie 4). Beide, Wahrnehmung und Denken, sind, als Lebens-
äusserungen der in den organischen Wesen gemischten Stoffe,
in allen Organismen vorhanden, im Menschen, in den Thieren
und selbst in den Pflanzen 5).

Benennt man die Summe solcher geistigen Kräfte mit
dem Namen der „Seele“ 6), der sonst einem gemeinsamen blei-

1) 372 ff.: αἵματος ἐν πελάγεσσι — τῇ τε νόημα μάλιστα κυκλίσκεται
ἀνϑρώποισιν· αἷμα γὰρ ἀνϑρώποις περικάρδιόν ἐστι νόημα. — Das Blut ist
der Sitz des φρονεῖν· ἐν τούτῳ γὰρ μάλιστα κεκρᾶσϑαι τὰ στοιχεῖα. Theophr.
de sens. 10. 23 f.
2) eine Art συγγυμνασία τῶν αἰσϑήσεων, wie Asklepiades der Arzt
den Begriff der ψυχή bestimmte (Doxogr. 387 a, 7). Aehnlich dem, was
Aristoteles das πρῶτον αἰσϑητήριον nennt. — Dies, was E. das φρονεῖν
nennt, wäre doch wohl das ἑνοποιοῦν der Wahrnehmungen, das Aristoteles
bei E. vermisst (de an. 409 b, 30 ff., 410 a, 1—10; b, 10).
3) τὸ νοεῖν ist σωματικὸν ὥσπερ τὸ αἰσϑάνεσϑαι. Aristot. de an.
427 a, 26.
4) Aristot. metaph. 1009 b, 17 ff.
5) 298: πάντα γὰρ ἴσϑι φρόνησιν ἔχειν καὶ νώματος αἶσαν. Das πάντα
muss ganz wörtlich verstanden werden; denn da die Elemente es sind,
denen die Wahrnehmungskräfte inhaeriren (ἕκαστον τῶν στοιχείων ψυχὴν
εἶναι λέγει schreibt dem E. als seine Meinung zu Aristot. de an. 404 b,
12), Elemente aber in allen Dingen gemischt vorhanden sind, so haben
auch Steine u. s. w. φρόνησις und „einen Theil von Vernunft“ in sich
(wozu freilich nicht ganz stimmen will, dass erst das αἷμα φρόνησιν be-
wirkt: Theophr. de sens. 23). Den Pflanzen schrieb er volle Empfindung
und Wahrnehmung, selbst νοῦς und γνῶσις (ohne Blut?) zu: [Aristot.] de
plant.
815 a, 16 ff.; b, 16 f. Darum sind auch sie zur Herberge eines gefallenen
Dämons geeignet.
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[470/0486] mente und ihre Kräfte am gleichmässigsten gemischt sind. Vielmehr, eben dieses Blut ist das Denken und die Denk- kraft 1); der Stoff und seine vitalen Functionen fallen auch dem Empedokles noch völlig zusammen. Unter dem Denken- den oder dem „Geiste“ ist hier ersichtlich nichts gedacht was einer substantiell bestehenden „Seele“ gliche, sondern ein die einzelnen Sinnesthätigkeiten zusammenfassendes und einigendes Vermögen 2), das nicht minder als die einzelnen Kräfte der Wahrnehmung an die Elemente, die Sinne, den Körper ge- bunden ist 3). Mit der Beschaffenheit des Körpers wechseln auch sie 4). Beide, Wahrnehmung und Denken, sind, als Lebens- äusserungen der in den organischen Wesen gemischten Stoffe, in allen Organismen vorhanden, im Menschen, in den Thieren und selbst in den Pflanzen 5). Benennt man die Summe solcher geistigen Kräfte mit dem Namen der „Seele“ 6), der sonst einem gemeinsamen blei- 1) 372 ff.: αἵματος ἐν πελάγεσσι — τῇ τε νόημα μάλιστα κυκλίσκεται ἀνϑρώποισιν· αἷμα γὰρ ἀνϑρώποις περικάρδιόν ἐστι νόημα. — Das Blut ist der Sitz des φρονεῖν· ἐν τούτῳ γὰρ μάλιστα κεκρᾶσϑαι τὰ στοιχεῖα. Theophr. de sens. 10. 23 f. 2) eine Art συγγυμνασία τῶν αἰσϑήσεων, wie Asklepiades der Arzt den Begriff der ψυχή bestimmte (Doxogr. 387 a, 7). Aehnlich dem, was Aristoteles das πρῶτον αἰσϑητήριον nennt. — Dies, was E. das φρονεῖν nennt, wäre doch wohl das ἑνοποιοῦν der Wahrnehmungen, das Aristoteles bei E. vermisst (de an. 409 b, 30 ff., 410 a, 1—10; b, 10). 3) τὸ νοεῖν ist σωματικὸν ὥσπερ τὸ αἰσϑάνεσϑαι. Aristot. de an. 427 a, 26. 4) Aristot. metaph. 1009 b, 17 ff. 5) 298: πάντα γὰρ ἴσϑι φρόνησιν ἔχειν καὶ νώματος αἶσαν. Das πάντα muss ganz wörtlich verstanden werden; denn da die Elemente es sind, denen die Wahrnehmungskräfte inhaeriren (ἕκαστον τῶν στοιχείων ψυχὴν εἶναι λέγει schreibt dem E. als seine Meinung zu Aristot. de an. 404 b, 12), Elemente aber in allen Dingen gemischt vorhanden sind, so haben auch Steine u. s. w. φρόνησις und „einen Theil von Vernunft“ in sich (wozu freilich nicht ganz stimmen will, dass erst das αἷμα φρόνησιν be- wirkt: Theophr. de sens. 23). Den Pflanzen schrieb er volle Empfindung und Wahrnehmung, selbst νοῦς und γνῶσις (ohne Blut?) zu: [Aristot.] de plant. 815 a, 16 ff.; b, 16 f. Darum sind auch sie zur Herberge eines gefallenen Dämons geeignet. 6) Empedokles selbst braucht, in den uns erhaltenen Versen, das

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/486>, abgerufen am 22.11.2024.