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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Wo in dieser Welt sich Leben und selbständige Bewegung
zeigt, da muss der Geist, als deren Ursache, thätig sein. "Alles
was Seele hat, beherrscht der Geist", sagt Anaxagoras 1). Hier-
mit ist noch nicht die Anwesenheit des "Geistes" in dem be-
seelten Wesen behauptet, auch nicht Wesensgleichheit von
Seele und Geist. Aber wenn es heisst, dass der Geist "durch
alles hindurchgehe" 2), dass in jedem Dinge ein Theil von allen
Dingen sei, ausser vom Geiste, in einigen aber auch Geist
sei 3), so wird damit doch eine Durchdringung mancher Stoff-
verbindungen durch den, hier kaum noch körperlos zu denken-
den "Geist" behauptet, bei der dessen Jenseitigkeit aufgehoben
scheint. Als solche Verbindungen, in denen "Geist" ist, sind
jedenfalls die lebenden, beseelten Wesen gedacht. Sie sind es,
in denen der "Geist" stets in gleicher Beschaffenheit aber in
verschiedenen Mengen 4) anwesend ist, ja der Geist ist oder

1) osa psukhen ekhei, kai ta mezo kai ta elasso, panton noos krateei.
kai tes perikhoresios tes sumpases noos ekratese, oste perikhoresai ten
arkhen fr. 6. Das kratein bei dem Beginn der perikhoresis soll jedenfalls
nicht durch Vermischung des nous mit den spermata, Eingehen des nous
in diese, geschehen sein: weil der nous apathes und amiges ist, so kratoie
an amiges on: Aristot. phys. 256 b, 27; vgl. 429 a, 18 f. Soll nun das
auch von dem nous gelten, wenn er ton psukhen ekhonton krateei? Aber
da ist er ja doch in den zoa, als meizon oder elatton an sie, scheint es,
vertheilt. -- Von selbst erinnert man sich hier der unlöslichen Aporien,
die in der Aristotelischen Lehre vom thätigen nous liegen, der
ebenfalls apathes, amiges, vom Leibe khoristos, aller Attribute des Indivi-
duellen (das ganz in den niederen Seelenkräften liegt) entkleidet ist, also
wie ein allgemeiner göttlicher Geist erscheint, doch aber ein morion tes
psukhes sein, en te psukhe anwesend sein soll, im Leibe hausend, ohne doch
irgend etwas mit ihm gemein zu haben, jedenfalls aber als ein Individual-
geist gedacht wird. Bei Anaxagoras würden sich diese Aporien auch
auf die von Aristoteles so genannte ernährende, empfindende, begehrende
und bewegende Seele erstrecken: denn unterschiedslos alle "Theile" der
Seele fasst er unter dem Begriff des nous zusammen. -- Die Schwierigkeit,
die Einheit und innere Continuität des (immateriellen, getheilt nicht vor-
stellbaren) Geistes mit seiner Individuation und Austheilung an die Vielheit
der Seelen zu vereinigen, kehrt in griechischer Philosophie noch oft wieder.
2) dia panton ionta: Plat. Cratyl. 413 C.
3) en panti pantos moira enesti plen noou ; esti oisi de kai noos eni. fr. 5.
4) noos de pas omoios esti kai o mezon kai o elasson fr. 6.

Wo in dieser Welt sich Leben und selbständige Bewegung
zeigt, da muss der Geist, als deren Ursache, thätig sein. „Alles
was Seele hat, beherrscht der Geist“, sagt Anaxagoras 1). Hier-
mit ist noch nicht die Anwesenheit des „Geistes“ in dem be-
seelten Wesen behauptet, auch nicht Wesensgleichheit von
Seele und Geist. Aber wenn es heisst, dass der Geist „durch
alles hindurchgehe“ 2), dass in jedem Dinge ein Theil von allen
Dingen sei, ausser vom Geiste, in einigen aber auch Geist
sei 3), so wird damit doch eine Durchdringung mancher Stoff-
verbindungen durch den, hier kaum noch körperlos zu denken-
den „Geist“ behauptet, bei der dessen Jenseitigkeit aufgehoben
scheint. Als solche Verbindungen, in denen „Geist“ ist, sind
jedenfalls die lebenden, beseelten Wesen gedacht. Sie sind es,
in denen der „Geist“ stets in gleicher Beschaffenheit aber in
verschiedenen Mengen 4) anwesend ist, ja der Geist ist oder

1) ὅσα ψυχὴν ἔχει, καὶ τὰ μέζω καὶ τἀ ἐλάσσω, πάντων νόος κρατέει.
καὶ τῆς περιχωρήσιος τῆς συμπάσης νόος ἐκράτησε, ὥστε περιχωρῆσαι τὴν
ἀρχήν fr. 6. Das κρατεῖν bei dem Beginn der περιχώρησις soll jedenfalls
nicht durch Vermischung des νοῦς mit den σπέρματα, Eingehen des νοῦς
in diese, geschehen sein: weil der νοῦς ἀπαϑής und ἀμιγής ist, so κρατοίη
ἂν̕ ἀμιγὴς ὤν: Aristot. phys. 256 b, 27; vgl. 429 a, 18 f. Soll nun das
auch von dem νοῦς gelten, wenn er τῶν ψυχὴν ἐχόντων κρατέει? Aber
da ist er ja doch in den ζῷα, als μείζων oder ἐλάττων an sie, scheint es,
vertheilt. — Von selbst erinnert man sich hier der unlöslichen Aporien,
die in der Aristotelischen Lehre vom thätigen νοῦς liegen, der
ebenfalls ἀπαϑής, ἀμιγής, vom Leibe χωριστός, aller Attribute des Indivi-
duellen (das ganz in den niederen Seelenkräften liegt) entkleidet ist, also
wie ein allgemeiner göttlicher Geist erscheint, doch aber ein μόριον τῆς
ψυχῆς sein, ἐν τῇ ψυχῇ anwesend sein soll, im Leibe hausend, ohne doch
irgend etwas mit ihm gemein zu haben, jedenfalls aber als ein Individual-
geist gedacht wird. Bei Anaxagoras würden sich diese Aporien auch
auf die von Aristoteles so genannte ernährende, empfindende, begehrende
und bewegende Seele erstrecken: denn unterschiedslos alle „Theile“ der
Seele fasst er unter dem Begriff des νοῦς zusammen. — Die Schwierigkeit,
die Einheit und innere Continuität des (immateriellen, getheilt nicht vor-
stellbaren) Geistes mit seiner Individuation und Austheilung an die Vielheit
der Seelen zu vereinigen, kehrt in griechischer Philosophie noch oft wieder.
2) διὰ πάντων ἰόντα: Plat. Cratyl. 413 C.
3) ἐν παντὶ παντὸς μοῖρα ἔνεστι πλὴν νόου · ἔστι οἷσι δὲ καὶ νόος ἔνι. fr. 5.
4) νόος δὲ πᾶς ὅμοιός ἐστι καὶ ὁ μέζων καὶ ὁ ἐλάσσων fr. 6.
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[486/0502] Wo in dieser Welt sich Leben und selbständige Bewegung zeigt, da muss der Geist, als deren Ursache, thätig sein. „Alles was Seele hat, beherrscht der Geist“, sagt Anaxagoras 1). Hier- mit ist noch nicht die Anwesenheit des „Geistes“ in dem be- seelten Wesen behauptet, auch nicht Wesensgleichheit von Seele und Geist. Aber wenn es heisst, dass der Geist „durch alles hindurchgehe“ 2), dass in jedem Dinge ein Theil von allen Dingen sei, ausser vom Geiste, in einigen aber auch Geist sei 3), so wird damit doch eine Durchdringung mancher Stoff- verbindungen durch den, hier kaum noch körperlos zu denken- den „Geist“ behauptet, bei der dessen Jenseitigkeit aufgehoben scheint. Als solche Verbindungen, in denen „Geist“ ist, sind jedenfalls die lebenden, beseelten Wesen gedacht. Sie sind es, in denen der „Geist“ stets in gleicher Beschaffenheit aber in verschiedenen Mengen 4) anwesend ist, ja der Geist ist oder 1) ὅσα ψυχὴν ἔχει, καὶ τὰ μέζω καὶ τἀ ἐλάσσω, πάντων νόος κρατέει. καὶ τῆς περιχωρήσιος τῆς συμπάσης νόος ἐκράτησε, ὥστε περιχωρῆσαι τὴν ἀρχήν fr. 6. Das κρατεῖν bei dem Beginn der περιχώρησις soll jedenfalls nicht durch Vermischung des νοῦς mit den σπέρματα, Eingehen des νοῦς in diese, geschehen sein: weil der νοῦς ἀπαϑής und ἀμιγής ist, so κρατοίη ἂν̕ ἀμιγὴς ὤν: Aristot. phys. 256 b, 27; vgl. 429 a, 18 f. Soll nun das auch von dem νοῦς gelten, wenn er τῶν ψυχὴν ἐχόντων κρατέει? Aber da ist er ja doch in den ζῷα, als μείζων oder ἐλάττων an sie, scheint es, vertheilt. — Von selbst erinnert man sich hier der unlöslichen Aporien, die in der Aristotelischen Lehre vom thätigen νοῦς liegen, der ebenfalls ἀπαϑής, ἀμιγής, vom Leibe χωριστός, aller Attribute des Indivi- duellen (das ganz in den niederen Seelenkräften liegt) entkleidet ist, also wie ein allgemeiner göttlicher Geist erscheint, doch aber ein μόριον τῆς ψυχῆς sein, ἐν τῇ ψυχῇ anwesend sein soll, im Leibe hausend, ohne doch irgend etwas mit ihm gemein zu haben, jedenfalls aber als ein Individual- geist gedacht wird. Bei Anaxagoras würden sich diese Aporien auch auf die von Aristoteles so genannte ernährende, empfindende, begehrende und bewegende Seele erstrecken: denn unterschiedslos alle „Theile“ der Seele fasst er unter dem Begriff des νοῦς zusammen. — Die Schwierigkeit, die Einheit und innere Continuität des (immateriellen, getheilt nicht vor- stellbaren) Geistes mit seiner Individuation und Austheilung an die Vielheit der Seelen zu vereinigen, kehrt in griechischer Philosophie noch oft wieder. 2) διὰ πάντων ἰόντα: Plat. Cratyl. 413 C. 3) ἐν παντὶ παντὸς μοῖρα ἔνεστι πλὴν νόου · ἔστι οἷσι δὲ καὶ νόος ἔνι. fr. 5. 4) νόος δὲ πᾶς ὅμοιός ἐστι καὶ ὁ μέζων καὶ ὁ ἐλάσσων fr. 6.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/502>, abgerufen am 22.11.2024.