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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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ken den Nachkommen, als ein Band zwischen dem Todten
und den Lebenden 1); ob die Seele selbst dort unten noch
von einem Zusammenhang mit dem Reiche der Lebenden
wisse, scheint nicht ganz sicher 2). Ihre Kraft ist dahin; es
ist sicherlich kein Zustand seligen Glücks, in den sie eingetreten
ist. Einzig der grosse Name, der Ruhm im Gesange ist nach
dem Tode der Lohn der Tugend und grosser Thaten 3).

Ein erhöhetes Dasein wird nach dem Abscheiden von der
Erde allein den Heroen zu Theil. Der Glaube an Dasein,
Würde und Macht solcher verklärter Geister steht in voller
Kraft 4); er spricht überall in gleicher Lebendigkeit aus Wor-
ten und Erzählungen des Dichters. Auch die, durch den
Heroenglauben im Grunde ausser Wirkung gesetzte alte Vor-
stellung, nach der volles Leben nur in ungetrennter Vereini-
gung von Leib und Seele denkbar ist, scheint noch durch in
einzelnen Anspielungen auf Entrückungssagen, die diese Vor-
stellung zur Voraussetzung haben. Der erlauchteste der zu
ewigem Leben Entrückten, Amphiaraos, dem thebanischen
Sänger besonders theuer, wird mehr als einmal in dem Tone
unverfälschten Glaubens an solche Wunder gepriesen 5). Aber

1) esti de kai ti thanontessin meros kan nomon erdomenon; katakruptei
dou konis suggonon kednan kharin. Ol. 8, 77 ff.
2) Momentan wird so etwas fingirt, z. B. Ol. 14, 20 ff.; Ol. 8, 81 ff.;
Wirklicher Glaube an die Möglichkeit scheint am ersten durch Pyth.
5, 98 ff.
3) Wer im Kampfe für das Vaterland fällt, den erwartet -- nicht
Seligkeit, nur Ruhe. Isthm. 7, 26 ff. Wer kala erxais aoidas ater eis
AIda stathmon gelangt, hat wenig Lohn für seine Mühe (der Ruhm durch
die aoida wäre eben der Lohn): Ol. 10, 91 ff. Vgl. Nem. 7, 30--32.
4) Seltsam der daimon genethlios Ol. 13, 105 (in demselben Gedicht
auch der Ksenophontos daimon, V. 28, was hier doch mehr ist als "Geschick",
wie sonst wohl [P. 5, 114. J. 7, 43] daimon bei Pindar). Es scheint fast,
als ob das eine Bezeichnung des, dem Hause Glück bringenden Ahnen-
geistes, genius generis des eros suggeneias (s. oben p. 232, 1) sein
sollte.
5) Amphiaraos: Ol. 6, 14; Nem. 9, 24 ff.; 10, 8 f. (Aus seiner Erd-
höhle sieht Amph. die Helden des Epigonenkriegs kämpfen: Pyth. 8, 39--56.
[An Befragung seines Orakels durch die Epigonoi -- wie Dissen meint,
Rohde, Seelencult. 32

ken den Nachkommen, als ein Band zwischen dem Todten
und den Lebenden 1); ob die Seele selbst dort unten noch
von einem Zusammenhang mit dem Reiche der Lebenden
wisse, scheint nicht ganz sicher 2). Ihre Kraft ist dahin; es
ist sicherlich kein Zustand seligen Glücks, in den sie eingetreten
ist. Einzig der grosse Name, der Ruhm im Gesange ist nach
dem Tode der Lohn der Tugend und grosser Thaten 3).

Ein erhöhetes Dasein wird nach dem Abscheiden von der
Erde allein den Heroen zu Theil. Der Glaube an Dasein,
Würde und Macht solcher verklärter Geister steht in voller
Kraft 4); er spricht überall in gleicher Lebendigkeit aus Wor-
ten und Erzählungen des Dichters. Auch die, durch den
Heroenglauben im Grunde ausser Wirkung gesetzte alte Vor-
stellung, nach der volles Leben nur in ungetrennter Vereini-
gung von Leib und Seele denkbar ist, scheint noch durch in
einzelnen Anspielungen auf Entrückungssagen, die diese Vor-
stellung zur Voraussetzung haben. Der erlauchteste der zu
ewigem Leben Entrückten, Amphiaraos, dem thebanischen
Sänger besonders theuer, wird mehr als einmal in dem Tone
unverfälschten Glaubens an solche Wunder gepriesen 5). Aber

1) ἔστι δὲ καί τι ϑανόντεσσιν μέρος καν νόμον ἐρδόμενον· κατακρύπτει
δ̕οὐ κόνις συγγόνων κεδνὰν χάριν. Ol. 8, 77 ff.
2) Momentan wird so etwas fingirt, z. B. Ol. 14, 20 ff.; Ol. 8, 81 ff.;
Wirklicher Glaube an die Möglichkeit scheint am ersten durch Pyth.
5, 98 ff.
3) Wer im Kampfe für das Vaterland fällt, den erwartet — nicht
Seligkeit, nur Ruhe. Isthm. 7, 26 ff. Wer καλὰ ἔρξαις ἀοιδᾶς ἄτερ εἰς
Ἀΐδα σταϑμόν gelangt, hat wenig Lohn für seine Mühe (der Ruhm durch
die ἀοιδά wäre eben der Lohn): Ol. 10, 91 ff. Vgl. Nem. 7, 30—32.
4) Seltsam der δαίμων γενέϑλιος Ol. 13, 105 (in demselben Gedicht
auch der Ξενοφῶντος δαίμων, V. 28, was hier doch mehr ist als „Geschick“,
wie sonst wohl [P. 5, 114. J. 7, 43] δαίμων bei Pindar). Es scheint fast,
als ob das eine Bezeichnung des, dem Hause Glück bringenden Ahnen-
geistes, genius generis des ἥρως συγγενείας (s. oben p. 232, 1) sein
sollte.
5) Amphiaraos: Ol. 6, 14; Nem. 9, 24 ff.; 10, 8 f. (Aus seiner Erd-
höhle sieht Amph. die Helden des Epigonenkriegs kämpfen: Pyth. 8, 39—56.
[An Befragung seines Orakels durch die Ἐπίγονοι — wie Dissen meint,
Rohde, Seelencult. 32
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[497/0513] ken den Nachkommen, als ein Band zwischen dem Todten und den Lebenden 1); ob die Seele selbst dort unten noch von einem Zusammenhang mit dem Reiche der Lebenden wisse, scheint nicht ganz sicher 2). Ihre Kraft ist dahin; es ist sicherlich kein Zustand seligen Glücks, in den sie eingetreten ist. Einzig der grosse Name, der Ruhm im Gesange ist nach dem Tode der Lohn der Tugend und grosser Thaten 3). Ein erhöhetes Dasein wird nach dem Abscheiden von der Erde allein den Heroen zu Theil. Der Glaube an Dasein, Würde und Macht solcher verklärter Geister steht in voller Kraft 4); er spricht überall in gleicher Lebendigkeit aus Wor- ten und Erzählungen des Dichters. Auch die, durch den Heroenglauben im Grunde ausser Wirkung gesetzte alte Vor- stellung, nach der volles Leben nur in ungetrennter Vereini- gung von Leib und Seele denkbar ist, scheint noch durch in einzelnen Anspielungen auf Entrückungssagen, die diese Vor- stellung zur Voraussetzung haben. Der erlauchteste der zu ewigem Leben Entrückten, Amphiaraos, dem thebanischen Sänger besonders theuer, wird mehr als einmal in dem Tone unverfälschten Glaubens an solche Wunder gepriesen 5). Aber 1) ἔστι δὲ καί τι ϑανόντεσσιν μέρος καν νόμον ἐρδόμενον· κατακρύπτει δ̕οὐ κόνις συγγόνων κεδνὰν χάριν. Ol. 8, 77 ff. 2) Momentan wird so etwas fingirt, z. B. Ol. 14, 20 ff.; Ol. 8, 81 ff.; Wirklicher Glaube an die Möglichkeit scheint am ersten durch Pyth. 5, 98 ff. 3) Wer im Kampfe für das Vaterland fällt, den erwartet — nicht Seligkeit, nur Ruhe. Isthm. 7, 26 ff. Wer καλὰ ἔρξαις ἀοιδᾶς ἄτερ εἰς Ἀΐδα σταϑμόν gelangt, hat wenig Lohn für seine Mühe (der Ruhm durch die ἀοιδά wäre eben der Lohn): Ol. 10, 91 ff. Vgl. Nem. 7, 30—32. 4) Seltsam der δαίμων γενέϑλιος Ol. 13, 105 (in demselben Gedicht auch der Ξενοφῶντος δαίμων, V. 28, was hier doch mehr ist als „Geschick“, wie sonst wohl [P. 5, 114. J. 7, 43] δαίμων bei Pindar). Es scheint fast, als ob das eine Bezeichnung des, dem Hause Glück bringenden Ahnen- geistes, genius generis des ἥρως συγγενείας (s. oben p. 232, 1) sein sollte. 5) Amphiaraos: Ol. 6, 14; Nem. 9, 24 ff.; 10, 8 f. (Aus seiner Erd- höhle sieht Amph. die Helden des Epigonenkriegs kämpfen: Pyth. 8, 39—56. [An Befragung seines Orakels durch die Ἐπίγονοι — wie Dissen meint, Rohde, Seelencult. 32

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/513>, abgerufen am 22.11.2024.