Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.Diese Gedanken von der Abstammung, den Schicksalen in halbem Dunkel. Auch hiervon freilich wird etwas gesagt in fr. 132:
psukhai asebeon schweben unter dem Himmelsgewölbe um die Erde (gaia entweder corrupt oder dem Ausdruck nach ungriechisch), während die der Frommen oberhalb des Himmelsgewölbes (epouranioi) wohnend, den "grossen Seligen" besingen. Alles ist hier unpindarisch, die Dürftigkeit und sogar Unrichtigkeit (molpais en umnois) des Ausdrucks, der unverhüllte Monotheismus in dem makara megan, die Vorstellung, dass die Seligen nichts thun als ewig den Einen Gott ansingen, die ganze Voraussetzung, dass diese Seligen "im Himmel" wohnen. Dies Letzte ist eine späteren Griechen geläufige Phantasie, und so ist auch die Scheidung der Seelen in upouranioi und epouranioi ihnen nicht unbekannt: vgl. Ep. lap. Kaib. 650, 9 ff. Pindar konnte so etwas nicht schreiben. Es ist sogar zweifel- haft, ob Clemens Al., der (Strom. 4, 541 D.) als Verfasser der Verse nennt ton melopoion, dabei an Pindar dachte: Theodoret, der die zweite Hälfte des Stücks dem Pindar zuschreibt, hat ja keine andre Quelle als eben den Clemens. Das Ganze ist aber schwerlich überhaupt einem griechi- schen Dichter alten Glaubens zuzuschreiben; es hat (wie Zeller, Philos. d. Gr.3 II 1, 19 A. 7 treffend andeutet) ganz das Ansehen einer jener jüdischen Fälschungen, durch die jüdischer Monotheismus und damit zusammenhängende Gedanken dem griechischen Alterthum angefabelt werden sollten. Welcker, Kl. Schr. 5, 252 ff.; Götterl. 1, 741 f. (der höchst unzutreffend die psukhai upouranioi und epouranioi jenes Stückes mit den, hiemit gar nicht vergleichbaren daimones epikhthonioi und upokhthonioi des Hesiod, E. 123. 141 in Verbindung bringt) meint, die Aechtheit jener (schon von Dissen als Fälschung erkannten) Verse schützen zu können durch Verweisung auf Horazens Wort von Pindars threnoi (c. 4, 2, 21): flebili sponsae iuvenem raptum plorat, et vires animumque moresque aureos educit in astra nigroque invidet Orco. Wäre hier auch von Versetzung der abgeschiedenen Seelen unter die Sterne die Rede, so wäre durch ein solches Zeugniss des Horaz doch nur Ein Anstoss in den fraglichen Versen beseitigt, die ausserdem noch schlimmste Anstösse in Menge dar- bieten. Aber Horaz redet gar nicht von Versetzung der "Seele" in die himmlischen Regionen. vires, animus, mores: das alles zusammen be- zeichnet mit nichten die psukhe, sondern das ethos und die aretai des Ver- storbenen. Pindar, will Horaz sagen, entreisst durch sein rühmendes Lied das Andenken an die Art und die Verdienste des Jünglings des Ver- gänglichkeit; nur von dem Ruhm, den der Dichter ihm zuwege bringe, ist die Rede. Das educit in astra und invidet Orco heisst nichts weiter als: er entreisst das Andenken des Todten der Vernichtung; ganz so wie es in jenem Epigramm (oben p. 495, 3) heisst: oude thanon aretas onum olesas, alla se Phama kudainous anagei domatos ex AIda. Also aus Horazens Diese Gedanken von der Abstammung, den Schicksalen in halbem Dunkel. Auch hiervon freilich wird etwas gesagt in fr. 132:
ψυχαὶ ἀσεβέων schweben unter dem Himmelsgewölbe um die Erde (γαίᾳ entweder corrupt oder dem Ausdruck nach ungriechisch), während die der Frommen oberhalb des Himmelsgewölbes (ἐπουράνιοι) wohnend, den „grossen Seligen“ besingen. Alles ist hier unpindarisch, die Dürftigkeit und sogar Unrichtigkeit (μολπαῖς ἐν ὕμνοις) des Ausdrucks, der unverhüllte Monotheismus in dem μάκαρα μέγαν, die Vorstellung, dass die Seligen nichts thun als ewig den Einen Gott ansingen, die ganze Voraussetzung, dass diese Seligen „im Himmel“ wohnen. Dies Letzte ist eine späteren Griechen geläufige Phantasie, und so ist auch die Scheidung der Seelen in ὑπουράνιοι und ἐπουράνιοι ihnen nicht unbekannt: vgl. Ep. lap. Kaib. 650, 9 ff. Pindar konnte so etwas nicht schreiben. Es ist sogar zweifel- haft, ob Clemens Al., der (Strom. 4, 541 D.) als Verfasser der Verse nennt τὸν μελοποιόν, dabei an Pindar dachte: Theodoret, der die zweite Hälfte des Stücks dem Pindar zuschreibt, hat ja keine andre Quelle als eben den Clemens. Das Ganze ist aber schwerlich überhaupt einem griechi- schen Dichter alten Glaubens zuzuschreiben; es hat (wie Zeller, Philos. d. Gr.3 II 1, 19 A. 7 treffend andeutet) ganz das Ansehen einer jener jüdischen Fälschungen, durch die jüdischer Monotheismus und damit zusammenhängende Gedanken dem griechischen Alterthum angefabelt werden sollten. Welcker, Kl. Schr. 5, 252 ff.; Götterl. 1, 741 f. (der höchst unzutreffend die ψυχαὶ ὑπουράνιοι und ἐπουράνιοι jenes Stückes mit den, hiemit gar nicht vergleichbaren δαίμονες ἐπιχϑόνιοι und ὑποχϑόνιοι des Hesiod, Ἔ. 123. 141 in Verbindung bringt) meint, die Aechtheit jener (schon von Dissen als Fälschung erkannten) Verse schützen zu können durch Verweisung auf Horazens Wort von Pindars ϑρῆνοι (c. 4, 2, 21): flebili sponsae iuvenem raptum plorat, et vires animumque moresque aureos educit in astra nigroque invidet Orco. Wäre hier auch von Versetzung der abgeschiedenen Seelen unter die Sterne die Rede, so wäre durch ein solches Zeugniss des Horaz doch nur Ein Anstoss in den fraglichen Versen beseitigt, die ausserdem noch schlimmste Anstösse in Menge dar- bieten. Aber Horaz redet gar nicht von Versetzung der „Seele“ in die himmlischen Regionen. vires, animus, mores: das alles zusammen be- zeichnet mit nichten die ψυχή, sondern das ἦϑος und die ἀρεταί des Ver- storbenen. Pindar, will Horaz sagen, entreisst durch sein rühmendes Lied das Andenken an die Art und die Verdienste des Jünglings des Ver- gänglichkeit; nur von dem Ruhm, den der Dichter ihm zuwege bringe, ist die Rede. Das educit in astra und invidet Orco heisst nichts weiter als: er entreisst das Andenken des Todten der Vernichtung; ganz so wie es in jenem Epigramm (oben p. 495, 3) heisst: οὐδὲ ϑανὼν ἀρετᾶς ὄνυμ̕ ὤλεσας, ἀλλὰ σε Φάμα κυδαίνουσ̕ ἀνάγει δώματος ἐξ Ἀΐδα. Also aus Horazens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0522" n="506"/> <p>Diese Gedanken von der Abstammung, den Schicksalen<lb/> und der endlichen Bestimmung der Seele müssen, je weiter sie<lb/><note next="#seg2pn_176_3" xml:id="seg2pn_176_2" prev="#seg2pn_176_1" place="foot" n="2)">in halbem Dunkel. 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Diese Gedanken von der Abstammung, den Schicksalen
und der endlichen Bestimmung der Seele müssen, je weiter sie
2)
2) in halbem Dunkel. Auch hiervon freilich wird etwas gesagt in fr. 132:
ψυχαὶ ἀσεβέων schweben unter dem Himmelsgewölbe um die Erde (γαίᾳ
entweder corrupt oder dem Ausdruck nach ungriechisch), während die der
Frommen oberhalb des Himmelsgewölbes (ἐπουράνιοι) wohnend, den
„grossen Seligen“ besingen. Alles ist hier unpindarisch, die Dürftigkeit
und sogar Unrichtigkeit (μολπαῖς ἐν ὕμνοις) des Ausdrucks, der unverhüllte
Monotheismus in dem μάκαρα μέγαν, die Vorstellung, dass die Seligen
nichts thun als ewig den Einen Gott ansingen, die ganze Voraussetzung,
dass diese Seligen „im Himmel“ wohnen. Dies Letzte ist eine späteren
Griechen geläufige Phantasie, und so ist auch die Scheidung der Seelen
in ὑπουράνιοι und ἐπουράνιοι ihnen nicht unbekannt: vgl. Ep. lap. Kaib.
650, 9 ff. Pindar konnte so etwas nicht schreiben. Es ist sogar zweifel-
haft, ob Clemens Al., der (Strom. 4, 541 D.) als Verfasser der Verse nennt
τὸν μελοποιόν, dabei an Pindar dachte: Theodoret, der die zweite Hälfte
des Stücks dem Pindar zuschreibt, hat ja keine andre Quelle als eben
den Clemens. Das Ganze ist aber schwerlich überhaupt einem griechi-
schen Dichter alten Glaubens zuzuschreiben; es hat (wie Zeller, Philos.
d. Gr.3 II 1, 19 A. 7 treffend andeutet) ganz das Ansehen einer jener
jüdischen Fälschungen, durch die jüdischer Monotheismus und damit
zusammenhängende Gedanken dem griechischen Alterthum angefabelt
werden sollten. Welcker, Kl. Schr. 5, 252 ff.; Götterl. 1, 741 f. (der höchst
unzutreffend die ψυχαὶ ὑπουράνιοι und ἐπουράνιοι jenes Stückes mit den,
hiemit gar nicht vergleichbaren δαίμονες ἐπιχϑόνιοι und ὑποχϑόνιοι des
Hesiod, Ἔ. 123. 141 in Verbindung bringt) meint, die Aechtheit jener
(schon von Dissen als Fälschung erkannten) Verse schützen zu können
durch Verweisung auf Horazens Wort von Pindars ϑρῆνοι (c. 4, 2, 21):
flebili sponsae iuvenem raptum plorat, et vires animumque moresque aureos
educit in astra nigroque invidet Orco. Wäre hier auch von Versetzung der
abgeschiedenen Seelen unter die Sterne die Rede, so wäre durch ein
solches Zeugniss des Horaz doch nur Ein Anstoss in den fraglichen
Versen beseitigt, die ausserdem noch schlimmste Anstösse in Menge dar-
bieten. Aber Horaz redet gar nicht von Versetzung der „Seele“ in die
himmlischen Regionen. vires, animus, mores: das alles zusammen be-
zeichnet mit nichten die ψυχή, sondern das ἦϑος und die ἀρεταί des Ver-
storbenen. Pindar, will Horaz sagen, entreisst durch sein rühmendes Lied
das Andenken an die Art und die Verdienste des Jünglings des Ver-
gänglichkeit; nur von dem Ruhm, den der Dichter ihm zuwege bringe, ist
die Rede. Das educit in astra und invidet Orco heisst nichts weiter als:
er entreisst das Andenken des Todten der Vernichtung; ganz so wie es in
jenem Epigramm (oben p. 495, 3) heisst: οὐδὲ ϑανὼν ἀρετᾶς ὄνυμ̕ ὤλεσας,
ἀλλὰ σε Φάμα κυδαίνουσ̕ ἀνάγει δώματος ἐξ Ἀΐδα. Also aus Horazens
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